Die Polizei, der Grünen neuer Freund und Helfer

Lange sahen die Grünen die Polizei kritisch. Ein neues Parteipapier plädiert nun für eine eigene grüne Sicherheitspolitik, fordert „Respekt“ für Polizisten und grüne Innenminister

Keine Angst mehr vor den „Bullen“: Die Grünen gehen auf die Polizei zu Foto: Arne Dedert/picture alliance

Von Konrad Litschko

Es gab Zeiten, da waren Polizisten für die Grünen „die Bullen“, die sie von Castor-Gleisen wegzerrten, da hatte die Partei für das Thema innere Sicherheit höchstens bittere Kritik übrig. Lang ist’s her. In einem aktuellen Impulspapier, das der taz vorliegt, schlägt die Partei nun ganz andere Töne an. Die Grünen ließen sich „nicht mehr an den innenpolitischen ‚Katzentisch‘ setzen“, heißt es dort. „Wir wollen selbst mitgestalten.“

Das Papier ist ein Beitrag zum neuen Grundsatzprogramm, das die Grünen derzeit erarbeiten. Verfasst haben es die bayrische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und Irene Mihalic, Innenexpertin der Partei im Bundestag und selbst Polizistin. Und beide machen eine Ansage: Die Grünen wollten künftig auch InnenministerInnen stellen. Das wäre ein Novum. „Wir setzen darauf, dass wir bei Abfassung des übernächsten Grünen-Grundsatzprogramms bereits auf die Bilanz einiger Grüner Innenminister*innen in Bund und Ländern Bezug nehmen können“, heißt es im Papier. Die Partei wolle bei der inneren Sicherheit nicht mehr nur „das Schlimmste verhindern“, sondern diese selbst prägen.

Dabei fordern die Grünen einen „grundlegenden Reformprozess der Sicherheitsarchitektur“, einen „Paradigmenwechsel“. Bisher reagiere die Politik „rein situativ“, fordere nach Anschlägen oder schweren Gewalttaten stets mehr Härte und neue Gesetze. Es brauche aber eine langfristige, wissenschaftlich basierte Sicherheitspolitik, so das Papier. Sonst sei die Folge wie bisher eine „wildgewachsene Behördenstruktur“ bei Polizei und Geheimdiensten und eine „uferlose Ausweitung der Befugnisse“.

Der Einsatz für Bürgerrechte – das passt ins traditionelle Grünen-Profil. Auch die Forderung, die Spitzen der Sicherheits­apparate „endlich deutlich weiblicher“ zu besetzen. Tatsächlich gibt es derzeit keine einzige Innenministerin, fast keine Polizei- oder Geheimdienstpräsidentinnen. Aber das neue Impulspapier geht weiter.

Denn es folgt ein Eingeständnis, dass die Partei lange ein „misstrauisch-kritisches Verhältnis“ zur Polizei pflegte. Nun wolle man einen „konstruktiv-kritischen, aber vertrauensvollen Dialog mit der Polizei weiterentwickeln“. PolizistInnen müssten für „ihre oft schwierige, konfliktbeladene Arbeit Unterstützung, Anerkennung und ­Respekt erfahren“. Es brauche eine „solide Vertrauensbasis“.

Für die Polizisten setzen die Grünen auf ein neues Leitbild: das einer „Bürger*innenpolizei“. Die Beamten müssten ansprechbarer sein, etwa mit Kontaktbereichsbeamten. Dazu brauche es stets erreichbare, „virtuelle Polizeiwachen“. Und Entlastungen für die Beamten: Schwarzfahren, illegale Einreise und Cannabis-Konsum müssten entkriminalisiert werden. Auch sei die Polizei „nicht der Ausputzer für alle gesellschaftlichen Probleme“. Um „umfassend“ Sicherheit zu schaffen, brauche es auch eine Stärkung von Schulen, Sozialämtern oder Arbeitsagenturen.

Dazu wollen die Grünen den Behördenwirrwarr entflechten, in dem jeder Verantwortung von sich schiebe – „ein großes Sicherheitsrisiko“. 17 Ämter für Verfassungsschutz, der BND, der MAD: „Da kann einiges zu­sammengeführt werden.“ Die Terrorismuszentren GTAZ (für Islamismus) und GETZ (für den Rest-Extremismus) gehörten zusammengelegt. Es müsse gesetzlich geklärt werden, wer wann „den Hut aufhat“. Und auch die Länderpolizeien bräuchten über Verwaltungsvereinbarungen einheitliche Standards.

Die neue Freundlichkeit zur Polizei, eine weitere Wegmarke für Schwarz-Grün? Gerade erst hatten sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer für das Bündnis ausgesprochen. Mihalic widerspricht: „Es geht darum, eine eigene, grüne Sicherheitspolitik zu formulieren.“ Bisher sei die Partei dort „immer das Korrektiv“ gewesen. „Nun ist es an der Zeit, dass wir hier selbst Verantwortung übernehmen.“

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