Audrey Hepburn machte alles anders

Haltung, Anmut, Eleganz: Stilistisch war Audrey Hepburn (1929–1993) Botin einer neuen Zeit, trotz ihrer Rollen als gelehrige Kindfrau. Das würdigt eine Ausstellung in ihrer Geburtsstadt Brüssel

Der Modedesigner Hubert de Givenchy begutachtet in seinem Pariser Atelier Audrey Hepburn in einem seiner Kleider Foto: Sunset Boulevard/Corbis/Getty Images

Von Johanna Schmeller

Eine Frau, die selbst in einem Kartoffelsack noch gut aussieht“, so beschreibt der Designer Hubert de Givenchy die Leinwandikone Audrey Hepburn: Ihr Lachen war leise, ihr Haar bald kurz. Den Allüren der Hollywooddiven setzte sie eine Grazie entgegen, die sie sich als Ballerina erarbeitet hatte.

Noch bis zum Spätsommer gibt eine Schau in ihrer Geburtsstadt Brüssel einen Überblick. Der Frau, nicht der Ikone möchte die von ihrem Sohn Sean Hepburn Ferrer kuratierte Ausstellung in der Galerie Vanderborght nahekommen. Neben Fotos werden Accessoires und Kleidungsstücke gezeigt, etwa ihre Ballerinas. Komplettiert wird dies durch Videos und Memorabilia wie Hepburns Modezeichnungen und durch Schriftstücke zu ihrem humanitären Engagement für das weltweite Kinderhilfswerk Unicef.

Audrey Hepburn wird am 4. Mai 1929 in Ixelles geboren, einem heute hippen Stadtteil von Brüssel. Ihr Vater ist Engländer, sodass Audrey die britische Staatsbürgerschaft hat, ihre Mutter eine niederländische Adelige, die zwei Söhne in die Ehe mitbringt. Audreys Vater verlässt die Familie, als sie sechs Jahre alt ist. Erst 20 Jahre später wird sie ihn wiedersehen.

Ihre Schulzeit beginnt in einem Mädchenpensionat in Kent. Ab 12 Jahren lernt sie Ballett – eine Weichenstellung, die ihre Lebenseinstellung und ihre spätere Karriere entscheidend prägen wird. Der klassische Tanz erzieht sie zu einer Disziplin, die nie in Härte umschlägt, sondern die auch Leichtigkeit und Fantasie zulässt.

Mit Kriegsausbruch zieht Audrey Hepburn zu den Großeltern ins niederländischen Arnheim. Um die ausländische Herkunft ihres Namens zu verschleiern, wird sie in den Kriegsjahren Edda van Heemstra heißen. Mit 16 Jahren kommt Audrey Hepburn nach Amsterdam, wo sie Ende der vierziger Jahre erste Rollen in Werbespots annimmt, etwa als Stewardess.

Der Leistungstanz ist ihr noch wichtiger als der Film: Als Model und Schauspielerin finanziert sie ihre Ausbildung bei der legendären Trainerin Marie Rambert in London, die die etwas zu große und durch den Krieg zu lange unterernährte Audrey aber eher als Ballettlehrerin denn als Solotänzerin sieht.

Doch Audrey Hepburn erarbeitet sich den Weg auf die Tanzbühne mit anderen Talenten: Sie ist unterhaltsam und willensstark. Mit 21 Jahren begegnet sie Colette bei Filmarbeiten in Monte Carlo. Spontan soll die Schriftstellerin ausgerufen haben: „Das ist meine Gigi!“ Im selben Jahr hat sie erste Broadway-Auftritte im gleichnamigen Musical.

Ihr zierlicher Körperbau bestimmt in den Folgejahren ihre Filmauswahl – und bietet dem Designer Hubert de Givenchy die Möglichkeit, am Set von sieben ihrer Filme seine zeituntypischen Kleider zu inszenieren. Das erste Mal trägt Audrey Hepburn eine seiner Kreationen zur Oscar-Verleihung 1954: ein weißes ärmelloses Kleid mit U-Boot-Ausschnitt, engem Oberteil, schmalem Gürtel und schwingendem Glockenrock.

Audrey Hepburn lässt seine schlichte Mode leuchten. Und die Beziehung zu ihrem Designer bleibt über 40 Jahre eine sehr intime: Zweimal ist Hepburn verheiratet, mit dem Schauspieler Mel Ferrer und dem Psychologen Andrea Dotti, und zuletzt lebt sie mit dem Schauspieler Robert Wolders zusammen. Doch der Privatjet, der sie kurz vor ihrem Tod am 20. Januar 1993 nach einer Krebstherapie in den USA zurück in die Schweiz holt, gehört ihrem Freund Hubert de Givenchy.

