Kommentar Urteil El Chapo: Niemand will Dreck aufwirbeln

Ein Drogenboss wird weggesperrt. Doch an die mafiösen Strukturen wagen sich weder die US- noch die mexikanischen Behörden.

gezeichnetes Bild aus einem Gerichtssaal

El Chapo ist weggesperrt, aber das Kartell operiert weiter ungestört Foto: Reuters

Joaquín „El Chapo“ Guzmán wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Das ist die gute Nachricht, die gestern aus einem New Yorker Gericht verlautete. Denn der Chef des mexikanischen Sinaloa-Kartells ist für Massenmorde, Folterungen und andere schwere Verbrechen verantwortlich.

Mit diesem Urteil ist ein erster Schritt getan. Nun müsste der zweite erfolgen, um seiner Organisation ein Ende zu setzen. Damit Guzmáns Kartell agieren kann, braucht es ein umfangreiches Netzwerk von korrupten Helfern: Politiker, Polizisten, Militärs, legale Unternehmen und Banken. Ohne sie lassen sich keine Tonnen von Heroin herstellen, transportieren und über die US-Grenze schmuggeln. Und ohne sie kann man auch keine Milliardenumsätze in „sauberes Geld“ waschen.

Zeugen haben Hinweise auf die Helfer gegeben: Von der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft, hohen Militärs und einem langjährigen Minister für Innere Sicherheit war die Rede. Zwei ehemalige Präsidenten, unter ihnen Enrique Peña Nieto, sollen Millionengelder von den Drogenbossen kassiert haben. Auch US-Beamten sind nach dem, was im Prozess zu erfahren war, tief in das Geschäft verstrickt.

Vieles deutet aber daraufhin, dass Strafverfolgungsbehörden beider Staaten hier bewusst nicht weiter ermitteln wollen. Nicht auszuschließen ist, dass das eine Bedingung war, unter der Peña Nieto Guzmán 2017 an die USA auslieferte. Genau da liegt das Problem: Niemand will Dreck aufwirbeln.

Wollte die US-Regierung tatsächlich den Drogenmarkt bekämpfen, müsste sie gegen ihre in kriminelle Machenschaften involvierten Beamten vorgehen. Und will der neue mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador ersnthaft mit der Gewalt der Mafia Schluss machen, müssen seine Strafverfolger die Informationen aus dem Prozess aufgreifen und die Verantwortlichen konsequent verfolgen. Nur dann ist das Urteil gegen Guzmán ein Schritt, um den Terror der organisierten Kriminalität tatsächlich zu beenden und nicht nur einen einzelnen Akteur wegzusperren. Ein Chef ist im Sinaloa-Kartell sofort ersetzbar, das Schmuggeln, Foltern und Morden geht auch ohne ihn weiter.

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Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.

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