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Deutsche Pkw-Maut diskriminiert Ausländer

Der Europäische Gerichtshof hat die von der CSU durchgesetzte „Infrastrukturabgabe“ als Verstoß gegen das EU-Recht beanstandet

Ist das jetzt Kunst oder …? Die A3 bei Würzburg Foto: Frieder Blickle/laif

Von Christian Rath

Am Ende hat Österreich den Rechtsstreit doch gewonnen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gab der österreichischen Klage gegen die deutsche Pkw-Maut statt. Die Pkw-Maut diskriminiere Halter von Fahrzeugen, die im Ausland zugelassen sind – weil zugleich inländische Pkws bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten.

Im Bundestagswahlkampf 2013 warb die CSU für die Einführung einer „Ausländer-Maut“. Der damalige CSU-Chef Horst Seehofer sagte: „Die Deutschen zahlen in den meisten europäischen Ländern. Daher sollten die Ausländer jetzt auch in Deutschland zahlen.“

Der Bundestag beschloss 2015 jedoch ein anderes Konzept: Danach hätten künftig alle Autofahrer (nicht nur Ausländer) eine Vignette kaufen müssen. Diese sollte je nach Motortyp, Schadstoffausstoß und Hubraum im Schnitt 67 Euro kosten, maximal 130 Euro pro Jahr. Die Halter von Fahrzeugen, die in Deutschland zugelassen sind, hätten den Mautbescheid automatisch zugesandt bekommen. Für sie sollten sich aber keine Mehrkosten ergeben, weil die Kfz-Steuer im jeweils gleichen Maße reduziert worden wäre. Der Verkauf von (elektronischen) Vignetten an Ausländer sollte unter dem Strich zu Mehr­einnahmen von rund 500 bis 600 Millionen Euro führen. Das System der sogenannten Infrastrukturabgabe wäre im Oktober 2020 gestartet.

Im Herbst 2017 klagte allerdings Österreich beim EuGH gegen Deutschland. Die deutsche Pkw-Maut sei eine Diskriminierung. Letztlich zahlten nur Österreicher und andere Ausländer die Maut, weil diese bei deutschen Fahrzeugen über die Senkung der Kfz-Steuer faktisch zurückerstattet wird.

Diese Argumentation bestätigte nun der EuGH. Die Pkw-Maut verstoße gegen Artikel 18 des EU-Arbeitsvertrags (AEUV), der eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit verbiete. Die meisten im Ausland zugelassenen Fahrzeuge gehörten Ausländern, während die meisten im Inland zugelassenen Fahrzeuge deutschen Staatsbürgern gehören. Die Diskriminierung sah der EuGH darin, dass die Pkw-Maut faktisch nur bei Pkws aus dem Ausland erhoben werden sollte. Für Pkws aus dem Inland wäre die Pkw-Maut nicht spürbar gewesen, weil sie durch die Erstattung bei der Kfz-Steuer kompensiert werden sollte.

Die ungleiche Belastung könne auch nicht durch einen Übergang vom steuerfinanzierten zum nutzerfinanzierten Straßenbau gerechtfertigt werden, so der EuGH. Denn faktisch gelte die Nutzerfinanzierung nur bei Pkws aus dem Ausland. Für Pkws, die im Inland gemeldet sind, gelte weiterhin die Steuerfinanzierung. Wer als Inländer seinen Pkw nur zwei Wochen im Jahr fahre, müsse weiterhin für das ganze Jahr bezahlen und könne keine Kurzzeitvignette kaufen.

Überraschendes EuGH-Urteil

Neben der Diskriminierung rügte der EuGH auch unzulässige Eingriffe in die Waren- und Dienstleistungsfreiheit. Denn die deutsche Form der einseitigen Pkw-Maut hätte die Einfuhr von Waren und das grenzüberschreitende Angebot von Dienstleistungen beeinträchtigt.

Das EuGH-Urteil gilt nur für die Pkw-Maut, also für Fahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen, nicht für die Lkw-Maut, die in Deutschland bereits 2005 eingeführt wurde.

Zitat

Die Entscheidung steht einer generellen Pkw-Maut nicht entgegen. Wenn alle Pkw-Fahrer Vignetten entsprechend ihrer Nutzung kaufen können, wäre dies ein diskriminierungsfreies System. Der EuGH betonte, dass die EU-Staaten das System ihrer Straßenfinanzierung selbst festlegen und auch das System wechseln können.

Die deutsche Infrastruktur­abgabe war von Beginn an rechtlich umstritten. So warnte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags 2014 vor einem Verstoß gegen EU-Recht. Und die EU-Kommission leitete 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein.

Dennoch kam das EuGH-Urteil nun überraschend. Denn die EU-Kommission stellte ihr Verfahren 2017 wieder ein, nachdem Deutschland den Preis für Kurzzeitvignetten senkte. Kurzzeitvignetten für 10 Tage sollte es nun schon ab 2,50 Euro geben. Außerdem empfahl der unabhängige EuGH-Generalanwalt Nils Wahl im Februar 2019, die österreichische Klage abzuweisen. In seinen Schlussanträgen begründete der Generalanwalt, dass die Halter ausländischer Pkws unter dem Strich in Deutschland nicht diskriminiert werden. Denn auch nach Einführung der Pkw-Maut hätten Ausländer stets weniger bezahlt als Deutsche. Die Halter deutscher Pkws müssten, um in Deutschland fahren zu dürfen, die Kfz-Steuer und eine Jahresvignette bezahlen. Die Halter von Pkws, die im Ausland zugelassen sind, müssten dagegen nur eine Vignette bezahlen. Sie könnten sogar eine Kurzzeit­vignette kaufen, was den Haltern von deutschen Pkws nicht möglich sei. Entscheidender Unterschied: Der Generalanwalt stellte auf die Gesamtbelastung der Kfz-Halter ab, der EuGH nur auf die (einseitige) Belastung durch die Pkws-Maut.

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