Indisch-pakistanisches Presseprojekt: Friedenstauben statt Falken

Die "Times of India" und die pakistanische Jang Group arbeiten an einem gemeinsamen Friedensprojekt. Die Konkurrenz wittert dahinter nichts als ein Marketingkonzept.

Indische Zeitung am Tag nach den blutigen Terroranschlägen in Bombay. Bild: dpa

DELHI taz | Die Fahrstuhltüren im marmornen Treppenhaus der Times of India sind mit bedruckter Folie zugeklebt. Darauf werben eine grüne und eine orangefarbene Taube für das pakistanisch-iranische Friedensprojekt Aman ki Asha (Sehnsucht Frieden). "Ja, wir sind Tauben und keine Falken", sagt Nachrichtenchef Ranjan Roy. "Wir sagen das nicht defensiv. Die Fahrstuhlaufkleber haben wir im ganzen Land plakatiert." Roy leitet ein außergewöhnliches Zeitungsprojekt.

Sein Blatt, im Besitz der größten indischen Mediengruppe Times Group, Auflage 4,5 Millionen, hat sich dafür mit dem größten pakistanischen Medienhaus, der Jang Group, zusammengetan. Gerade muss Roy wieder eine Sonderseite mit dem Taubenlogo fertigstellen - wie immer neben der aktuellen Produktion. Das schlaucht. Thema sind diesmal die drakonischen Visavorschriften zwischen Indien und Pakistan. Man gewährt sich nur Städtevisa, und das erst nach umfangreichen polizeilichen Kontrollen. Touristenvisa gibt es gar nicht. "Die Visavorschriften geißeln 1,3 Milliarden Inder und Pakistaner", sagt Roy. "Die Regierungen müssen endlich flexibler werden und verhandeln."

Seit Januar hat er schon dreißig Sonderseiten produziert. Inhaltlich steht er zu jedem Artikel. Im Gegensatz zu den in Indien üblichen kleinteiligen Zeitungsseiten arbeitet Roy für das Projekt mit großzügigen Layouts und langen Reportagen: mal über das indienfreundliche pakistanische Autorenkino, mal über das Pakistanbild der großen indischen Schriftsteller, mal über die Handelsbarrieren. "Seit 60 Jahren sind Millionen Familien durch die Grenze getrennt. Es gibt weder Reisemöglichkeiten noch Flüge noch direkten Handel. Weil die Regierungen dagegen nichts unternehmen, müssen wir Zeichen setzen und die Diskurse aufweichen", sagt Roy.

"Inder und Pakistaner haben so viel gemeinsam. Wir essen das gleiche Essen, sprechen die gleiche Sprache wie die Nordinder, machen die gleichen Witze. Die meisten aber wissen das alles nicht mehr", sagt Shahrukh Hassan, Chefmanager (CEO) der Jang Group. Hassan lässt derzeit eine Projektseite pro Woche in der größten urdusprachigen Tageszeitung seines Konzerns drucken (Auflage: 800.000), zudem zwei Seiten wöchentlich in der englischen News International. Die Texte beider Seiten beschäftigen sich jeweils mit den gleichen Themen, aber man bleibt bei den eigenen Autoren.

Schon vor zwei Jahren fuhr Hassan nach Delhi, um den Kontakt zur Times Group aufzubauen. Doch die pakistanischen Terroranschläge in Mumbai legten das Projekt im Herbst 2008 auf Eis. 163 Inder wurden damals ermordet. "Ohne den Terrorismus wäre alles so viel einfacher", sagt Roy. Zur Times Group gehört aber auch Indiens nationalistischer Fernsehsender Times Now. Dort wird täglich der Terrorstaat Pakistan vorgeführt, und dort senden die Falken und verspotten die Tauben.

Auch Hassan musste Widerstände überwinden. Er klapperte Ministerien, Parteien und Militär ab. Er wollte nicht zum "Indienfreund" und Buhmann werden. "Es gab viele Vorbehalte", sagt er, wegen Kaschmir, wegen des Streits um Wasser aus dem Himalaja. Als "Landesverräter" sei er von manchen beschimpft worden. Aber Hassan entdeckte auch einen neuen Konsens der pakistanischen Eliten: Alle wissen, dass ohne ein besseres Verhältnis zu Indien nichts mehr geht, vor allem nicht in der Wirtschaft. Umso weniger wunderte sich Hassan, als im Mai die erste große indisch-pakistanische Unternehmerkonferzenz im Rahmen des Zeitungsprojekts stattfand - ein Riesenerfolg. "Die Unternehmer griffen offen die Politik an. Das hat richtig geknistert", freut sich auch Roy.

Die Konkurrenz sieht das Projekt weniger idealistisch. "Die Times Group betreibt perfektes Marketing: Sie sendet supernationalistische TV-Nachrichten und macht Friedenskampagnen in der Zeitung. Damit macht sie sich jedermann zum Kunden", sagt der Leiter der politischen Redaktion einer anderen großen Tageszeitung in Delhi, der anonym bleiben will. Auch außerhalb der Medienbranche regt sich Kritik: "Ich suchte Hilfe für einen Schüleraustausch mit Pakistan. Aber bei der Times of India interessierten sich nur die Marketingexperten für das Projekt", sagt Shankar Musafir vom privaten Schulkonzern Educom.

Wie lange das Friedensprojekt noch laufen soll, ist offen. "Vielleicht noch ein Jahr", sagt Roy. Hassan wünscht sich einen längeren Atem: "Wir wachsen und wachsen. Wir schaffen gerade das größte Friedensprojekt der globalen Medienbranche."

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