Wahl in Indonesien: Die islamische Rechnung geht auf

Indonesiens Präsident Widodo sichert sich zweite Amtszeit durch Anbiederung an islamistische Kräfte. Sein Herausforderer protestiert.

Präsident Joko Widodo in Jakarta

Präsident Joko Widodo am Dienstag in Jakarta Foto: dpa

MANILA taz | Jetzt ist es amtlich: Joko Widodo ist der Sieger von Indonesiens Präsidentschaftswahl vom 17. April und kann gestärkt in seine zweite Amtszeit starten. Laut Wahlkommission stimmten 55,5 Prozent der WählerInnen für ihn. Sein Herausforderer Prabowo Subianto kam nur auf 44,5 Prozent. Die Verkündung des amtlichen Endergebnisses war aus Furcht vor Terroranschlägen und Unruhen unangekündigt um einen Tag vorgezogen worden. Die Innenstadt von Jakarta glich am Dienstag einem Heerlager. Tausende Polizisten sicherten den Sitz der Wahlkommission, das Nationaldenkmal und die Thamrinstraße, an der viele Behörden, Ministerien, Botschaften und Bürogebäude liegen.

Mächtige radikale Gruppen wie die „Islamische Verteidigungsfront“ (FPI) und die salafistische Hizbut-Tahrir Indonesia (HTI) waren für Prabowo und ein Kalifat in den Wahlkampf gezogen. Mit ihrer erfolgreichen Kampagne zum Sturz des christlichen Ex-Gouverneur svon Jakarta, Basuki Tjahaja Purnama, hatten sich FPI und HTI schon 2016/17 als Machtfaktor etabliert.

Schon am Wahlabend hatte Prabowo den von Meinungsforschungsinstituten aufgrund von Nachwahlbefragungen verkündeten Sieg von Widodo als Fake News und seine eigene zweite Niederlage seit 2014 als Wahlfälschung abgetan. Er habe laut eigener Zählung mit satten 60 Prozent gewonnen, verkündete der 67-Jährige. Jetzt will Prabowo vor dem Verfassungsgericht gegen das Wahlergebnis klagen.

Nach einhelliger Meinung von Wahlbeobachtern ist die Wahl – abgesehen von einer Reihe kleinerer Unregelmäßigkeiten – ordentlich über die Bühne gegangen. „Die Wahl war im Großen und Ganzen fair und frei“, sagt Andreas Harsono, der für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Indonesien forscht, der taz.

Masterplan mit Schariaökonomie

Schon vor Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses hatte Widodo politische Schwerpunkte seiner zweiten Amtszeit, die im Oktober beginnt, verkündet. Mit 412 Milliarden US-Dollar soll die marode Infrastruktur des Landes auf Vordermann gebracht werden. Zudem legte der ehemalige Möbelfabrikant einen „Masterplan zur Entwicklung einer schariakonformen Wirtschaft“ vor. Indonesien soll demnach bis 2024 vor allem in der Nahrungsmittelbranche, in der Mode und im Finanzsektor zu einem führenden Produzenten von Halal-Waren und -Dienstleistungen werden. „Eines der Schlüsselelemente zur Erreichung des Ziels der Schariawirtschaft ist unsere Identität als weltweit größte muslimische Nation“, hatte Widodo gesagt, als er den Masterplan vorstellte.

Im Kampf um WählerInnen und den Erhalt der Republik Indonesien als säkularen Staat hatte Widodo den erzkonservativen Kleriker Ma’ruf Amin als Vizepräsidentschaftskandidaten ausgewählt. Widodos islamische Rechnung ist mit seinem Wahlsieg einerseits aufgegangen. Andererseits ist die Gesellschaft gespaltener denn je. 13 der 34 Provinzen sind überwiegend religiös intolerant, allen voran Sumatra und das islamistische Aceh. Dort stimmten 84 Prozent für Prabowo.

Für die Einführung einer Schariaökonomie hatte der Religions- und Wirtschaftsexperte Ma’ruf schon als Vorsitzender des Rats der Ulemas geworben, der höchste theologischen Instanz des indonesischen Islam, sowie als Chef der Nahdlatul Ulama (NU), der weltgrößen islamischen Massenorganisation. Der „Masterplan für die Schariawirtschaft“ ist für den Politologen Boni Hargens der Preis für Ma’rufs Wahlkampfhilfe. „Das ist der Kompromiss zwischen dem säkularen Nationalismus von Widodo und dem religiösen Nationalismus von Ma’ruf.“

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