Männer in grüner Kleidung mit Gewehren im Wald

Parkranger sollen die Natur schützen. Doch sie vergreifen sich an den Menschen Foto: Uriel Sinai/NYT/laif

Nationalpark contra Menschenrechte:Bauern, Bomben und Berggorillas

Der Virunga-Nationalpark im Kongo ist ein Kleinod der Natur. Doch Menschen in der Umgebung sind zur Zielscheibe der Park­ranger geworden.

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11.7.2019, 16:00  Uhr

Mit schmerzverzerrtem Gesicht hebt Maurice Matembela seine verbundene Hand. Eine Kugel hat dem Fischer die Daumensehne durchtrennt, jetzt kann er nicht mehr arbeiten. „Meine vier Kinder sind hungrig“, klagt er.

Als Einziger, so sagt Matembela, habe er einen tödlichen Zwischenfall auf dem Edwardsee im Osten der Demokratischen Republik Kongo am 23. Mai überlebt. Was er erzählt, klingt haarsträubend: Er habe mit seinen vier Kameraden gerade die Netze ausgeworfen, als sich ein Motorboot näherte mit zwei bewaffneten Milizionären an Bord, im Kongo Mayi-Mayi genannt. „Sie haben uns als Geiseln genommen“, berichtet er. Lösegelder­pressung ist typisch für die Milizen in dieser Gegend.

Doch dann keimte bei ihm Hoffnung auf: Ein Patrouillenboot der staatlichen Naturschutzbehörde, Kongolesisches Naturschutzinstitut (ICCN) genannt, näherte sich. An Bord seien Ranger des Virunga-Nationalparks gewesen, deren Aufgabe es ist, zu kontrollieren, dass die Fischer nur in den vorgeschriebenen Zonen ihre Netze auswerfen.

„Ich dachte, die Ranger würden uns helfen“, sagt Matembela: „Doch sie eröffneten direkt das Feuer“. Seine vier Kameraden sowie die beiden Geiselnehmer seien im Kugelhagel gestorben, erzählt er. Er selbst sei ins Wasser gefallen, habe sich aber am Bootsrand festhalten können. Da traf die Kugel seine Hand und er ging unter. „Ich kann von Glück sagen, dass sie mich gerettet haben.“

Joel Wengamulay, Sprecher der Virunga-Parkleitung, bestätigt, dass zu dem Vorfall Ermittlungen laufen.

Wie Parkwächter ein ganzes Dorf kontrollieren

In der Savanne um das Dorf Vitshumbi mit seinen 700 Einwohnern tummeln sich nicht nur wilde Tiere, sondern auch Dutzende Rebellengruppen. Der Heimatort von Maurice Matembela befindet sich als Enklave innerhalb des Nationalparks. Zweimal am Tag kommt ein von Soldaten geschützter Konvoi vorbei, um Waren sicher durch den Nationalpark in das Dorf zu transportieren. Am Ortseingang kontrollieren Parkwächter an einer Straßensperre jedes Fahrzeug. Es ist ein Leben wie auf einer Insel.

Die Schießerei auf dem See mit Matembela als einzigem Überlebenden ist der Höhepunkt eines Konflikts, der sich seit November 2018 zuspitzt. Damals, während des Wahlkampfs, war der Provinzgouverneur an den Edwardsee gekommen. Die Leute klagten über zerfallene Häuser und den Mangel an Baumaterialien. Immer wieder hatten die Parkranger Lastwagen mit Wellblechen, Zement und Holz nicht durch ihre Straßensperre gelassen – denn laut Gesetz darf hier nicht gebaut werden. Gouverneur Paluku versprach den Einwohnern Baumaterialien und erhoffte sich dafür Stimmen.

Die alten Kolonialvillen entlang der staubigen Hauptstraße des Dorfs sind reparaturbedürftig. Bei einigen ist das Dach eingebrochen, Wände sind eingestürzt. Viele Familien hausen in Ruinen, einige unter freiem Himmel. Im November war Regenzeit und die Menschen waren den Tropenstürmen schutzlos ausgesetzt. Als elf Tage nach dem hohen Besuch ein Lastwagen mit Ziegeln und Zement von den Rangern blockiert wurde, kam es zum Eklat, berichtet Natalus Makuta. Er ist Vertreter der lokalen Menschenrechtsorganisation „Recherchezentrum für Umwelt, Demokratie und Menschenrechte“.

