Müll beim MyFest: Eine Orgie in Plastik

Von Nachhaltigkeit hat man am 1. Mai in Kreuzberg offenbar noch nichts gehört. Am Tag nach dem MyFest kann niemand genau sagen, warum das so ist.

Alles druff, getrennt wird morgen wieder! Foto: Claudius Prößer

Die Revolution in Kreuzberg fällt am 1. Mai schon länger aus, dem MyFest sei Dank. Aber nicht nur die mit den roten Fahnen und den gereckten Fäusten: Auch in Sachen Nachhaltigkeit hat ausgerechnet der tiefgrüne Bezirk die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte komplett verschlafen.

Bier und Longdrinks aus Mehrwegbechern? Ess- und kompostierbare Lebensmittelschalen? Fehlanzeige. Das MyFest ist eine Orgie aus Plastik, Alufolie und Pappe. Und damit nicht genug: Auch bei der Sammlung des anfallenden Mülls kneift man im Ökobezirk beide Augen fest zu. Schon am frühen Nachmittag verkommen die kleinen orangefarbenen BSR-Mülleimer zum bloßen optischen Signal, wo ein wilder Müllberg auf Nachschub wartet.

Auf 150 Kubikmeter schätzt die BSR die Müllmenge, die sie in der Nacht zum 2. Mai auf dem MyFest und drum herum einsammelt. Kann das wirklich sein? In Kreuzberg, wo man sich auf die Schultern klopft, weil es einen kleinen „Unverpackt-Laden“ gibt, über den die Medien landauf, landab berichten?

Antworten sind am Tag danach nicht leicht zu bekommen. Die Pressestelle des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg bestätigt das Fehlen eines Mehrweg- und Trennkonzepts, ist aber etwas ratlos und verweist darauf, dass formal nicht das Bezirksamt, sondern der Verein MyFest e. V. Veranstalter ist – und bei dem geht niemand ans Telefon. Vor acht oder zehn Jahren habe es mal einen Mehrwegversuch gegeben, sagt eine Bezirkssprecherin, das habe aber nicht gut funktioniert, weil die Geschirrmengen nicht ausgereicht hätten. Dann habe sich offenbar lange niemand mehr Gedanken darüber gemacht. „Wir nehmen den Hinweis gerne noch mal mit.“

„Einweg ist nicht mehr zulässig“

Googelt man, stößt man im Netz auf einen „Newsletter Grüne Beschaffung“ der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vom vergangenen Jahr. Darin heißt es: „In Berlin ist Einweggeschirr schon in allen öffentlichen Bereichen gemäß der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) nicht mehr zulässig, etwa bei Großveranstaltungen. Hier muss verpflichtend Mehrweggeschirr/-besteck verwendet werden.“

Warum dann die Realität ganz anders aussieht? Auch in der Senatsverwaltung muss man auf die Schnelle passen und verweist ebenfalls auf die erwähnte Verwaltungsvorschrift, in der tatsächlich steht, „bei Großveranstaltungen von öffentlichen Einrichtungen, die von vielen kleinen Anbietern geprägt sind (z. B. Parkfeste)“ sei „ausschließlich die Verwendung von Mehrweggeschirr zulässig“. Unklar bleibt, ob es sich noch um eine öffentlich ausgerichtete Veranstaltung handelt, wenn ein Verein zwischengeschaltet ist, und ob möglicherweise die „Wertgrenze“ von 10.000 Euro gilt, ab der die Vorschrift erst greift.

Für Tobias Quast, Abfallexperte vom Landesverband des BUND, wären selbst das keine zwingenden Gründe, auf ein nachhaltiges Müllkonzept zu verzichten: „Die öffentliche Hand kann immer mehr als das Vorgeschriebene tun. Man könnte etwa eine Mehrwegpflicht in die Sondernutzungsgenehmigung aufnehmen, die für die Anbieter auf Straßenfesten gilt.“ Seine Vermutung: Weil sie Mehrkosten und vor allem Mehraufwand bedeuten, fielen solche Absprachen schnell „hinten runter“.

Das gelte auch für die Mülltrennung: „Wenn Sie auf solchen Festen nicht an vielen Orten Sammelbehälter für die verschiedenen Abfallarten aufstellen, vermischt sich alles und landet am Ende in der Verbrennung.“

Alles ziemlich problematisch, findet Quast, aber so sei offenbar die Realität auf der Mehrzahl der Berliner Straßenfeste. Dass es anders geht, wisse er vom Spandauer Weihnachtsmarkt: „Das ist eine richtige Fressmeile, muss man sagen. Aber da wird ganz vorbildlich mit Mehrweg gearbeitet.“

Von Spandau lernen heißt siegen lernen.

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