Album „Inferno“ von Robert Forster: Aufregende Träume

Eine Weichheit, ein Grundvertrauen in die Melodie: Das neue Album des australischen Sängers Robert Forster erzählt entspannt vom Älterwerden.

Porträtaufnahme von Robert Forster vor einer Hütte, neben ihm gelbe Blumen

Nick Cave soll Robert Forster mal als „wahrhaftigsten Poeten unserer Generation“ bezeichnet haben Foto: Bleddyn Butcher

Ich brenne nicht darauf, ständig in der Öffentlichkeit zu stehen. Lieber bin ich zu Hause, komponiere Songs, schreibe Prosa. Aber mich ins Auto zu setzen und durch den Stadtverkehr zu schleichen, no way! Ich bin sowieso nicht besonders sozial veranlagt.“ Ja, man kenne ihn schon in Brisbane, aber er spiele keine große Rolle im öffentlichen Leben der Gegenwart.

Wie immer zelebriert Robert Forster am Telefon das Understatement. Er sitzt in dem Bungalow, den er mit seiner deutschen Frau Karin Bäumler und den beiden Kindern am Rande seiner Geburtsstadt Brisbane bewohnt. Die Zweimillioneneinwohnerstadt im Nordwesten Australiens war einst auch stomping ground der glorreichen – und glorreich unbekannten – Band The Go-Betweens, die Robert Forster im Punkjahr 1977 mitbegründet hat.

Forster spielt keine Rolle? Inzwischen ist in Brisbane eine große Straßenbrücke zu Ehren der Go-Betweens benannt. Vielleicht ist es der klimatische Unterschied zwischen einem Berliner Wintermorgen und einem australischen Sommerabend, der das Gespräch am Telefon anfangs zäh wirken lässt. Vielleicht steht der 62-jährige Forster aber auch schon mit einem Bein in der Altersteilzeit? Das wäre schon deshalb interessant zu erfahren, weil die Go-Be­tweens bereits als junge Hüpfer altersweise geklungen haben, speziell die Songs von Forster.

Sein Bandkollege, Freund und Widerpart, der tragisch früh verstorbene Grant McLennan (1958–2006) hatte bisweilen auch jugendlich-euphorische Liebeslieder rausgehauen. Aber große Go-Betweens-Songs wie „Cattle And Caine“, „The Wrong Road“, „Bye Bye Pride“ oder „Was There Anything I Could Do“ waren schon immer Rückschau, Liebes- und Lebensresümee, gehüllt in das warme rote Dämmerlicht eines Lebensabends. Das will sich dann aber jenseits der 60 gar nicht einstellen.

Das Musikbiz sei härter geworden, sagt Forster

Stattdessen ärgert sich Forster aktuell über die unbarmherzige australische Sommerhitze und schreibt ein lustiges Lied darüber. Oder, er schaut, wie im Song „No Fame“, zurück auf die frühe Jugend. „I don’t need no fame“, heißt es da im Refrain. Ja wie, wollte Forster denn früher nicht die Welt erobern?

Robert Forster: „Inferno“ (Tapete/Indigo); auf Tour Ende April, Anfang Mai

„In den späten Teenager-Jahren hat man doch diese Einstellung: Ich mache einfach nur das, wozu ich Lust habe, egal, ob was dabei rauskommt oder nicht“, entgegnet Forster. „Das ist kein Nihilismus, eher Sorglosigkeit. Ich konnte mich plötzlich wieder an dieses Gefühl erinnern, ich habe Gitarre gespielt und dachte plötzlich: Ah ja, genau so habe ich mich damals gefühlt. Für mich hat der Song was von Credence Clearwater Revival, ich kann mir gut vorstellen, wie John Fogerty ihn singen würde. Ihn habe ich so sehr geliebt, als ich jung war.“

Natürlich muss man bei dem Thema trotzdem an das schon tragische Ausbleiben eines Chartserfolgs der Go-Betweens denken, „Bachelor Kisses“ war nur einer dieser fantastischen Popsongs, die bei Plattenfirmen und Band immer die Hoffnung auf ganz großen Ruhm genährt haben. „Nein, mit dem ausbleibenden Erfolg hat das nichts zu tun.

„I don’t need no fame“, singt Robert Forster. Ja wie, wollte er denn früher nicht die Welt erobern?

Ich denke nicht mehr über so was nach. Ich wünschte nur, ich hätte mehr Geld. Das Musikbiz ist viel härter geworden, es ist weit schwieriger heutzutage, von der Musik zu leben.“ Das Scheißgeld, na klar. Könnten die Australier ihrem großen Sohn nicht irgendeinen gutbezahlten Repräsentationsjob verschaffen, Popehrenbotschafter oder so was? Aber nein, will er ja nicht.

Auch verständlich. Und Forster klagt ja auch nicht groß. Wer weiß, wo ihn der eintretende Ruhm hingebracht hätte. „Ja, klar, ich könnte tot sein. Ich hätte nicht diese wunderbare Familie, ich wäre nicht so zufrieden. Mein Gott, Sie haben vollkommen Recht.“

Auch wenn die Nächte in Brisbane etwas Abkühlung bringen, auch sie sind nicht unbedingt Robert Forsters Freunde. „It’s a new day, another night that I’ve survived“, heißt es im Song „The Morning“: „My dreams have chased me to this place where I’ve arrived.“ Das könnte man natürlich auch wieder größer lesen, die Lebensträume haben ihn dorthin gebracht, wo er jetzt ist.