Maurice Matembela, Fischer

„Ich dachte, die Ranger würden uns helfen, doch sie eröffneten direkt das Feuer“

Zwei Todesopfer, zwei unterschiedliche Darstellungen

Während der Mann erzählt, spaziert er an den verfallenen alten Häusern vorbei in Richtung des Sees. Diesen Weg seien im November Schüler entlang marschiert, die gegen die Blockade protestierten. Auf dem Weg zur Station der Parkschützer am Ufer hätten sich ihnen Eltern und Fischer angeschlossen. „Dann fielen plötzlich Schüsse“, sagt Makuta und zeigt auf zwei Gräber am Wegesrand. Auf den Holzkreuzen stehen mit blauer Farbe zwei Namen: Adam und Ezeckiel Mumbere, beide nicht einmal 40 Jahre alt. Todestag: 28. November 2018.

Auf der Internetseite des Virunga-Nationalparks gedenkt man an jenem Tag eines Toten: „Ranger Ezechiel Masumbuko killed in action“ heißt es dort. Von Schülerprotesten und zwei toten Fischern steht da nichts. Auf taz-Anfrage erklärt der Sprecher der Virunga-Parkleitung: „Das war ein gewaltsamer Angriff auf eine Ranger-Position von Mayi-Mayi-Rebellen, kein Protest.“ Die Ranger hätten sich „angemessen verhalten“. Es werde ermittelt.

„Wir haben keine Milizen und keine Waffen bei uns im Dorf“, beteuert Makuta vor den Gräbern. „Die Ranger haben wild geschossen, dabei hat der eine den anderen getroffen“, lautet seine Version.

Was an jenem Tag genau geschehen ist, bleibt ungeklärt. Klar ist: Die Menschen in Vitshumbi fühlen sich sowohl den Milizen als auch den Parkrangern gegenüber hilflos ausgeliefert. Dies sei der falsche Weg, Naturschutz zu betreiben, sagt Makuta. Er schaut grübelnd auf die Kreuze. Dann legt er die Stirn in Falten: „Wir sehen immer mehr, dass die Ranger die Menschen wie Tiere behandeln“, sagt er und folgert: „Und die Tiere im Kongo sind besser geschützt als wir Menschen.“

Der Virunga-Park ist Afrikas ältestes Naturschutzgebiet und ein Unesco-Weltkulturerbe. In ihm leben auch die weltberühmten, vom Aussterben bedrohten Berggorillas. Aber für viele Kongolesen in der Nachbarschaft ist der Park ein bedrohlicher Staat im Staat, mächtiger als die eigene Regierung. Sie nennen ihn „die unabhängige Republik Virunga“.

Wie Abdoul Shamamba sein Haus verlor

Ereignisse wie in Vitshumbi sind keine Einzelfälle. Bei einer einwöchigen Rundreise rund um den Park trifft die taz-Reporterin fast in jedem Dorf Menschen, die sagen, sie seien von Parkrangern drangsaliert, verhaftet, geschlagen, angeschossen oder vergewaltigt worden.

Mann mit Kind

Maurice Matembela entkam nur knapp einem Schießkommando der Parkwächter Foto: Simone Schlindwein

So im Dorf Nzulo am Ufer des Kivusees: Dort steht Abdoul Shamamba, Vater von sechs Kindern, auf einem Haufen verkohlter Bretter und Wellblechen und schaut verzweifelt. Sein ganzes Erspartes hatte er in sein kleines Haus investiert. Dann seien im Juni Ranger gekommen und hätten es verbrannt. Er zeigt auf frische Wunden am Arm und am Schienbein: „Als ich mich geweigert habe, das Haus zu verlassen, haben sie mich mit Gewalt davongezerrt“, berichtet Shamamba.

Die Parkleitung erklärt auf Anfrage, sie habe keine Informationen zu dem Vorfall.

Wie Bauern von ihren Feldern vertrieben werden

Im Dorf Mugunga gleich nebenan: Die knapp 60-jährige Miriam Nyamulemba berichtet, sie sei im letzten Sommer auf ihrem Acker am See-Ufer von Parkrangern vertrieben worden, die ihr die Ernte stahlen – mit dem Argument, ihr Feld, das sie seit Jahrzehnten bestellt, liege innerhalb des Parks: „Ohne die Ernte wusste ich monatelang nicht, wie ich meine Kinder und Enkel satt kriegen soll“, klagt sie.

Auch dieser Vorfall sei nicht bekannt, erklärt dazu die Parkverwaltung.

