Kitaverband-Leiterin über Kinderfasching: „Im Verkleiden liegt Wertschätzung“

Eine Kita in Hamburg hat Eltern aufgefordert, ihre Kinder zu Fasching nicht rassistisch zu verkleiden. Die folgende Empörung findet Franziska Larrá kontraproduktiv.

Pierre Brice als Winnetou

Problematisch: Weiße, die sich als sogenannte Indianer verkleiden Foto: imago/United Archives Winnetou

Eine Kita Ihres Trägers hat Eltern gebeten, ihre Kinder zu Fasching nicht als Indianer zu verkleiden. Warum?

Wir, also die Elbkinder, eine Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten, haben zwischen 2014 und 2016 ein Inklusionsprojekt gemacht. Darin haben wir uns vor allem mit Vorurteilen und Stereotypen auseinandergesetzt. Wo brauchen wir sie, um das komplexe Leben um uns herum zu verstehen und zu ordnen? Und wo werden sie zu Barrieren für andere Menschen? Wir haben da mit vier Konzepten gearbeitet, die wir an unsere Kitas weitergegeben haben. Die Kitas konnten dann wählen, welches sie umsetzen möchten.

Eines davon ist ein Konzept zur vorurteilsfreien Pädagogik von der Fachstelle Kinderwelten. Mit der Fachstelle haben wir auch eng zusammengearbeitet. In deren Fachblatt „KiDs aktuell“ haben die auch eine Anregung für eine diskriminierungssensible Praxis veröffentlicht. Die Kita in der Eulenstraße hat dieses Konzept gewählt, um es umzusetzen. Das hat sich angeboten.

In dieser Anregung von „KiDs aktuell“ geht es genau um das Beispiel Fasching und darum, dass eine Verkleidung für das eine Kind Spaß, für das andere aber eine Verletzung sein kann. Wenn zum Beispiel etwas, das es aus der eigenen Familie kennt, als Kostüm getragen wird. Gab es also die Vorgabe vom Träger, auf solche Kostüme zu verzichten?

Nein. Einen sensiblen Umgang mit Stereotypen erwarten wir von allen unseren Kitas; wie sie das an Fasching einbeziehen, ist aber doch sehr unterschiedlich und bleibt den einzelnen Kitas überlassen. Man muss in der Debatte auch bedenken, was Fasching für Kinder bedeutet. Da gibt es ja einen großen Unterschied zu dem Umgang der Erwachsenen. Für Erwachsene bedeutet es Spaß und durchaus auch manchmal Spott. Für Kinder heißt es natürlich auch, Spaß zu haben und in andere Rollen zu schlüpfen. Aber wenn man sich anguckt, was für Rollen das sind, dann sind es meistens Idole, etwas, das sie toll finden. Anders als bei Erwachsenen liegt im Verkleiden der Kinder also immer schon eine Wertschätzung. Wir haben diese Themen, wie zum Beispiel auch das Thema der Geschlechtsstereotype, schon im Blick und thematisieren das auch mit Kindern und Eltern. Aber vor allem außerhalb des Faschings.

Auch, wenn ein Kind es nicht verletzend meint, wenn es zum Beispiel Federschmuck trägt, kann es das für ein anderes trotzdem sein. Wie gehen Sie damit um?

ist eine der beiden Geschäftsführerinnen der „Elbkinder“ und zuständig für den pädagogischen Bereich. „Elbkinder“ ist eine Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten. Mit 185 Kitas ist sie der größte Kita-Träger der Stadt.

Stimmt. Einem betroffenen Kind zu erklären, dass die Verkleidung des anderen es nicht verletzen, sondern ehren soll, ist schwierig. Deswegen ist es uns wichtig, dass auch Eltern für das Thema sensibel sind. Ich würde also eine allgemein formulierte Bitte an die Eltern aussprechen, dass sie bei Verkleidungen bedenken sollen, dass zum Beispiel keine ethnischen Zugehörigkeiten lächerlich gemacht werden sollen.

Wie setzen Sie die vorurteilsbewusste Erziehung denn außerhalb von Fasching, im Kita-Alltag, um?

Da geht es vor allem darum, den Blick der Erzieherinnen und Erzieher dafür zu öffnen, dass Stereotype, von denen man sich im Alltag manchmal leiten lässt, für Betroffene eine Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit und somit eine Barriere oder sogar eine Verletzung sein können. Dass sie zum Beispiel darauf achten, ob sie Jungen und Mädchen auf unterschiedliche Weise behandeln und ihnen damit einen engen Rahmen an Interessen und Kompetenzen zuschreiben, den die Kinder selbst nicht wünschen.

In einigen Kommentaren in der Presse oder in den Neuen Medien ist die Empörung groß. Es gebe immer mehr Verbote, die jeglichen Spaß verderben, heißt es. Was sagen Sie dazu?

Ich finde es schade, dass die Eltern nicht das Gespräch mit der Leitung der Kita gesucht haben, anstatt damit zur Hamburger Morgenpost zu gehen. Das wäre toll gewesen, wir hätten Elternabende zu dem Thema machen können, es hätte eine fruchtbare Debatte entstehen können. Wir sind ein großer Träger mit vielen Kitas und für ganz unterschiedliche Familien zuständig. Daher ist uns ein kultursensibler Umgang miteinander ein großes Anliegen. Es geht uns nicht darum, die Moralkeule zu schwingen. Dass das jetzt so aussieht, und dass unser gutes und wichtiges Anliegen durch die zum Teil auf wenigen Fakten basierende einseitige Berichterstattung vielleicht beschädigt wird, ist sehr schade. Dabei haben wir in der Kita ganz fröhlich Fasching gefeiert.

Ein Kind in Indianerkleidung wäre also nicht weggeschickt worden?

Nein, auf gar keinen Fall!

Wenn es nicht um Moral ging, worum ging es der Kita dann?

Es geht schon um Moral, denn Moral ist ja nichts Schlechtes. Es soll aber keine Moralkeule sein, weil dann die moralischen Kategorien so rigide angewendet werden, dass keine Differenzierungen mehr möglich sind. Uns ist die Sensibilität für das Thema Stereotype und Diskriminierung ganz wichtig. Deswegen haben wir ja auch das zweijährige Projekt dazu gemacht. Und wir möchten durch dieses Projekt nicht nur unsere Erzieherinnen und Erzieher sensibilisieren. Dass das Thema auch im Kita-Alltag gegenüber Kindern und Eltern zur Sprache kommt, gehört dazu. Die Faschingsfeier war ein solcher Anlass, das Thema des sensiblen Umgangs miteinander aufzugreifen.

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