Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die SPD will nicht, dass Annegret Kramp-Karrenbauer Kanzlerin wird. Da kann sie sich noch so sehr entkrampfen. Angela Merkel gefällt das.

Mehrere Schatten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werden an eine Wand projiziert

Es braucht gelockerte Muskulatur, Merkel zugleich links und rechts zu überholen. Ist AKK dafür fit? Foto: reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergange-nen Woche?

Friedrich Küppersbusch: SPD kündigt an, AKK nicht zur Kanzlerin zu wählen.

Und was wird besser in dieser?

Merkel kann sich auf SPD verlassen.

Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU-Frau, die sich anschickt, die nächste Bundeskanzlerin zu werden, bezeichnete die Deutschen im Karneval als „das verkrampfteste Volk der Welt“. Wie gelingt die kollektive Entspannung?

Da steht ja einer schwungvollen Umtaufe Annegrets in Spagathe nichts mehr im Wege: Eben noch entkrampfte sie sich mit der Grünen Göring-Eckardt bei rustikalen Forderungen nach Frauenquote und gar Paritätsgesetz – und zugleich gibt sie per Werkstattgespräch der Migrationsfrage höchste Priorität. Da möchte sie „Grenzen perfektionieren“ und vergleicht mit der Wortwahl „Frühwarnsystem“ Zuwanderer mit Atomraketen. Es braucht gelockerte Muskulatur, Merkel zugleich links und rechts zu überholen. Die wiederum hat die neue Hüftgeschmeidigkeit schon umgesetzt und knurrte: Man „verplempere Zeit“ mit der Rückschau auf 2015. Sei’s drum: Menschen „verkrampft“ zu zeihen, denen man zu nahe getreten ist, war bisher männliches „Stell dich nicht so an“-Privileg. Wieder eine Bastion erobert.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wandte sich mit einem Brief in zahlreichen internationalen Zeitungen an die Bürger*innen Europas – warum kann er dafür nicht Twitter nutzen wie jeder andere Staatschef?

Weil Deutschlands Antworten seit zwei Jahren preiswert in den Telegrammstil Twitters passen: „Ja, äh, gucken wir mal.“ Inzwischen scheint der Cheffranzose sich von der Hoffnung auf Resonanz herunterfrustriert zu haben. Auf die Rolle desjenigen, den die Deutschen hängen lassen. Das teilt er mit dem frühen Putin, der im Bundestag auf Deutsch um Freundschaft warb. Macrons Vorschläge sind umfassend, vom Klimaschutz über Migration bis Sozialpolitik. Deutschland hat bei Atomausstieg, strengeren Grenzwerten und Zuwanderung immer wieder gerne „auf Europa gesetzt“ und vor „nationalen Alleingängen gewarnt“. Was im Ergebnis lange hieß: Da machen wir gar nichts und Europa ist dran schuld. Macron spielt den Trick umgekehrt, positioniert sich als inoffizieller Bürgermeister des besseren Europa und perspektivisch als: „Wir hätten was tun sollen, bevor Macron abgewählt wurde.“

Die venezolanische Regierung unter Nicolás Maduro hat den deutschen Botschafter Daniel Kriener ausgewiesen. Deutschland hat vor einem Monat Juan Guaidó als Interimspräsident anerkannt. Wie sollte die Bundesregierung jetzt vorgehen?

Maduro hätte auch das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vorlesen können: Es nennt „völkerrechtlich fragwürdig“, einen Oppositionspolitiker anzuerkennen, der sich im Staate nicht effektiv durchgesetzt habe. Und die Anerkennung einer Regierung statt eines Staates sei für deutsche Außenpolitik ein „ungewöhnliches Abweichen von der bisherigen Praxis“. Zurückspulen? Zeitumstellung? Deutschland und die EU haben sich auf die Seite eines Putschisten geschlagen. Doch schlimmer wiegt: Deutschland und die Europäische Union scheiden damit als Vermittler aus.

Am vergangenen Freitag war der Internationale Frauentag erstmals Feiertag in Berlin. Sollten ab kommendem Jahr alle Bundesländer am 8. März freihaben?

Unfair! Berlin hat mit Frauentag immer noch 3 Sausenpausen Rückstand auf Bayern, BaWü und die Saar. Das spricht zunächst mal für eine fast komplette Frauenfestwoche in der Hauptstadt.

Endlich mehr Privatsphäre auf Facebook, verspricht Konzernchef Mark Zuckerberg. Glauben Sie dem Multimilliardär?

Da fehlt ein analoger Begriff zum „Greenwashing“, mit dem Umweltsünder sich ein Stück Regenwald vor die Scham tackern. Na, vielleicht fehlt Facebook und Google auch gleich ein ganzer Luther, der den Ablasshandel beendet. Zuckerberg lobt die europäische Datenschutzgrundverordnung, nachdem sein Laden alles versucht hat, sie zu verhindern. Er attestiert sich „keinen besonders guten Ruf beim Aufbau von Diensten, die die Privatsphäre schützen“. Und seine „Sicherheitsabteilung“ führt eine Liste von Menschen, die Face­book „bedrohen“, „gefährden“ oder schlicht kritisieren. Im Ergebnis machen die Datenmonopolisten einen auf dufte, ohne ihr Geschäftsmodell Datenhandel zu schmälern. Die werden nicht koscher, aber vielleicht doch Lieblingsdiktator.

Müller raus, Boateng raus, Hummels raus – sonst werden ja eher Trainer entlassen, wenn’s nicht läuft. Gerissener Kontrapunkt von Jogi Löw?

Taktischer Fehler. Ein Trainer muss den Jungs eine Restchance lassen, wenn er sie auf die Tribüne schickt. „Bring wieder Leistung, dann …“ Marktwirtschaft, ich war immer dagegen, doch so isses nun.

Und was machen die Borussen?

Wenn’s ein Drehbuch wär, würde der Autor gefeuert: Die Katharsis, der Schritt in die tiefste Hölle, Platz zwei. Großes Kino.

Fragen: C.S., F.H.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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