Prozess gegen Krankenpfleger: Die Ankläger*innen haben das Wort

Im Prozess gegen Niels Högel werden die Plädoyers erwartet. Die Gutachter halten den ehemaligen Krankenpfleger für schuldfähig.

Niels Högel und seine Anwältin sitzen im Gerichtssaal

Niels Högel und seine Anwältin im Gerichtssaal in der Oldenburger Weser-Ems-Halle Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Prozess gegen den früheren Krankenpfleger Niels Högel vor dem Oldenburger Landgericht neigt sich dem Ende zu. Am kommenden Donnerstag und Freitag werden die Staatsanwaltschaft und die Anwält*innen der Nebenklagevertreter*innen ihre Plädoyers halten.

Högel wird einhundertfacher Mord vorgeworfen. Von 2000 und 2005 soll er in Oldenburg und Delmenhorst Patient*innen Kreislaufmedikamente gespritzt haben, um sich bei Reanimationen profilieren zu können. Wegen weiter zurückliegender Taten verbüßt Högel bereits eine lebenslange Haftstrafe.

Seit Oktober 2018 muss er sich erneut vor Gericht verantworten. 126 Opferangehörige haben sich dem Prozess angeschlossen. In seiner vier Tage dauernden Vernehmung gestand Högel 43 Morde. Fünf der angeklagten Taten bestritt er, bei den anderen Menschen gab er an, sich nicht sicher zu sein.

Dass das uneingeschränkt der Wahrheit entspricht, zweifelte der Rechtspsychologe Max Steller in seiner Aussage an. Högel sei ein ausgeprägter Narzisst und „kompetenter Lügner“, er habe sicherlich nicht all sein Wissen preisgegeben, sagte Steller. „Er weiß, was er getan hat.“

Nicht psychisch krank

Der psychiatrische Gutachter Henning Saß, der auch schon die Schuldfähigkeit von Beate Zschäpe im NSU-Prozess untersuchte, bescheinigte Högel „eine schwere seelische Abartigkeit“. Högel fehle es an Empathie gegenüber seinen Patient*innen, er sei „ethisch verwahrlost und menschlich verroht“. Seine Taten hätten Högel ein gutes Gefühl gegeben, er habe aus Geltungssucht und Langeweile getötet, sagte Saß. Högel sei jedoch nicht psychisch krank und somit schuldfähig.

Die Plädoyers von Högels Verteidigerinnen sind für Anfang Juni anberaumt, dann erhält auch der Angeklagte das letzte Wort. Das Urteil soll am 6. Juni fallen.

Aber auch danach wird der Fall Högel noch weiter die Gerichte beschäftigen. Vier seiner ehemaligen Kolleg*innen aus Delmenhorst sind wegen Totschlags durch Unterlassen angeklagt. Sie sollen trotz Hinweisen auf Högels Taten nichts unternommen haben. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest.

Darüber hinaus laufen wegen des gleichen Tatvorwurfs noch Ermittlungen gegen Personal aus der Oldenburger Klinik. Zehn weitere ehemalige Högel-Kolleg*innen stehen im Verdacht, im laufenden Prozess nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Gegen sie wird wegen Meineids beziehungsweise uneidlicher Falschaussage ermittelt.

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