Die Wahrheit: Keine Trasse für urbane Onanisten!

Die Bahn will die Strecke Hannover-Köln zu einer Schnelltrasse ausbauen. Wer braucht solch ein Höllending? Der deutsche Ministerialbeamte.

Baustopp! Sofort! Noch vor dem ersten Spatenstich! Die neue Schnelltrasse der Bahn zwischen Bielefeld und Hannover muss verhindert werden. Niemand muss von Hannover nach Bielefeld fahren. Oder zurück. Die einen sind Niedersachsen, die anderen Westfalen. Das sind doch klare Standortentscheidungen, die schon durch Geburt geregelt sind und höchstens durch Umzug oder Heirat korrigiert werden können.

Beide Städte gehören zu den großen Unterschätzten der Republik, zusammen mit Dortmund und Kassel, und sind gerade darum angenehmste Wohnorte. Die Künste sind gerecht verteilt, aus Hannover kommen Bands wie Fury in the Slaughterhouse, Wohnraumhelden, Scorpions, aus Bielefeld dagegen kommt das Wort und die kritische Kunst – Hans Zippert, Hannes Wader, Oliver Welke.

Ferner gibt es genügend grenzüberschreitenden Verkehr in der Region. S-Bahn und Regionalexpress und Metronom verkehren zwischen Minden und Hannover, das reicht. Selbstverständlich würde man sich in Minden – in der Mitte zwischen Hannover und Bielefeld gelegen – freuen, wenn der ICE hier nicht nur um 23.47 und 1.51 Uhr halten würde. Aber er soll halten, nicht durchrasen!

Bislang war eine Strecke für Tempo 230 geplant, nun sollen 300 Stundenkilometer gefahren werden. Das Ziel der Bahn, heißt es, sei, die Strecke zwischen Köln und Berlin in vier Stunden zu bewältigen. Wer braucht das?

Für Köln und Berlin gilt doch nämliches. Kein Kölner will nach Berlin, keine Berliner nach Köln. Gerade Bewohner dieser beiden Städte genügen sich selber. Urbane Onanisten. Selbstverliebt bis zum Geht-nicht-mehr. Wer aus diesen Städten fort ziehen will, kommt jeweils vor ein Tribunal. Als ich vor Jahren von Köln nach Dortmund zog, da war was los! Ich habe seitdem Einreiseverbot. Die Berliner und Kölner brauchen keine andere Stadt, die würden ohnehin keine andere betreten.

Ein Trassenausbau auf der Strecke würde bedeuten, dass die Porta Westfalica, der Weserdurchfluss zwischen Wiehen- und Wesergebirge, ein wunderbares Flusshabitat, nun von pfeilschnellen ICEs durchrast würde, wo bislang Radfahrer, Ruderer und Reiher entlang der Ufer flanieren. Eine angekündigte Streckenführung entlang der A2 wäre dagegen irrsinnig teuer – 1,9 Milliarden Euro sind veranschlagt. Für vierzig Minuten Zeitgewinn auf der Gesamtstrecke Hannover-Köln. Wie viel Zeit spart man dann zwischen Hannover und Bielefeld? Sieben Minuten?

Worum geht es überhaupt? Weder um Köln noch um Berlin, sondern einzig und allein um Bonn! Dort ist noch immer der Dienstsitz der allermeisten Bundesministerien. Und Ämter, die in Berlin ihr Hauptquartier haben, besitzen noch Zweitsitze in Bonn. Und all die angestellten Ministerialen wollen immerzu gen Hauptstadt und schnell wieder zurück. Statt des Ausbaus der Trasse sollte man endlich sämtliche Bundesbehörden nach Berlin verlegen. Dann hätte Minden seine Ruhe.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kabarettist und Autor Bernd Gieseking steht seit über zwanzig Jahren auf der Bühne. Er schreibt Kolumnen für die »Wahrheit«-Seite der »taz«, Kinderhörspiele für den WDR Hörfunk sowie Bücher – und die am liebsten über Finnland: »Finne Dich Selbst!« und »Das kuriose Finnland-Buch«, alle erschienen im Fischer Verlag. Wenn er nicht schreibt, dann tourt er mit seinen Kabarettprogrammen »Gefühlte Dreißig«, »Finne Dich Selbst!« sowie - jeweils in den Wintermonaten - mit seinem alljährlichen satirischen Jahresrückblick »Ab dafür!« durch die Republik.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.