Ehemaliger Trump-Chefstratege Bannon: Total Loser

Der Ex-Breitbart-Chef Steve Bannon wollte einst Europa aufmischen. Passiert ist bislang ziemlich wenig.

Ein grauhaariger Mann mit Brille schaut nach unten

Er war „Breitbart-Chef“ und der Berater des US-Präsidenten. Jetzt ist Steve Bannon in Europa aktiv Foto: ap

Roter Backstein, weiße Fensterläden, Schieferdach: Die vornehme zweistöckige Villa in der Brüsseler Avenue du Houx 42 passt bestens in die reiche Wohngegend am südöstlichen Rand der belgischen Hauptstadt. Hier lebt und arbeitet Mischaël Modrikamen, ein erfolgreicher Anwalt mit Ambitionen. 2009 gründete er die Parti Populaire, die er selbst „unverklemmt rechts“ nennt – die bislang aber nur eine unbedeutende wallonische Partei geblieben ist.

Und so schrieb der umtriebige belgische Anwalt 2016 einen Brief an Donald Trump, kurz nachdem dieser zum US-Präsidenten gewählt worden war. Er schlug vor, so erzählt Modrikamen es selbst, die „Kräfte zu vereinen“. Den Brief adressierte er auch an Trumps damaligen Chefstrategen Steve Bannon. Fast zwei Jahre später, im vergangenen Sommer, nahm dieser Kontakt mit ihm auf. Bannon interessierte sich für die Stiftung „The Movement“, die Modrikamen gemeinsam mit seiner Frau im Januar 2017 gegründet hatte.

Denn nachdem Trump Bannon im August 2017 aus dem Weißen Haus geworfen hatte, zog es diesen nach Europa. Und als Basis kam ihm „The Movement“ offenbar gerade recht. In Brüssel schlage das „Herz der Globalisten“ sagte Bannon – und meinte die EU. Und mithilfe der „The Movement“-Stiftung werde er einen „Pfahl durch diesen Vampir treiben“. Die Villa Modrikamen solle dafür zur Schaltzentrale seiner neuen „Bewegung“ ausgebaut werden, ausgestattet mit zehn Stellen, für Analysen, Kommunikationsstrategien und Politikberatung. Das Ziel: Europas Rechte für die Europawahl im Mai zu einer „Supergroup“ vereinen.

Eine neue rechte Achse?

Große Ankündigungen – die in Europa durchaus für Nervosität sorgten. Nicht wenige fürchteten eine Achse zwischen Europas und Amerikas Rechtspopulisten. Und viele trauten Bannon zu, diese aufbauen zu können.

Und so geben sich Journalisten nun in der Avenue du Houx die Klinke in die Hand. Jeder Schritt Bannons in Europa wird eine Nachricht: ein Treffen mit AfD-Fraktionschefin Alice Weidel in Zürich, ein Besuch bei dem tschechischen Präsidenten Miloš Zeman, Gespräche mit Viktor Orbán, Marine Le Pen, Matteo Salvini und den Gelbwesten.

Die Idee Anlässlich der EU-Wahl im Mai hat die taz mit sechs anderen europäischen Medien den Rechercheverbund Europe’s Far Right gegründet. Wir wollen wissen: Wie stellt sich Europas Rechte auf? Mit dabei sind neben der taz Libération (Paris), Falter (Wien), Gazeta Wyborcza (Warschau), HVG (Budapest), Internazionale (Rom) und WOZ (Zürich).

Das Geld Die Recherchen werden gefördert durch das Kartographen-Stipendium der Stiftung Mercator, das „Reporters in the Field“-Stipendium der Bosch Stiftung, durch die Otto Brenner Stiftung und die taz Panter Stiftung.

Der Kongress Der Rechercheverbund ist auch zu Gast auf dem taz lab am 6. April.

Alle Texte: taz.de/efr

Doch heute, weniger als 100 Tage vor der Europawahl, ist es im Wesentlichen dabei geblieben. Nicht einmal der schon für September 2018 angekündigte „Gründungskongress“ von „The Movement“ hat stattgefunden. Wenn es um konkrete Zusammenarbeit mit Bannon geht, winken Europas Rechtspopulisten einer nach dem anderen ab.

Am besten sind Bannons Kontakte noch nach Italien. Gut 100 Kilometer östlich von Rom liegt ein anderes Gebäude, das mit Bannons Engagement in Europa verknüpft ist: die Kartause Trisulti, malerisch in einem Eichenwald gelegen. Eine gewaltige Bibliothek, eine reich verzierte Kirche und die Kloster­apo­theke zeugen davon, dass hier früher bis zu 300 Mönche lebten.

Im Februar 2018 mietete das ­Dignitatis Humanae Institute, eine erzkonservative katholische Denkfabrik, es für 100.000 Euro im Jahr von der italienischen Regierung. Der Brite Benjamin Harnwell, ehemaliger Mitarbeiter des EU-Parlaments und heute Leiter des Instituts, gehört zu Bannons Vertrauten in Europa. In einem Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della Sera berichtet der US-Amerikaner von einer gemeinsam geplanten Kaderschmiede, einer „Schule der Gladiatoren“, in der die „Träger der Veränderung“ ausgebildet werden sollen. Eine Schule für Rechtspopulisten, in deren Klassen in diesem Frühling zunächst in Rom, Ende des Jahres nach Abschluss der Umbauarbeiten in der Kartause die Arbeit beginnen sollte.

Es blieb bei einem Treffen mit Salvini

Ähnlich wie Modrikamen in Brüssel empfängt nun Harnwell in Italien stellvertretend für Bannon europäische Journalisten. Zu den Beschreibungen des edlen Mobiliars in der Avenue du Houx gesellen sich solche vom Kräutergarten und dem Blick auf die Berge des Apennin. Die Kartause werde zum „spirituellen Zuhause des Bannonismus“, so zitiert die NZZ noch im Januar den stolzen Harnwell.