Aber auch hier wiegelt Forster ab und spricht lieber über Albträume, die ihn durch die Nacht jagen – typische Musikerträume: „Ich muss in fünf Minuten auf die Bühne, bei Rock am Ring, direkt vor Guns ’n’ Roses, und ich kann meine Band nicht finden. Ich kann eine bestimmte Bewegung nicht machen, oder ich kann nicht sprechen. Oder ich muss durch ein Labyrinth, ein großes Schloss mit vielen, vielen Räumen, und ich kann die Menschen nicht finden, die ich suche. Ich glaube, viele Menschen haben solche Träume.“

„Inferno“ will kein Meisterwerk sein

Man kann sehr dankbar sein, dass Robert Forster nicht an einem Dylan-Komplex leidet und kein Problem damit hat, als einer von vielen Epigonen rüberzukommen. Einer, der schlecht träumt, schwitzend erwacht und schon beim Frühstück über die Hitze flucht, bevor ihn die Geldsorgen wieder einholen an diesem Ort, von dem er einst „with a head full of steam“ nach London geflohen ist. „Der wahrhaftigste und eigenwilligste Poet unserer Generation“, so soll Nick Cave seinen Landsmann einst genannt haben.

Wahrhaftig ja, keine Frage, vor allem verglichen mit dem Folkloresänger Cave. Eigenwillig? Wahrscheinlich weil Robert Forster für einen Pop-„Star“ so eigenwillig ist, keines der auf ihn gemünzten Klischees zu erfüllen. Nicht einmal mit seinem neuen Album will Robert Forster Eindruck schinden, Tiefgang oder Bedeutung vortäuschen: „Es gab keine wichtigen Ereignisse, die während der Entstehung des Albums passiert wären.“

Und genauso klingt „Inferno“ auch, es ist nicht unbedingt Forsters Meisterwerk, aber das will es auch gar nicht sein. Es ist trotzdem bestückt mit tollen, intimen und, ja, möglicherweise alterslosen Songs. „Ich kann nicht ändern, dass ich älter werde, aber manchmal wache ich auf und fühle mich wie 12, und manchmal wie 22, und das hält den ganzen Tag an. Und ich singe besser als früher, mit meinem Gesang bin ich wirklich sehr zufrieden.“

Forsters Gesang ist nun wirklich besonders auf „Inferno“, er hat ja immer mehr erzählt als gesungen. Inzwischen hat seine Stimme aber eine Weichheit, ein Grundvertrauen in die Melodie, vor allem in den Songs wie „Crazy Jane On The Day Of Judgment“ und „One Bird In The Sky“, die auch musikalisch etwas ausladender arrangiert sind, als man es von Forster gewohnt ist.

„Ich möchte, dass Adele ‚The Morning‘ covert“

Nicht sein Verdienst, wie Forster sofort wieder abwiegelt, Produzent Victor Van Vugt und der Pianist Michael Mühlhaus (früher bei Blumfeld) hätten die Arrangements vorangetrieben, bei der gemeinsamen Arbeit am Album in Berlin, im Juni 2018. Und dann schwärmt er von der Leistung von Michael Mühlhaus, der die Klavierparts auf einem Bösendorfer Flügel von 1894 eingespielt hat.

Es sind die Songs auf „Inferno“, die vielleicht doch in die Zukunft weisen, mit denen sich Robert Forster noch einmal einen großen Schritt von der Vergangenheit mit dem verstorbenen Grant McLennan und den Go-Betweens entfernt. „Der hohe Standard von Grants Arbeit hat mich zu einem besseren Songwriter gemacht“, gesteht Forster: „Ja, Grants Geist ist in dem, was ich tue; drin, aber er schaut mir nicht über die Schulter, wenn ich Songs komponiere. Er lugt vielleicht ab und an mal zum Fenster herein.“

Forster schreibt auch nicht mehr viele Songs, zwei der gerade mal neun Stücke auf „Inferno“ sind schon vor vielen Jahren entstanden. Dafür arbeitet er an etwas, das er einen Roman zu nennen sich noch nicht traut. „Ich arbeite seit einem Jahr an einer Geschichte. Ich habe noch nie an einer so langen Geschichte gearbeitet, normalerweise höre ich nach 2.000 Wörtern auf. Aber dieses Mal ist es etwas Größeres. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr damit fertig werde, und dann werde ich entscheiden müssen; ob es gut genug ist, um es veröffentlichen.“ Und das will gut überlegt sein, denn ein Buch mit dem Namen Robert Forster auf dem Cover findet sicherlich einen Verleger.

Jetzt aber kommt erst mal ein neues Album. Hat er Erwartungen daran, geheime Erwartungen, die er niemandem anvertrauen würde außer den Leser*innen der taz? „Ja, klar: Ich möchte, dass Adele ‚The Morning‘ covert, ich möchte mal Headliner eines Festivals sein … Ich hoffe einfach, dass mit dem Album ein paar neue Abenteuer in meinem Leben passieren.

Wäre schön, wenn ein paar meiner Songs es in die Soundtracks extrem erfolgreicher Filme schaffen. Das wär’s. Moment, eins noch: Dass ein Filmregisseur in Deutschland oder Österreich das Album hört und denkt: Ich mag seine Stimme, er soll in einem meiner Filme mitspielen. Das wäre ein Traum.“ Okay, Verzeihung, im Pensionärsmodus ist Robert Forster noch lange nicht.

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