Ausstellungsempfehlung für Berlin: Wenn die Berge rufen

Abenteuer oder Gemütlichkeit? Lucia Kempkes bringt in Zeichnungen und Teppichen beides zusammen. Die taz sprach mit der Künstlerin.

Lucia Kempkes, „I Wish I Could Climb #6“, 2019, Installationsansicht in der Galerie M + R Fricke Foto: Lucia Kempkes

Von dem Extrembergsteiger Reinhold Messner heißt es, er sei 1978, bei seiner Erstbesteigung des Mount Everest, die letzten 800 Meter vor dem Gipfel auf Knien und Ellenbogen hinaufgekrochen. Als Erster ohne zusätzlichen Sauerstoff, um an die Grenze des Möglichen zu gehen.

Beeindruckend, nur: Warum tut man sich das an? Was ist das, was Menschen seit Jahrhunderten auf Bergen suchen? Lucia Kempkes bleibt lieber daheim auf dem Teppich. Für den Prolog ihrer andauernden Serie „I wish I could climb“ zumindest, der derzeit bei M + R Fricke ausgestellt ist.

Kempkes hat, bevor sie zur Kunst wechselte, Biologie und Philosophie studiert, daher rührt ihr Interesse an der Natur, besser gesagt dem Naturerlebnis. Bislang hatte sie sich diesem zeichnerisch, auf Papier genähert.

Nun arbeitete sie erstmals mit textilem Material, mit fertigen Teppichen, in deren Flor sie von Hand Gipfel hineinschnitt, mit DIY-Sets zum Selberknüpfen und mit Gore-Tex als Zeichengrund. Ganz untreu ist sie der Papierzeichnung jedoch nicht geworden. Hinreißend sind neben ihren großen Arbeiten auch die kleineren Bleistiftzeichnungen, durch die Teppichfasern wie Grashalme dringen.

Lucia Kempkes Ausstellung "I Wish I Could Climb. Prologue – Home" läuft noch bis zum 27. April bei M + R Fricke. Di.–Fr. 11–18 Uhr, Sa. 12–16 Uhr, Beusselstr. 66

Kempkes visualisiert auf diese Weise die zwei Seelen, die in der menschlichen Brust wohnen: die eine, die es sich im trauten Heim gemütlich machen will, die andere, die nach Abenteuern in ungewissen Höhen dürstet, womit freilich längst nicht nur tatsächliche Gipfel gemeint sind, sondern all das, was einen dazu antreibt, sich wieder und wieder selbst zu übertreffen. Warum noch mal?

Einblick (768): Lucia Kempkes, Künstlerin

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Lucia Kempkes: „Blister“ von Carolin Seeliger & Lee Stevens bei Berlin Weekly – die beiden verbinden ihre Arbeiten auf eindrucksvolle Weise in einer Installation im schaufenstergroßen Projektraum auf der Linienstraße.

Lucia Kempkes wurde 1988 in Xanten (Deutschland) geboren und studierte zunächst Philosophie und Biologie an der FU Berlin. Dann wechselte sie zum Studium der bildenden Kunst, sie studierte an der UdK Berlin und der School of Visual Arts New York. 2014 machte sie ihren Meisterschüler an der UdK Berlin und stellt seitdem in Einzel- und Gruppenausstellungen auf der ganzen Welt aus. Sie war Artist in Residence des Seoul Museum of Art in Südkorea sowie bei Pioneer Works in New York und wurde mit Stipendien ausgezeichnet, wie zum Beispiel von der Richard Thomas Foundation London. Momentan ist ihre Einzelausstellung „I Wish I Could Climb. Prologue – Home“ in der Galerie M + R Fricke zu sehen.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Gehen auch Parks und Schwimmbäder? Dann würde ich unbedingt den Körnerpark in Neukölln und das Prinzenbad empfehlen. Dort gibt es nach dem Frühschwimmen im Sommer noch eine TasseFilterkaffee am Kiosk.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

Meistens lese ich parallel ein Buch für die Arbeit und etwas zum Entspannen. Momentan begleitet mich aber vor allem „Mountains of the Mind“ von Robert Macfarlane – ein Erklärungsversuch, warum Menschen beim Bergsteigen ihr Leben riskieren und wie sich diese Faszination über die Jahrhunderte entwickelt hat.

Was ist dein nächstes Projekt?

Gerade arbeite ich an einer neuen Arbeit für eine Gruppenausstellung bei DISPLAY Berlin für das anstehende GalleryWeekend, und danach geht es direkt weiter mit den Vorbereitungen für eine Einzelausstellung in Mailand.

„I Wish I Could Climb. Prologue – Home“ ist die erste Ausstellung einer neuen Werkreihe,die sich über einen längeren Zeitraum und eine Vielzahl von Ausstellungen und Installationen ausweiten wird. Deswegen plane ich neue Zeichnungen aus Outdoor-Stoffen, Papier, Grafit und Teppich, um die Erzählung weiter zu entwickeln und an die jetzige Ausstellung in Berlin anzuknüpfen.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Ich fahre überall mit dem Fahrrad hin und mag es, auf die Weise immer noch Neues in der Stadt zu entdecken.

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