Nyamulembas Tochter Esperance Kabekatyo erzählt, sie sei von den Rangern festgehalten worden, als sie im letzten September ihre Bohnenernte einholen wollte. Die 38-jährige Mutter von fünf Kindern sagt: „Sie haben mir die Kleider vom Leib gerissen. Ich hatte Angst, sie würden mich vergewaltigen – ich bin davongerannt.“ Als sie sich am Tag danach erneut aufs Feld gewagt habe, „fingen die Ranger direkt an zu schießen, eine Kugel verfehlte mich nur knapp“. Esperance Kabekatyo sagt: „Von allen Rebellen und Milizen sind die Ranger meine größten Feinde.“ Dann bittet sie darum, eine Botschaft an die Europäische Union richten zu dürfen: „Mithilfe der EU-Gelder ist der Park sehr mächtig geworden. Doch wenn sie uns weiter so behandeln, werde ich zur Waffe greifen und gegen sie rebellieren!“

Wie die EU glaubte Natur und Berggorillas zu retten

Die EU hat seit 1988 rund 30 Millionen Euro in den Virunga-Nationalpark gesteckt. Er ist ein Vorzeigeprojekt des internationalen Naturschutzes in einer Bürgerkriegsregion. In seinen dichten Urwäldern rund um aktive Vulkane hatten sich Dutzende Rebellengruppen verschanzt, sie lebten teils vom illegalen Holzeinschlag – Holzkohle ist die wichtigste Energiequelle der Bevölkerung.

Vor sieben Jahren drohte dem Park mit seinen berühmten Berggorillas das Aus. Sprengsätze flogen, Rebellen hatten sich in den Wäldern im Schutzgebiet festgesetzt und ihr Hauptquartier direkt neben der Parkzentrale eingerichtet. Die Regierung vergab Teile des Parks an Ölkonzerne. Entsetzt kratzten internationale Geber und Spender Geld zusammen. „Ein Marshallplan für den Ostkongo“ nannte der US-Milliardär Howard Buffet die Idee damals.

Die Idee: Die Gründung der „Virunga-Allianz“, bestehend aus zwei im Ausland eingetragenen Stiftungen sowie von ihr gegründeten Unternehmen als eine Public-Private-Partnerschaft, die in Ökotourismus, nachhaltige Land- und Fischereiwirtschaft sowie saubere Energie aus Wasserkraft investiert.

Auf ihrer Internetseite präsentiert die Virunga-Allianz ihre Zehn-Jahres-Ziele wie eine Rechenaufgabe: Jedes Megawatt Strom schaffe 1.000 Arbeitsplätze, in zehn Jahren also 100.000 Jobs. Parkchef de Merode erklärte damals, künftig würden neu gegründete Firmen Seife aus Palmöl herstellen, Enzyme aus Papaya und Strom aus Wasserkraft, um den Gebrauch von Holzkohle zum Kochen zu verringern. Kongos Jugend würde dann nicht mehr zur Waffe greifen. Wenn dann auch noch zusätzlich 28.000 Touristen pro Jahr den Virunga-Nationalpark besuchten, dann bringe das dem Kongo jährlich eine glatte Milliarde Dollar an Einnahmen. Das Versprechen an die rund vier Millionen Menschen im Umkreis des Parks: Ein Drittel der Einnahmen werde in die Entwicklung ihrer Gemeinden fließen.

Öko-Strom, den keiner bezahlen kann

Doch zuerst musste gewaltig investiert werden. Bagger rollten über die ungeteerten Straßen an: Staudämme, Wasserkraftanlagen, Stromtrassen und Luxus-Lodges entstanden. Buffet selbst pumpte 150 Millionen Dollar in das Projekt, als Startkapital: „Nach oben gibt es kein Limit“, tönte er damals. Die EU stellte im November 2018 erneut 20 Millionen Euro für Naturschutz im Kongo-Becken zur Verfügung. Ein Großteil davon fließt in die Virunga-Stiftung.

Der dicht besiedelte Bezirk Rutshuru an Ugandas Grenze, ringsum von Nationalpark umgeben, wird seit 2015 mit Virunga-Strom aus Wasserkraft versorgt. Neue Hochspannungsleitungen laufen über der Hauptstraße der gleichnamigen Dis­trikt­hauptstadt und der Nachbarstadt Kiwanja, Straßenlaternen beleuchten nachts den Weg. Die Sicherheit im von Kriminalität und Geiselnahme geplagten Kiwanja habe sich enorm verbessert, sagen die Bewohner. Doch für kleine Schrei­ner­werk­stätten oder Nähereien ist der Strom zu teuer. Schon die Anschlussgebühr beträgt über 200 Dollar, für die meisten Kongolesen unerschwinglich. Sie verzichten lieber auf Strom und kochen weiter mit Holzkohle. Die Rechnung, pro Megawatt 1.000 Arbeitsplätze zu schaffen, geht hier nicht auf.

