das ding, das kommt
: Sonnenblumen im Dunkeln

Die „Sonnenblumen“ von Emil Nolde waren fast 40 Jahre lang verschwunden. Nun ist das Bild im Sprengel-Museum in Hannover erstmals wieder öffentlich zu sehen. Anschließend wandert es nach Hamburg, Kiel und Schwerin Foto: Christian Charisius/dpa

Sonnenblumen mit ihren kräftigen Gelb- und Orangetönen: Davon hat Emil Nolde etliche gemalt, immer und immer wieder. Allein 50 Ölgemälde zieren sie – Noldes liebstes Motiv auf all seinen Blumenbildern. Aber diese „Sonnenblumen“ – gemeint ist das gleichnamige, 2018 plötzlich wieder aufgetauchte Gemälde – sind nicht bloß gewöhnliche Sonnenblumen, sondern gewissermaßen die Nolde’schen Urkorbblüter. Übrigens: Diese anderen „Sonnenblumen“, die lange Jahre prominent als Leihgabe im Bundeskanzleramt hingen, das sind natürlich standesgemäß die „HohenSonnenblumen“.

1926 entstanden die Ursonnenblumen als Erste der wuchernden Serie: Drei große Blüten am oberen Bildrand, links unten dahinter: gelb und rot flammende Phloxe; ein wenig Himmelblau und erdig-braune Farbtöne. Ungewöhnlich dunkel ist das Bild für Nolde’sche Verhältnisse – der bekanntlich ja auch persönlich seine „dunklen Seiten“ hatte: NSDAP-Parteimitglied, Antisemit, Rassist und bis zum Ende überzeugter Nazi.

Im Dunkeln bleibt jedenfalls auch bis heute, wo diese „Sonnenblumen“ eigentlich fast 40 Jahre lang vor sich hin geblüht haben, Stichwort: Kunst-Krimi. 1950 hatte der damalige Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), Adolf Grimme, Nolde das Bild für 10.000 Mark abgekauft und in sein Arbeitszimmer gehängt. Als fünf Jahre später aus dem NWDR der WDR und der NDR hervorgingen, blieb es im Eigentum des NDR und hing in einem Büro im Hamburger Landesfunkhaus. Bis es Pfingsten 1979 von dort gestohlen wurde. Von wem und wie, konnte nie ermittelt werden.

Aber dann tauchten die „Sonnenblumen“ nach fast 40 Jahren plötzlich wieder auf. 2017 meldete sich eine Berliner Witwe, deren verstorbener Ehemann es von einem Freund geschenkt bekommen habe – der wiederum Produktionsmitarbeiter des NDR gewesen war und das Gemälde angeblich für „kleines Geld“ aus dem NDR-Requisitenfundus erworben hatte. Heute wird der Wert auf rund zweieinhalb Millionen Euro geschätzt.

Der NDR aber will das Gemälde behalten. Und in den kommenden Jahren in allen Bundesländern zeigen, in denen er sendet. Los geht’s nun im Sprengel-Museum in Hannover. Dort ist es ab dem heutigen Samstag im Rahmen der Ausstellung „Elementarteile“ erstmals wieder öffentlich zu sehen. Voraussichtlich im kommenden Jahr ist es dann in der Hamburger Kunsthalle zu sehen, anschließend geht es nach Kiel und Schwerin.

Angeregt werden soll damit auch eine Diskussion um die historische Einordnung des Sonnenblumen-Malers. Im Kanzleramt jedenfalls hängt kein Nolde mehr: Angela Merkel hat beide in ihrem Arbeitszimmer hängenden gerade erst abgehängt. Robert Matthies

„Elementarteile“: Sa, 13. 4., bis 31. 1. 2021, Sprengel-Museum, Hannover