Wahlclip der israelischen Justizministerin: Ein Parfüm namens „Faschismus“

Mit einem verwirrenden Video sorgt Ajelet Schaked für Aufmerksamkeit. Der Clip ist wohl Teil ihres Versuchs, den Obersten Gerichtshof zu kontrollieren.

Ajelet Schaked vor der Flagge Israels

Gehört der Partei „Die neue Rechte“ an: Justizministerin Ajelet Schaked Foto: dpa

JERUSALEM taz | „Für mich riecht es nach Demokratie“, flüstert Israels Justizministerin Ajelet Schaked mit laszivem Blick in die Kamera, während sie sich mit einem fiktiven Parfüm namens „Faschismus“ besprüht. Satire oder Ernst, das fragt man sich nicht nur im Ausland.

Gemeint war es wohl als Pa­ro­die. Das Verwirrende an Schakeds Wahlkampfvideo ist, dass ihre wesentlichen Botschaften darin, nämlich „juristische Revolution“ sowie „Einschränkung von (politischem) Aktivismus“ nicht gerade auf eine Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat abzielen. Die Vorstellung, sie könne es doch ernst gemeint haben mit dem „Faschismus“, der für sie, wie sie im Video sagt, „nach Demokratie riecht“, wird umso mehr gestützt, da Schakeds Partei „Die Neue Rechte“ auf Wahlplakaten mit der aparten 39-Jährigen den „Sieg über den Obersten Gerichtshof“ verspricht, während ihr Parteichef, Bildungsminister Naftali Bennett, auf dem Plakat gleich nebenan „die Hamas besiegen“ will. Die Plakatkampagne ist ohne jeden Zweifel ernst gemeint. Jerusalems Oberster Gerichtshof ist der Feind der „Neuen Rechten“ und die islamistische Palästinenserbewegung Hamas sowieso.

Knapp drei Wochen vor den Parlamentswahlen droht der von Bennett und Schaked eben erst gegründeten Rechtspartei nämlich das unerwartete Aus. „Die Neue Rechte“ verlor nach Umfragen innerhalb weniger Wochen 4 der zunächst 8 versprochenen Mandate und droht, wenn es so weiterläuft, an der 3,25-prozentigen Sperrklausel für den Einzug in die Knesset zu scheitern.

Dabei hing der Chef der früheren Siedlerpartei noch vor wenigen Monaten der Illusion nach, Nachfolger von Regierungschef Benjamin Netanjahu werden zu können, wenn der ins Gefängnis muss, was auf kurz oder lang wahrscheinlich ist. Über den Zweikampf von Netanjahus Likud gegen Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß geriet Bennett sehr plötzlich komplett ins Abseits. Aktuell geht es nur noch um „Bibi“ (Netanjahu) versus „Benny“. Der provokative Wahlwerbespot der „Neuen Rechten“ ist Bennetts verzweifelter Versuch, wieder von sich, seiner Partei und seiner attraktiven Mitstreiterin ­reden zu machen.

Mit Feministinnen verscherzt

Bezeichnend für die Stimmung unter Israels WählerInnen ist, dass sich die Kritik an der Justizministerin nicht zuerst gegen das zweifelhafte Parfüm richtete, sondern gegen ihren schlüpfrigen, sinnlichen Auftritt, gegen Schakeds Versuch, ihre Weiblichkeit zu vermarkten. Unter den Feministinnen, die in den Siedlungen im Westjordanland leben, dürfte es sich Schaked damit verscherzt haben. Ihre politische Botschaft: der Kampf gegen den Obersten Gerichtshof, hingegen fällt bei Israelis, die in den besetzten palästinensischen Gebieten leben, auf fruchtbaren Boden. Nicht zuletzt urteilten die RichterInnen wieder und wieder für die Räumung von Siedlerhäusern, wenn sie auf privatem palästinensischen Land standen.

Doch nicht nur vielen SiedlerInnen ist das Oberste Gericht ein Dorn im Auge. Erst Anfang der Woche wurde der rechtsradikale Kandidat Michael Ben-Ari für die Parlamentswahlen disqualifiziert, was Schaked als „krasse und fehlgeleitete Einmischung im Herzen von Israels Demokratie“ kommentierte.

Die Justizministerin will, dass die Obersten RichterInnen künftig nicht mehr auch von JuristInnen ernannt werden, sondern nur noch von PolitikerInnen. Und der Oberste Gerichtshof, der bei WählerInnen des Likud und rechts davon als „zu liberal“ verrufen ist, soll nicht mehr die Macht haben, möglicherweise verfassungswidrige Gesetzesreformen zu stoppen. Die Gewaltenteilung wäre damit am Ende.

Obschon sich die israelische Bevölkerung Umfragen zufolge mit deutlicher Mehrheit einen demokratischen Staat wünscht, nimmt man es im Detail nicht so genau. Demokratie ja, Gewaltenteilung nicht unbedingt, freie Meinungsäußerung ja, aber nicht, wenn es um „Breaking the Silence“ geht, die Ini­tia­tive ehemaliger Soldaten, die gegen Menschenrechtsverletzungen der Armee protestieren. Auch auf die KritikerInnen von Regierung, von Armee und Besatzung zielt Ajelet Schaked, wenn sie politischem „Aktivismus“ die Zügel anzulegen verspricht und damit ihr Land in einen Hauch von „Faschismus“ hüllen würde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.