Die Wahrheit: Mit Linken reden

Rechtsextreme wagen jetzt neuerdings auch mal den Dialog mit dem politischen Gegner – per gewaltgestützter Kommunikation.

Drei Nazi-Gesichter, das in der Mitte mit Sonnenbrille auf der Nase und Hitlerschnauzbart

Rechte auf dem Weg zum Plausch mit dem linksversifften Gegner Foto: reuters

Die Haltung, man müsse allzeit diskussionsbereit auf diejenigen Bürger zugehen, deren nur zu verständliche Sorgen ihnen ja gar keinen anderen Ausweg ließen, als rassistische Naziparteien zu wählen, ist erstaunlich weit verbreitet. Faschostreicheln gerät zur neuen Trendsportart.

Doch auch umgekehrt macht sich endlich die Einsicht breit, die linksgrünliberalversiffte Blase in Berlin und anderen Zentren der systemischen Desinformation besser verstehen zu wollen. „Wir müssen mit den Zecken ins Gespräch kommen“, bestätigt Hasso Stahl, Leiter der Initiative „<33“, die ihren Sitz im Parterre eines gemütlichen kleinen Plattenbaus im sächsischen Prostweida hat. „Wir möchten verstehen, wie sie ticken und was sie bewegt. Im Sinne eines starken Volks wäre es fahrlässig, auf das Potential der vielleicht noch Belehrbaren von vornherein zu verzichten. Wer soll denn sonst die Drecksarbeit machen, wenn die Ausländer raus sind?“

Ein Stück abseits der grölenden Kameraden setzen wir uns auf eine Bierbank vor dem Haus der Initiative. „Baseballschläger, Troll-Account und Brandsatz dürfen nicht mehr die einzigen Kommunikationsmittel bleiben“, sagt Stahl. Es sei an der Zeit, mehr miteinander zu reden. „Wichtig ist dabei die Empathie. Also die Fähigkeit, sich in die Nöte des Anderen einzufühlen und dadurch besser zu verstehen, wo dessen Irrsinn seinen Ursprung hat.“

Denn oftmals seien die Betroffenen schon seit ihrer Kindheit schwer traumatisiert: „Ein liebevolles Elternhaus, gute Bildung, zu viele Entscheidungsmöglichkeiten, zu viel Freiheit. Da gerät ein Mensch doch zwangsläufig auf die schiefe Bahn. Und es handelt sich ja immer noch um eine Art Menschen.“ Hier zeigt er sich durchaus selbstkritisch. „Diese Einsicht kam bisher oft zu kurz.“ Fast zärtlich zerquetscht Stahl mit dem Stiefelabsatz eine Maus, die vergeblich in ihr Loch zu huschen versuchte.

Umgang mit Fehlgeleiteten

Er zieht eine Broschüre hervor. Das Cover zeigt eine Montage aus Drag-Queens, Junkies und Grünen-Politikern, im Hintergrund der Reichstag. Der Hefttitel „Mit Volksverrätern reden“ ist in brauner Frakturschrift gehalten. „‚<33‘ hat mit Unterstützung des ‚Vereins für nationale Bildung‘ einen Reader für den Umgang mit Fehlgeleiteten erarbeitet. In achtzehn Unterpunkten wird zunächst jeweils erklärt, wo die Argumentationslinien des kranken Geistes verlaufen und wie sich daraus seine verquere Weltsicht fügt. Im Anschluss wird jeweils ein kurzer Gesprächsleitfaden präsentiert.“

Wir blättern kurz hinein. Die Themen heißen „Moralismus entlarven“ oder „Die Jünger der Ökodiktatur.“ Dem Kapitel „Homosexualität ist heilbar“ werden nicht weniger als vier volle Seiten gewidmet. „Das Gespräch kann sich ungezwungen in jeder dunklen Seitenstraße entwickeln“, lesen wir weiter. „Nichts spricht gegen eine unverbindliche Eröffnung wie zum Beispiel: ‚Bist du schwul?‘ So entspinnt sich automatisch eine lebhafte Unterhaltung über solche Perversionen. Der Schwule wird nun absehbar entgegnen, es sei halt seine Natur. Daraufhin vermitteln wir ihm ganz ruhig, dass das ja wohl ein völliger Quatsch ist und er gerne eine aufs Maul haben kann …“

Ruhe zu bewahren sei überhaupt das Wichtigste in einer Diskussion mit Andersdenkenden, erläutert Hasso Stahl. Denn da es denen ja an echten Argumenten mangele, versuchten die politisch Verblendeten im Verlauf des Gesprächs womöglich, sich diesem durch Flucht zu entziehen – dann natürlich müssten vorübergehend doch wieder die klassischen Kommunikationsmittel zum ambulanten Einsatz kommen.

Auf die Punkte „Systempresse und Judenrepublik“ sowie „Muslim, Mörder, Menschenfresser“ folgt „Schandmal Genderstern“. Der Leiter fasst den Tenor frei zusammen: „Der Grundirrtum der Gleichmacher liegt in der Annahme eines Grundanspruchs auf eine faire gesellschaftliche Teilhabe auch für Minderheiten. Diesen Wahngedanken muss man nicht nur kennen, sondern am besten auch noch dessen interne ‚Logik‘ nachvollziehen. Daraus ergibt sich nämlich wie von selbst die richtige Antwort: ‚Nö, da habt ihr euch geschnitten.‘ Im Anschluss macht man ihnen das natürliche Prinzip klar: Mann, Frau, Kind, Hund, Auto.

Und ein Unisex-Klo braucht ebenfalls keiner. Die können doch auf die Straße schiffen wie jeder anständige Deutsche auch. Es ist ja nicht so, dass die das alles nicht verstehen könnten – sie wollen bloß nicht.“ Manchmal müsse man ihnen da ein bisschen in die Spur helfen, denn sanfte Schläge auf den Hinterkopf erhöhten ja bekanntlich das Denkvermögen.

Nachdenklich kratzt sich Stahl mit dem Teleskopschlagstock den Rücken. „Eines müssen wir Rechten stets im Hinterkopf behalten: Der Andersgesinnte sehnt sich in seiner kulturellen Orientierungslosigkeit unbewusst nach einem festen Halt in einer vorgegebenen Werteordnung. Er wartet also geradezu auf die Erlösung, und genau diesen Weg dahin können wir ihm mithilfe unserer niedrigschwelligen Gesprächsangebote ebnen. Es ist eine echte Sieg-Heil-Konstellation.“

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kari

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