Das kleine und das bodenlange Schwarze, die übergroßen Sonnenbrillen, das unter dem Kinn geknotete Nickituch werden stilbestimmend für die Beatnik-Kultur. Bis heute wird Hepburns Stil von Instagrammerinnen wie der Küchenbloggerin Gizzi Erskine und der Modezeichnerin Jenny M. Walton kopiert, deren Partner der Streetstyle-Blogger „The Sartorialist“ Scott Schuman ist.

Viele von Hepburns Filmen spielen in Paris; trotz der seichten Handlungen der US-Kinoproduktionen der fünfziger und sechziger Jahre bieten die Komödien dem Existenzialismus eine modische Bühne. Hepburn trägt schwarze Rollkragenpullover, Trenchcoats mit auf dem Rücken geschlossenem Gürtel, 7/8-Hosen zu Slippern. Sie begründet einen neuen Frauentyp: kurze Haare statt ondulierter Mähne, definierte Schultern statt Dekolleté. Statt Elizabeth Taylor spielt sie Prinzessin Ann in „Ein Herz und eine Krone“, statt Marylin Monroe, die Autor Truman Capote lieber in der Rolle gesehen hätte, ist sie Holly Golightly in „Breakfast at Tiffany’s“. Für Filme mit Regisseuren wie William Wyler, Billy Wilder und Terence Young erhält sie fünf Oscarnominierungen.

Hepburns Filmfiguren brechen nur für kurze Zeit aus den Konventionen aus, um später geläutert zu ihren Verpflichtungen zurückzukehren

Der Diva setzt die Hepburn ein neues Charakterideal entgegen: sensibel statt offensiv, neckisch statt verführerisch, dabei aber – und hier setzt die Kritik des Feminismus an – auch schutzsuchend. Ihre Rollenfiguren sind Kindfrauen, die sich von alten weißen Männern die Welt erklären lassen, etwa in „My Fair Lady“, wenn Professor Henry Higgins das Blumenmädchen Eliza für eine Wette missbraucht. Und auch in „Funny Face“ ist es ein Mann, ein Fotograf, der die Schönheit hinter der intellektuellen Fassade der Buchhändlerin Jo erkennt und sie ihrer „Bestimmung“ zuführt – nämlich dem Modeln.

In Hepburns Filmen kann sich das Männerbild des alten Hollywoods noch einmal feiern. Sie dreht mit etablierten, Jahrzehnte älteren Kollegen: Humphrey Bogart, Cary Grant, Fred Astaire. Erst in „Breakfast at Tiffany’s“ versucht sie es mit einem gleichaltrigen Toyboy (George Peppard). Hepburn ist über 30 Jahre alt, als sie die Singlefrau gibt, die in einer New Yorker Etagenwohnung lebt. Ihre Perlen sind falsch, ihre Interpretation von „Moon River“ geht ans Herz, ihr Kater heißt Cat und wird verstoßen – und ihr Nachbar, der Schriftsteller Paul „Fred“ Verjak, holt beide gerade noch aus dem Regen ins Taxi, zurück ins Leben.

Hepburns Filmfiguren brechen immer nur für kurze Zeit aus den Konventionen aus: Mit Männern aus der kreativen Halbwelt – Journalisten, Fotografen, Autoren – genießen sie unbefangene Abenteuer, um dann geläutert zu ihren Verpflichtungen zurückzukehren. Die Begleiter entwickeln sich dabei zu Lehrern oder Rettern – während Hepburns Figur ihre ewige Schülerin bleibt.

Stilistisch ist Audrey Hepburn allerdings bereits Botin einer neuen Zeit: Während im alten Hollywood Seide um Sanduhr-Figuren wie die von Sophia Lauren und Elizabeth Taylor drapiert wurde, trug sie Hochwasserhosen. Hepburn ist graziler und besonnener als diese Überfrau. Deren Grandezza setzt sie eine eigenwillige Eleganz entgegen, die sich von der Überbetonung weiblicher Körperreize entfernt. Sie bereitet den Weg für Sechziger-Jahre-Models wie Jean Shrimpton oder Twiggy, wirkt dabei aber sanfter und gefälliger. Audrey Hepburn macht alles anders als die früheren Ikonen oder späteren Influencerinnen: Sie gibt sich weder zu rebellisch noch zu angepasst.

Privat besteht Audrey Hepburn aber zeitlebens auf Selbstbestimmtheit: Auf Fragen zu ihrem Liebesleben antwortet sie reserviert, flieht vor dem Starrummel in Hollywood in die Schweiz, auf ein unprätentiöses Anwesen mit großem Garten, das sie „Le Paisible“ tauft. In ihrer Haltung, gerade ihrer Zurückhaltung, zeigt sie einen Stil, der noch immer von Einfluss ist.

Intimate Audrey“, bis 25. August 2019 im Espace Vanderborght, Brüssel