Tutorial gegen Gentrifizierung: Bauanleitung Milieuschutz

Was tun, wenn Ihr Mietshaus vom Immobilien-Hai bedroht wird? Wie bringt man seinen Bezirk dazu zum Vorkauf. Eine Anleitung in drei Schritten.

Ein älteres Pärchen schaut aus dem Fenster in der Karl-Marx-Allee. Es hängen Transparente

Mieter*innen-Proteste wirken: Der Bezirk unternimmt mehr, wenn Mieter*innen demonstrieren Foto: dpa

Generell gilt und natürlich erst recht bei Mieterhöhungen, Luxussanierungen, Umwandlung in Eigentum: nichts unterschreiben, mit Nachbar*innen reden, Mieterberatung aufsuchen. Wenn Ihr Haus dazu in einem der 56 Milieuschutzgebiete Berlins liegt, wo ein bezirkliches Vorkaufsrecht existiert, und Sie von einem Verkauf Ihres Hauses erfahren haben (und es sich dabei nicht um einen Share-Deal handelt), dann hilft Ihnen möglicherweise folgende Bastelanleitung für eine erfolgreiche Mieter-Initiative in drei Schritten.

Foto: taz-grafiken: infotext-berlin.de

1. Schritt: Wird Ihr Haus verkauft? Das herauszufinden, ist gar nicht so leicht: Immobilien-Exposés großer Maklerfirmen sind oft nicht öffentlich. Wenn allerdings Grundstück und Haus die Besitzer*in wechseln, müssen die Vertragsparteien dem Bezirk den Verkauf anzeigen. Friedrichshain-Kreuzberg informiert Mieter*innen von sich aus, ob es einen Vorkauf prüft oder nicht. Andere Bezirke wie etwa Pankow machen das nur in Ausnahmefällen. Im Zweifel: nachfragen. Auch sind Mieter*innen in der Regel berechtigt, das Grundbuch einzusehen. Sobald jedoch ein Verkauf klar ist, wird es zeitlich knapp: Dann haben Sie nur noch zwei Monate, um Welle zu machen. So lange nämlich dauert die Frist für den Bezirk, bei einem Verkauf zu intervenieren. Er kann mit dem Käufer eine Abwendungsvereinbarung mit Garantien von Bestandsmieten, aber auch Gewerbemietverträgen für Kneipen, Kitas und Veranstaltungsorte herausschlagen, bei akuter Bedrohung ein bezirkliches Vorkaufsrecht prüfen und im Idealfall sogar das Haus in eine städtische Wohnungsbaugesellschaft überführen.

2. Schritt: Es droht ein Verkauf: Mieter*innen müssen sich schnell vernetzen und eine möglichst große Öffentlichkeit herstellen. Mit solidarischen Nachbar*innen reden hilft immer. Eine Pressemitteilung als Mieter-Initiative schreiben und herausgeben hilft, Öffentlichkeit zu schaffen. Verschicken kann man diese an Redaktionen von Tageszeitungen. Viele Berliner Lokalzeitungen wie Berliner Woche, Prenzlauer Berg Nachrichten berichten auch über kleinteilige Konflikte auf lokaler Ebene. Nachfragen per Telefon hilft ebenfalls. Ganz sicher ist es auch nicht verkehrt, Twitter- und Facebook-Accounts zu erstellen. Das Volksbegehren Deutsche Wohnen Enteignen bietet sogar regelmäßig Workshops zu Öffentlichkeitsarbeit für Mieter-Inis an. Als ideales Beispiel kann hier die Gleimstraße 56 dienen, die erfolgreich gegen ihren Verkauf an die Deutsche Wohnen protestierte und nun einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft gehört. Die Mieter*innen haben jeden Sonntag Kiezspaziergänge unter dem Motto „Kann denn Miete Sünde sein?“ gemacht, Kampfmarmelade gekocht, tausende Flyer verteilt und drei Filme über ihr Haus gedreht.

3. Schritt: Kontaktaufnahme mit dem Bezirk. Kennen Sie Ihre zuständige Bezirksstadträt*in? Nein? Lernen Sie die kennen! Wenden Sie sich direkt an den Bezirk, kommen Sie ins Gespräch. Wenn dort kein Durchkommen ist, gerne auch mit öffentlichen Briefen und Fragen. Die nächsten Ansprechpartner*innen auf Landesebene sind die Senatorin für Bauen und Wohnen, Katrin Lompscher, und ihr Staatssekretär Sebastian Scheel (beide Linke). Diese haben Einfluss auf mögliche Käufer, wenn das Vorkaufsrecht zum Tragen kommt: die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Und schließlich muss man den Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) überzeugen, einen im besten Fall saftigen Zuschuss bereitzustellen, damit die Baugenossenschaft sich überhaupt einen Vorkauf leisten kann – die dürfen nämlich nur solide wirtschaften. Und was tun eigentlich Mitglieder des Abgeordnetenhauses aus Ihrem Bezirk für Sie persönlich? Gehen Sie doch mal in das Büro Ihres Abgeordneten und fragen Sie nach! Gleiches gilt auch für Abgeordnete der Bezirksversammlungen. Je mehr Druck Sie aufbauen, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Bezirk sich auch für Ihr Haus einsetzt.

Quellen: Mieterforum Pankow, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, verschiedene Mieter-Inis, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

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