Bei einem Treffen zwischen Regierung und der Naturschutzbehörde im März 2019 lobte Olivier Kamuzinzi, Umweltminister der Provinz, die Erfolge des Parks. Die Zahl der Gorillas habe sich erhöht, Wilderei und Waldrodung hätten nachgelassen. Knapp einen Monat nach Wiedereröffnung des Nationalparks für den Tourismus freute sich der Generaldirektor der Behörde über rund 500 Urlauber.

Dennoch hinkt der Virunga-Nationalpark seinen Zielen hinterher. Laut eigenen Angaben sind bis Ende 2017 nur 13.000 Jobs entstanden. Rund 3.000 davon sind direkt beim Park angesiedelt, ein Großteil sind Ranger.

Wie die Ranger aufgerüstet werden

Bislang ging Kongos Armee, zum Teil mit Unterstützung durch UN-Blauhelme, gegen die Rebellen vor. Mittlerweile hat aber der Virunga-Nationalpark besser ausgebildete Kämpfer, die 300 Mann der Schnellen Eingreiftruppe QRU. Sie wurden von Belgiern und Franzosen mit EU-Mitteln ausgebildet.

Mit Scharfschützengewehren, Raketenwerfern und Infrarot-Nachtsichtgeräten ziehen diese QRU-Ranger wie Soldaten in den Krieg. „Ich wollte Naturschützer werden wie mein Großvater und mein Vater“, erzählt einer von ihnen der taz-Reporterin. „Doch stattdessen bin ich jetzt eine Kampfmaschine.“ Aus Sicherheitsgründen muss sein Name ungenannt bleiben.

Die taz will von ihm wissen, wie es sein kann, dass ausgerechnet die von der EU ausgebildeten Eingreiftruppe QRU die Bevölkerung drangsaliert. Der Elitekämpfer lacht zuerst und wird dann ernst: Zwar sei ihm beigebracht worden, wie man einen Verdächtigen festnimmt und auch, dass man nicht auf Zivilisten schießen dürfe, sagt er. „Doch wenn wir in die rote Zone geschickt werden, wo jeder Bauer potenziell einer Miliz angehören kann und die Rebellen keine Uniformen tragen, dann gibt es keinen Unterschied mehr zwischen dem Feind und der Bevölkerung.“

Wem gehört das Feld – den Bauern oder dem Nationalpark?

„Die rote Zone“ ist voller Menschen. Im Distrikt Rutshuru, umgeben vom Virunga-Nationalpark, leben rund 1,5 Millionen Menschen, die meisten von ihnen betreiben Ackerbau. Jeden Morgen kurz nach Sonnenaufgang passieren Tausende Frauen, Männern und Kinder mit Körben, Hacken und Macheten am Stadtrand von Kiwanja die Straßensperre der Naturschutzbehörde ICCN, um einige Kilometer außerhalb der Stadt ihre Äcker zu bestellen. Mais, Bohnen, Hirse wachsen hier rechts und links der Straße bis zu der Brücke über den Rutshuru-Fluss. Danach beginnt der Urwald.

In einem vor 45 Jahren formulierten Abkommen wurde dieser Abschnitt als „Jagddomäne“ definiert, eine Art Pufferzone für den Park. Doch unterzeichnet wurde der Vertrag nie. Er sei damit „null und nichtig“, sagt Faustus Kalwahali, Justiziar im örtlichen Bauernverband in Kiwanja. Aus einem Heftordner kramt er das mit Schreibmaschine getippte Dokument hervor – ohne Unterschrift. Trotz Verhandlungen beanspruche die Virunga-Parkbehörde dieses Ackerland für sich.

Dieser und viele weitere Artikel wurden durch finanzielle Unterstützung des Auslandsrecherchefonds ermöglicht.

Regelmäßig patrouillieren Ranger auf den Feldern und verhaften Bauern mit dem Vorwurf des „illegalen Eintritts in den Park“. Mit EU-Geldern wurde eine eigene Justizpolizei für die staatliche Naturschutzbehörde aufgestellt. Sie darf Menschen festnehmen und verhören, sie sammelt Beweise, formuliert Anzeigen und überstellt Festgenommene an die Justiz, laut Gesetz innerhalb von 48 Stunden.

