Kämpfe um Libyens Hauptstadt Tripolis: Beide Seiten rüsten weiter auf

Der Krieg um Libyens Hauptstadt eskaliert zu einem Stellungskrieg. Immer mehr Milizen werfen sich in den Kampf um Tripolis.

Vier Männer stehen auf einem Panzer

Die angreifende Libysche Nationalarmee ist auf dem Weg an die Front Foto: reuters

TUNIS taz | Der Kampf um Libyens Hauptstadt eskaliert zu einem Stellungskrieg. Laut UN-Angaben sind mehr als 13.500 Menschen seit Beginn der Offensive von Feldmarschall Chalifa Haftar vor zehn Tagen aus dem umkämpften Süden von Tripolis geflohen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählte bisher 121 Tote und 682 Verletzte.

Der Milizenallianz des international anerkannten Regierungschefs Fajis Sarradsch in Tripolis gelang es zwar, die angreifende Libysche Nationalarmee (LNA) Haftars rund 10 Kilometer vor dem Stadtzentrum zu stoppen. Doch beide Seiten rüsten jetzt weiter auf: Panzer und Artillerie der Tariq-ibn-Ziyad-Brigade sind aus Haftars ostlibyschem Hauptquartier bei Bengasi auf dem Weg an die Front, ebenso regierungstreue Milizen aus der Hafenstadt Misrata.

„Zuvor gab es in Libyen mehrere voneinander unabhängige lokale Konflikte. Nun sind alle Konfliktparteien, ihre ausländischen Geldgeber und Söldnertruppen an diesem Kampf um die Macht direkt oder indirekt beteiligt,“ sagt der ehemalige Kultusminister Younis Issa, der das Geschehen aus der südlichen Provinz Fezzan heraus mit Sorge beobachtet. „Wenn es nicht durch Druck von außen in den nächsten Tagen einen Waffenstillstand gibt, wird man bald von einem Kabul am Mittelmeer sprechen.“

Eine für Sonntag von den Vereinten Nationen geplante Nationale Versöhnungskonferenz verschob der Chef der UN-Mission UNSMIL, Ghassan Salame, auf unbestimmte Zeit. Er rief am Sonntag stattdessen zur Rückkehr zum politischen Dialog auf. „Solange bewaffnete Gruppen die Regierung Sarradsch zwar offiziell unterstützen, sie aber tatsächlich im Würgegriff haben, und solange der Osten unter Zwangsverwaltung von Haftars Armee steht, ist jeglicher Dia­log aussichtslos“, sagt Issa dazu.

Viele Bürger füchten Chaos

Immerhin: Die eigentlich verfeindeten Hauptstadtmilizen, von deren Gnade die Sarradsch-Übergangsregierung abhängt, haben ein Zweckbündnis gegen Haftar geschlossen. Am Sonntag versuchten Einheiten der Warlords Salah Badi und Haithem Tajouri, die mit Haftar verbündete Kanyat-Brigade aus der Stadt Tarhouna zurückzudrängen, 80 Kilometer südöstlich von Tripolis auf dem Weg nach Misrata. Kampfflugzeuge aus Misrata bombardierten am Samstag LNA-Einheiten nahe Tripolis, im zentrallibyschen Beni Walid stationierte MIG-23 Jets beschossen in Zuwara eine Radaranlage und in Jansour ein Waffenlager.

Der Innenminister der Tripolis-Regierung, Fathi Bashaga verurteilte Haftars LNA dafür, „sich libysche Armee zu nennen und dann die Hauptstadt des eigenen Landes anzugreifen“. Während das Leben im Zentrum von Tripolis weiterhin normal weiterzugehen scheint, fürchten viele Bürger ein Chaos wie unmittelbar nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi 2011. Im Laufe des Kampfes gegen Haftar, so eine verbreitete Sorge, würden zuvor aus Tripolis vertriebene Gruppen auf Regierungsseite zurückkehren, ebenso salafistische Milizen auf Haftars Seite.

Der 34-jährige ­ ­Geschäftsmann Faisal Swehli in Tripolis, der jeden Tag in sein Büro unweit der Frontlinie fährt und dessen Frau aus Haftars Hochburg Bengasi stammt, berichtet: „Nie zuvor gab es so viel Hasskommentare auf sozialen Medien wie jetzt. Die Polarisierung zwischen Ost und West macht mir Angst. Ich fürchte, dass selbst wenn Haftars Armee abziehen sollte, das Zusammenleben im multikulturellen Tripolis in Gefahr ist.“

Diplomaten werden evakuiert

Internationale Diplomaten haben Tripolis verlassen. Per Boot evakuierte EU-Mitarbeiter der Grenzschutzmission EUBAM wurden vor Djerba von der tunesischen Marine an Bord genommen, nachdem sie einen Notruf abgesetzt hatten.

Ob es doch noch internationalen Druck gibt, könnte sich schon bald zeigen. Am Samstag durchquerte der US-Flugzeugträger „Abraham Lincoln“ auf einer Routinemission die Meerenge von Gibraltar. Er könnte in wenigen Tagen die libysche Küste erreichen.

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