Schüsse in El Paso: Die Populisten sind mitverantwortlich

Der mutmaßliche Täter von El Paso greift auf Denkmuster der völkischen Neurechten zurück. Wer diesem Denken nicht Einhalt gebietet, trägt Mitschuld.

Polizeiwagen blockieren die Zufahrt zu einem Walmart. Es ist dunkel

Nach der Tat: Polizeiwagen blockieren die Zufahrt zum Walmart in El Paso Foto: imago images/ZUMA Press

Wieder hat ein weißer Mann absichtsvoll Menschen wegen ihrer Herkunft und Hautfarbe getötet. Der mut­maßliche Attentäter von El Paso be­gründet seine Tat in einem im Netz veröffentlichten „Manifest“ mit der Notwendigkeit, die Abwehr des drohenden „Bevölkerungsaustauschs“ durch die Latino-„Invasoren“ selbst in die Hand nehmen zu müssen, wenn die Regierung es denn nicht tut.

In dem vierseitigen Text tauchen nahezu alle Denkmuster der weltweiten völkischen Neurechten auf. Deren Anfänge datieren weit vor die Zeit eines Donald Trump im Weißen Haus zurück. Insofern greift die Kritik des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Beto O’Rourke, der Trump direkt für den Terrorakt verantwortlich machte, sicher zu kurz.

Trump hat dieses Denken nicht erfunden. Aber genauso falsch wäre es, zu leugnen, dass Trump solche Thesen schon seit Beginn seines Wahlkampfs mehr verbreitet hat, als es etwa dem Alt-Right-Chef Richard Spencer oder dem österreichischen Chef der Identitären Bewegung (IB), Martin Sellner, jemals möglich gewesen wäre.

Mexiko erwägt einen Auslieferungsantrag für den mutmaßlichen Täter von El Paso. „Für Mexiko ist diese Person ein Terrorist“, sagte Außenminister Marcelo Ebrard am Sonntag. Daher denke der Generalstaatsanwalt darüber nach, ein Verfahren einzuleiten, das zu einem Antrag auf Auslieferung des mutmaßlichen Täters nach Mexiko führen könnte. Er forderte die USA zu einer klaren und entschlossenen Haltung gegen Hassverbrechen auf.

Die Zahl der Mexikaner unter den 20 Menschen, die ein Angreifer am Samstag in einem Einkaufszentrum im texanischen El Paso an der US-Grenze zu Mexiko erschossen hatte, stieg nach Angaben des Ministers auf sieben. Die US-Behörden stufen den Fall als Inlandsterrorismus ein. (rtr)

Selbst wenn auch, und davon kann man getrost ausgehen, die übergroße Mehrheit der Trump-, AfD- und selbst IB-Anhänger*innen von terroristischen Mordtaten nun wirklich nichts hält: Ihre grundsätzliche Zustimmung zu den apokalyptisch-warnenden Diskursen ihrer lautesten Protagonist*innen macht es erst möglich, dass sich Menschen wie der mutmaßliche El-Paso-Attentäter Patrick C. oder der Angreifer auf die Synagoge von Pittsburgh im Oktober vergangenen Jahres als Beschützer und Vollstrecker eines allgemeinen Volkswillens sehen können. Als Frontsoldaten im Abwehrkampf gegen den „Völkermord an den Weißen“.

Die Lone-Wolf-Strategie, nach der ein einzelner Angreifer auch ohne jede Absprache mit Gleichgesinnten zuschlagen und so eine gewaltige Dynamik in Gang setzen kann, haben inzwischen viele Terrororganisationen übernommen. Ob al-Qaida, IS oder eben Nazis und Rassisten – für die meisten spielen Forenbeiträge und Websites längst eine größere Rolle als Waffendepots und tote Briefkästen. Die rechten Denker denken, ihre Anhänger morden dann schon von ganz allein. Erst recht, wenn sie sich in der Mehrheit wähnen.

Insofern haben Donald Trump und auch die europäischen rechtsnationalistischen Populisten, die in den letzten Jahren große Erfolge erzielt haben, denn eben doch eine besondere Verantwortung für Zivilität. Und wenn sie der nicht nachkommen, dann sind sie eben doch, ja, schuld, wenn wieder ein weißer Mann meint, die Waffe ziehen zu müssen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

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