Kurze Schnappatmung

Mit der australischen Indie-Band Go-Betweens war Robert Forster in den 1980ern groß. Wurde Forsters Konzert im Berliner Festsaal Kreuzberg dem gerecht?

Von Martin Conrads

Es dauerte einen halben Konzertabend, da flammte plötzlich Post-Punk im Berliner Festsaal Kreuzberg auf, so vehement, wie man es von Robert Forster lange nicht gehört und angesichts der einmal mehr sein Image als Singer-Songwriter bestätigenden neuen Platte „Inferno“, für den Abend kaum erhofft hatte: „Man O’Sand to Girl O’Sea“ von 1983, einer der prägenden Songs aus jener Phase von Forsters Band The Go-Betweens, als mit Robert Vickers ein Bassspieler zum damaligen Trio Forster, Grant McLennan und Lindy Morrison hinzustieß, womit die vielleicht klassischste, bis zur ersten Auflösung der Band 1989 anhaltende Zeit der australischen Indie-Band begann, die mit McLennans Tod im Jahr 2006 Geschichte wurde.

Auch am Dienstagabend stehen vier Musiker auf der Bühne, aber wie weit 1983 zurückliegt, zeigt sich auch daran, dass die Mitglieder von Forsters Tourband (Scott Bromiley an der zweiten Gitarre sowie Jonas Thorell am Bass und Magnus Olsson am Schlagzeug) mindestens eine Generation jünger sind als er selbst. Dies ist aber nicht das Problem des Abends. Vielmehr wirkt es, als ob sich die Band – das Berliner Konzert ist erst das dritte auf der Tour, nach Stockholm und Kopenhagen – noch nicht zu finden weiß. Forster, in der Mitte, abwechselnd an akustischer und elektrischer Gitarre, wirft Bromiley immer wieder Blicke zu, auch an exakt den Stellen, an denen dies einst mit McLennan das Meiste eines Go-Betweens-Konzerts ausmachte. Bromiley aber reagiert kaum.

Es scheint, als ob Forster erst nach sechs oder sieben Stücken realisieren will, welche Rolle ihm in seiner Band zugefallen ist – tatsächlich ist es die, wegen der wohl die meisten Besucher/innen gekommen sind: Bei „Life Has Turned A Page“ setzt er sich in Pose und zu einem Solo auf der Akustikgitarre an, führt dieses aber nicht aus, da kein Solo vorhanden, tritt mit großer und doch beiläufiger Geste ein paar Schritte zurück. Applaus vom Publikum. Es sind diese Akte, so manches „Boom“, so manche galante Tänzeleinlage des 61-Jährigen, die das zunächst okay in sich ruhende, rockige Konzert noch zu einem großartigen Abend mit ironischen Bedeutungsschüben werden lassen: „You might think you see purpose/ When what you’re seeing is a band“, sang Forster mit den Go-Betweens, und die Brechung darin gilt auch an diesem Abend – nur anders. Viel ironisches Spiel mit dem Popstartum, das Forster auch mit den Go-Betweens nie wirklich erreichte.

Bei „Love is a Sign“ vom 1988er Go-Betweens-Album „16 Lovers Lane“ exerziert er das vorgesehene Mundharmonika-Solo, tupft sich den Mund mit einem Handtuch ab, setzt an, es ins Publikum zu werfen, um es dann schnöde vor sich hinfallen zu lassen. Er stimmt seine Gitarre und erläutert, dass in dieser Situation viele andere Musiker langatmige Geschichten von sich geben – kurze Schapp­atmung im vollen Saal –, aber natürlich kommt keine, nicht an dieser Stelle, gar nicht an diesem Abend. Das Publikum dürfte die meisten davon sowieso kennen. Es hat die 50 oft überschritten, ist überwiegend männlich und hat Forsters Go-Betweens-Biografie „Grant & Ich“ vermutlich in der Jeansjacke stecken.Nach 90 Minuten und 20 Stücken mit leichtem Go-Betweens-Überhang, darunter die fast vergessene ­B-Seite „Don’t Let Him Come Back“ und das großartige „Twin Layers of Lighting“, bei dem Forster den Saal theatralisch beschwört, verlässt er die Bühne, das vom Publikum mitgesungene Forster-Konzert-Signature-„Dada-Dada“ aus „Surfing Magazines“ im Ohr. „Ciao“, sagt er zum Schluss, bedankt sich für die „wonderful night“ und grinst breit und wie überrascht, den Abend doch noch gewendet zu haben.

Live: 3. 5. Münster, 4. 5. Bie-lefeld, 5. 5. Bonn, 7. 5. Frankfurt/Main, 9. 5. München