So weit die Theorie. Die Praxis: Fast täglich wird der Bauernvertreter Kalwahali von besorgten Bauernfamilien darüber informiert, dass deren Verwandte auf ihren Feldern festgenommen wurden. „Oft dauert es viele Tage, bis die Naturschutzbehörde die Leute dem Haftrichter vorführt“, klagt der Anwalt. „Oft wollen sie mir gar nicht sagen, wo sie die Leute unterbringen. Das grenzt schon fast an Geiselnahme.“

Der Staatsanwalt klagt über mangelnde Beweise

Zuständig dafür ist Staatsanwalt Mirindi Mu­sha­galusa. Er sitzt in seinem Büro hinter hohen, handgeschriebenen Aktenbergen. Computer, Telefon – Fehlanzeige. Auf die Frage nach den verhafteten Bauern seufzt er: „Ich bin mit diesen Fällen so überfordert, dass ich gar keine Zeit mehr für all die Mörder und Vergewaltiger hier habe.“

Durchschnittlich überstelle die Naturschutzbehörde 20 Fälle pro Monat. Manchmal aber nähmen deren Justizpolizisten auch Dutzende Bauern oder Fischer auf einmal fest: „Doch in unsere Untersuchungshaftzelle passen nur sechs Menschen.“

Oft findet er die Anzeigen der Justizpolizei zweifelhaft, sagt Mushagalusa. Manchmal würden die Ranger Beweismittel zerstören: den Fischfang, das Holzboot, die Ernte. „Und wie soll ich nach Vitshumbi reisen und dort prüfen, ob der Fischer jenseits der erlaubten Fanggebiete tätig war?“ Problematisch seien vor allem die Fälle von Festnahmen auf der umstrittenen „Jagddomäne“, wo die Bauern ihre Felder haben. „Die Parkgrenzen müssen definiert werden, bevor wir urteilen können, was illegal ist“, sagt der Staatsanwalt.

In der Regel lasse er die Fischer und Bauern dann laufen, sagt er. Allerdings gegen eine Entlassungsgebühr von umgerechnet 100 Dollar. Das ist mehr, als eine Bauernfamilie im Monat zum Leben hat. „Die Bevölkerung wird damit systematisch in die Armut getrieben“, sagt dazu der Justiziar des Bauernverbandes. „Die Freilassungsgebühr ist gesetzlich illegal“, bestätigt Festus Munyihata von der Menschenrechtsorganisation CREDDHO in Kiwanja. „Das Geld wird verlangt, um die Leute zu entmutigen, in den Park zu gehen“, sagt Munyahita. Die Naturschutzbehörde überstelle zunehmend Fälle an die Militärjustiz, „um noch mehr Abschreckung zu erzeugen“.

Bei der Militärstaatsanwaltschaft direkt nebenan ist die Entlassungsgebühr doppelt so hoch. Dort kann man Menschen bis zu zwölf Monate lang festhalten, bis sie einem Richter vorgeführt werden müssen. Dies mag mitunter der Grund sein, gibt Militärstaatsanwalt William Mulaja zu, warum mittlerweile deutlich mehr dieser Fälle auf seinem Schreibtisch landen.

2018 wurden Mulaja über einhundert Zivilisten von der Naturschutzbehörde vorgeführt – im April 2019 waren es schon 168, darunter Frauen und Kinder. Der Vorwurf laute meist auf „Zusammenarbeit oder Teilnahme an einer bewaffneten Gruppe“. Doch Militärstaatsanwalt Mulaja hat damit Probleme: „Wenn die Rebellen dem Fischer das Geld abknöpfen, dann ist das per Gesetz schon ‚Unterstützung‘ der Miliz“, erklärt er. Wenn Frauen im Wald Feuerholz sammeln, dann sei dies laut Gesetz bereits „Kollaboration“ mit der ruandischen Hutu-Miliz, die den Holzkohlehandel dominiert. Dass er jetzt mehr Fischer und Bauern als bewaffnete Kämpfer anklagen muss, das sei nicht Sinn der Sache.

Auf Anfrage erklärt der Sprecher der Parkleitung dazu: „Virunga ist strikt gegen jegliche willkürliche Verhaftungen. Die Festnahme in Park-Unterkünften überschreitet niemals die 48-Stunden-Frist, die vom Gesetz vorgeschrieben ist.“ Nach seinen Angaben nehmen Ranger durchschnittlich 1.000 Menschen pro Jahr fest. Davon seien im Jahr 2018 423 an Gerichte überstellt worden, 21 wurden verurteilt. „Das Gesetz verlangt von uns, diejenigen an die Militärgerichte zu überstellen, die als Mitglieder einer Miliz verdächtigt werden oder mit ihr zusammenarbeiten.“

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