Florian Henckel von Donnersmarck: Zu kultiviert für die Nazis? Wohl kaum

Florian Henckel von Donnersmarcks „Werk ohne Autor“ ist für einen Oscar nominiert. Viele Stimmen fordern, ihm den Preis nicht zu überlassen.

Florian Henckel von Donnersmarck bei einer Veranstaltung vor der Oscarverleihung

Ehre und Anstand? Diese Attribute schreibt Henckel von Donnersmarck seiner adeligen Herkunft zu Foto: Reuters

Vor der Verleihung der Oscars gingen die Buchmacher davon aus, dass Florian Henckel von Donnersmarck und sein „Werk ohne Autor“ leer ausgehen würden. Das hoffte auch die Tel Aviver Psychologin und Autorin Ayelet Gundar-Goshen. Mit ihrer Bitte an die Mitglieder der American Academy of Motion Pictures Arts and Sciences „Gebt ihm den Oscar nicht!“ machte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am Sonntag ihr Feuilleton auf. Florian Henckel von Donnersmarck gelinge es, schreibt die Autorin, Deutschland im Zweiten Weltkrieg ohne Holocaust und die Verbrechen gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen zu zeigen.

Donnersmarcks Film habe sie überrascht, schreibt Gundar-Goshen, weil Deutschland für sie eine Nation sei, „die sich respektabel mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt, sie kennt und annimmt“. Das gilt nicht für Florian Henckel von Donnersmarck. Das konnte man zuletzt in einem Porträt des Regisseurs von Dana Good­year sehen, das der New Yorker im Januar veröffentlicht hat. Dort beschreibt Donnersmarck seine Familie „als zu kultiviert, um sich mit den Nazis eingelassen zu haben“.

Zu kultiviert, um sich nicht auf das System der Zwangsarbeit einzulassen, war die Familie aber nicht. Polnische und arbeitsfähige jüdische Häftlinge vom Außenlager Kressendorf (Krzeszowice) des Konzentrationslagers Auschwitz leisteten in den Kalkwerken Henckel von Donnersmarck Zwangsarbeit. Gleiches ist für das Außenlager Hindenburg belegt, wo die Häftlinge in der Kokerei und bei der Waffen- und Munitionsherstellung in der Hütte Donnersmarck arbeiteten.

Davon scheint Florian Graf Henckel von Donnersmarck nichts zu wissen oder sich aufgrund seiner adeligen Geburt der Mühen enthoben zu fühlen, sich mit der familiären Vergangenheit im 20. Jahrhundert auseinandersetzen zu müssen. Das zeigte bereits ein Interview mit der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2010, wo er von den Prinzipien von Ehre und Anstand sprach, nach denen er, wie der Adel überhaupt, erzogen worden sei.

Was Donnersmarck dadurch belegt sieht, dass im Widerstand gegen Hitler auffällig viele Adlige vertreten gewesen seien. Bei der überschaubaren Gruppe der adligen Widerstandskämpfer vermisst man freilich den Namen Henckel von Donnersmarck. Ob er nicht eher in der Mitgliederliste der Reiter-SS zu finden ist? Wenn ja, wäre das dem 1973 geborenen Regisseur nicht anzulasten. Doch dass er seine Familie insgeheim unter die Moltkes und Stauffenbergs einreihen will, geht auf seine Kappe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.