Mit Hang zum Wahnsinn

Beim Konzert von Le Butcherettes am Mittwoch im Frannz Club tobte die mexikanische Frontfrau Teri Gender Bender als Superheldin über die Bühne

Von Lorina Speder

Von einem auf den anderen Augenblick verströmt Teri Gender Benders Energie den Frannz Club. Das Publikum ist wie gebannt. Die Frontfrau der mexikanischen Garagenpunk-Band Le Butcherettes zeigt auf der linken Bühnenhälfte hinter dem Keyboard eine solch explosive Präsenz, dass sogar ihre Mitmusiker an Gitarre und Bass instinktiv vor ihr zurückweichen. Wie weggewischt ist das eher schüchterne Wesen der Teresa Suárez, welches wenige Minuten zuvor noch in schwarzer Kapuzenjacke ihre Gitarre am Verstärker einstellte. Jetzt ist ihr Blick starr, der Körper strotzt vor Kraft und bewegt sich zuckend und theatralisch zum schweren Riff aus verzerrter Gitarre und Bass.

Der Song „Spider/Waves“ ihres neuen Albums „bi/Mental“ lässt mit instrumentalen Pausen viel Platz für Gender Benders hohen Sopran, bevor dieser wieder in die trotzigen Tiefen der Strophe wechselt. Wenn Gender Benders Hände nicht an den Tasten des Keyboards oder an ihrer E-Gitarre gebraucht werden, fuchtelt sie wild damit durch die Luft, als wollte sie böse Geister verscheuchen. Dabei stampft sie wie Rumpelstilzchen mit ihren Beinen auf der Stelle. Sowieso hat man das Gefühl, in einer Art okkulten Beschwörung der mexikanischen Musikerin teilzunehmen. Vor vielen Songs nuschelt sie repetitiv auf Spanisch in ihr Mikrofon, als ob sie einen magischen Bann ausspricht. Für ihre beeindruckende Transformation zum Überwesen und Geschlechter­grenzen durchbrechenden Bühnen-Alien braucht Suárez äußerlich nicht viel: Ein Band aus roter Schminke zieht sich wie Kriegsbemalung von einem Ohr zum anderen über ihre Augenpartie, und ein ebenso feuerrotes Outfit reicht vollkommen aus, um ihr Punk-Alter-Ego zu erwecken.

Akkorde im Stakkato

Beim dritten Song „strong/Enough“ zeigt sich außerdem die Stärke der Band. In einem musikalischem Intermezzo wirbelt die Schlagzeugerin Alejandra Robles Luna auf den Toms, während Gender Bender im Stakkato Akkorde auf den Gitarrenseiten anschlägt. Ihr Körper zuckt dabei und passt sich an die umherfliegenden Haare der Schlagzeugerin an, die ganz in Weiß gekleidet ist. Das dynamische Duo hat später noch einen experimentellen Moment, an dem Gender Bender stöhnend am Schlagzeug sitzt, das Mikrofon im Mund vergraben, und auf Robles Luna am Keyboard eingeht.

Anders als Gender Bender, die meistens in ihrer Persona mit Hang zum Wahnsinn bleibt, kann sich die Drummerin ein Lächeln meist nicht verkneifen. Die ganze Band scheint Spaß auf der Bühne zu haben. Blicke werden zwischendurch ausgetauscht, man ist gut eingespielt, und die Show wird der energetischen Gender Bender überlassen. Weil ihre übertriebenen Bewegungen aus einem Stummfilm entsprungen scheinen, bewegt sie sich in ihrer Gestik nah am Slapstick. Trotzdem glaubt man ihr das, was sie da auf der Bühne veranstaltet. Wenn sie beim Song „Lone­ly & Drunk“ zum Beispiel mit gespreiztem Zeigefinger auf ihr Keyboard einhämmert, nimmt man ihr durch ihre Bestimmtheit dabei jedes Klacken, Zwitschern und Pfeifen davon ab.

Die Spannung wird durch Gender Benders spitzbübisches Lächeln beim anschließenden „Gracias“ nur kurz aufgelöst. Zu dem Zeitpunkt ist ihre Schminke schon verwischt, das Gesicht ganz rot und das Outfit dramatisch gewechselt. Unter ihrem roten Kleid verbarg sich ein Superheld-ähnliches Outfit mit schwarzem Netz-Cape, das nicht passender hätte gewählt sein können. Bevor sich die Band nach einer Stunde Rock ’n’ Roll und Power-Set lachend vom jubelnden Publikum verabschiedet, rennt die Frontfrau zum Bassisten, der um einiges größer ist als sie, und hebt ihn einfach hoch. In vielerlei Hinsicht: Mehr Superwoman als Gender Bender kann man heutzutage nicht ­erleben.