Allein: Die italienische Regierung hat das Projekt bereits im Januar blockiert. Begründung: Der Mietvertrag mit dem Institut erlaube keine Nutzung des Gebäudes als Schulungszen­trum. Zuvor hatten Hunderte Anwohner massiv protestiert. „Stop Bannon, Free Europe“ stand auf ihren Transparenten.

Ein herber Schlag für Bannon. Denn eigentlich war das Institut als italienischer Bündnispartner bereits Plan B, wenn nicht gar C. Nach der Wahl in Italien hatte der US-Amerikaner zunächst versucht, die italie­nische Fünf-Sterne-Bewegung als Verbündeten zu gewinnen, dann schwenkte er auf die Lega und ihren Innenminister Matteo Salvini um. „He’s in!“, twitterte Bannons Vertrauter Modrikamen nach einem Treffen mit Salvini im September. Doch seitdem hat Salvini kaum weiteres Interesse an einer Zusammenarbeit mit Bannon gezeigt. Dieser versucht nun stattdessen, innerhalb der katholischen Kirche an Einfluss zu gewinnen, indem er sich die in den letzten Jahren entstandenen Spannungen zwischen Papst Franziskus und der konservativsten Fraktion der Kirche zunutze macht.

Anderswo hat Bannon bislang noch weniger erreicht: Im November kündigte er nach einem Besuch in Budapest an, Präsident Viktor Orbán im Europawahlkampf zu „beraten“. Orbán wollte dies bislang nicht einmal kommentieren.

Marine Le Pen, Vorsitzende des französischen Rassemblement National (RN), war eine der ersten Anlaufstellen für Bannon in Europa: Schon im März 2018 trat er auf einem Parteitag in Lille auf: „Ihr seid Teil einer weltweiten Bewegung, die größer ist als Frankreich, größer als Italien, größer als Ungarn, größer als all das“, rief er einer begeisterten Le Pen und ihren Anhängern zu. Seit Oktober 2018 ist es mit der Annäherung vorbei: „Die Kraft, die aus den Europawahlen hervorgehen wird, sind wir allein“, verkündete Le Pen in Rom während eines Treffens mit Matteo Salvini.

Die FPÖ wolle sich „aus eigener Kraft“ vergrößern, erklärte etwa zur gleichen Zeit Harald Vilimsky, Generalsekretär der österreichischen Partei. „Das machen wir abseits von Hilfen aus den USA oder Russland.“ Auch in der AfD winkt man ab.

In der Brüsseler Schalt­zentrale ist kaum etwas los

Nach dem Treffen vor einem Jahr in Zürich habe es keine weiteren Begegnungen geben, sagt Fraktionschefin Alice Weidel. „Über seine europäische ‚Bewegung‘ habe ich mich mit ihm bislang nicht ausgetauscht.“ Auch Parteichef Jörg Meuthen, der Spitzenkandidat für die Europawahl ist, hat so gut wie keinen Kontakt. „Vor Monaten hat mich Steve Bannon einmal angerufen. Zu einer persönlichen Begegnung ist es bislang nicht gekommen“, sagte Meuthen der taz. „Steve Bannon wird im Europawahlkampf der AfD keine Rolle spielen.“

Wenn sich Europas Rechtspopulisten vernetzen, dann jedenfalls ohne Bannon.

Nicolai von Ondarza überrascht das nicht. „Bannons Möglichkeiten in Europa wurden in der Öffentlichkeit überschätzt“, sagt der Politikwissenschaftler, EU-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Seine Attitüde, er könne die zerstrittenen Rechtspopulisten in Europa einen, war geradezu absurd.“

Ein Problem sei, dass Bannon US-Amerikaner ist. Das goutieren die meisten – oft antiamerikanisch gesinnten – Rechten in Europa nicht. Zudem könne Bannon zur Einigung der europäischen Rechten wenig beitragen. „Das ist ja nicht der erste Versuch“, sagt von Ondarza. „Bisher ist ein Zusammengehen immer an entgegengesetzten Nationalismen gescheitert.“ Das könnte auch dieses Mal wieder so sein. Man werde aber erst nach den Wahlen zum EU-Parlament im Mai sehen, ob dieses Mal vielleicht doch der machtpolitische Anreiz überwiegt. „Im Wahlkampf wird das niemand von ihnen zugeben.“

Bleiben Modrikamen und „The Movement“. In der Brüsseler Villa aber ist von einer „Schaltzentrale“ bislang wenig zu sehen. Reporter, die Zutritt bekamen, berichten, außer Journalistenbesuchen sei dort kaum etwas los. Bisher hat die Stiftung nicht einmal eine eigene Internetseite. Schlagzeilen hatte Modrikamen zuvor im November 2017 gemacht: mit Hausdurchsuchungen bei ihm und seiner Frau sowie in der Parteizentrale der Parti Populaire; es soll um die Veruntreuung von EU-Geldern gegangen sein.

Modrikamen spricht mittlerweile selbst lieber von „Club“, wenn es um „The Movement“ geht. Gemeinsam mit Bannon wolle er einen „Gipfel der Populisten“ im März in Brüssel veranstalten, sagte er Anfang Februar dem Schweizer Tagesanzeiger. Hotels seien bereits reserviert. Eine taz-Anfrage dazu ließ er unbeantwortet. Doch klar ist: Was großspurig Gipfel genannt wird, wird höchstens die Gründungsversammlung, die schon im September hätte stattfinden sollen. Will Steve Bannon in Europa noch etwas erreichen, muss er sich beeilen.

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