Organisatorinnen über Unteilbar-Demo: „Wir wollen rechte Räume besetzen“

Vor der Demo in Dresden sprechen zwei Organisatorinnen über rechtes Gedankengut im Osten, Möglichkeiten der Zivilgesellschaft und den Umgang mit AfD und Pegida.

Demonstranten mit einem Unteilbar-Transparent

Teilnehmer einer Unteilbar- und Seebrücken-Demo im Juli 2019 in Leipzig Foto: imago images/Tim Wagner

taz: Seit Monaten hat das Unteilbar-Bündnis für Samstag nach Dresden mobilisiert. Was erhoffen Sie sich von dem Tag?

Sophie Winter: Wir wollen das nicht unbedingt an Teilnehmerzahlen festmachen. Für uns ist auch wichtig, dass viele Menschen aus Sachsen dabei sind und mit denen, die aus dem Rest des Landes anreisen, zusammenkommen. Außerdem wollen wir Räume besetzen, die sonst in der Stadt von Rechten reklamiert werden, etwa mit unserer Abschlusskundgebung auf der Cockerwiese, wo ja teils auch Pegida aufmarschiert war. Wir wollen zeigen: Das ist unser Tag in der Stadt, die Rechten haben da keinen Platz. Vor allem hoffen wir, dass der Demo-Tag längerfristig nachwirkt und in Sachsen ein nachhaltiges Bündnis entsteht.

Wie sollte das aussehen?

Rolah Saleh: Wir versuche uns zu vernetzen, vor allem mit Gruppen von MigrantInnen in kleineren Städten wie Borna oder Bautzen. Wir wollen Strukturen aufbauen und Ressourcen beschaffen, um mit solchen Gruppen im engen Austausch zu bleiben.

Die AfD hat behauptet, die Polizei würde mit Ausschreitungen rechnen, die Polizei hat das bestritten und gesagt, dass sie einen friedlichen Verlauf erwarte. Was sagen Sie dazu?

Winter: Es ist klar, dass die AfD versucht, hier im Vorfeld strategisch zu intervenieren und sie werden auch hinterher große Propaganda machen, weil sie unsere Demonstration als Provokation verstehen.

Im Aufruf für die Demo heißt es, „Rassismus und Menschenverachtung sind gesellschaftsfähig“. Was heißt das konkret?

Winter: Die Neue Rechte ist nicht mehr zu reduzieren auf Straßen-Neonazis. Ihre Ideologie findet Akzeptanz in der Mitte der Gesellschaft. Es wird jetzt immer auf Meinungsfreiheit gepocht und daraus soll dann folgen, dass es das gute Recht von Nazis sei, in der Öffentlichkeit sprechen – etwa wenn die „Parents for Future“ jemanden von der NPD auf ein Podium setzen und den erst nach Protesten wieder ausladen. Wir lehnen das ab.

Saleh: Ich wurde mal zu einem Podium über Integration eingeladen, auf dem auch ein AfDler saß. Ich habe mich darauf vorbereitet und bin hingegangen, aber ich bin grundsätzlich kein Fan davon, denen eine Plattform zu geben. Es ist nicht undemokratisch, wenn man sie auslädt.

Welchen Anteil an dieser Entwicklung trägt die sächsische CDU?

Saleh, 41, stammt aus dem Libanon und ist 2001 nach Deutschland geflohen. Sie lebt in Chemnitz und arbeitet dort als Sozialarbeiterin im Flüchtlingsbereich. 2018 filmte sie während der Ausschreiungen in Chemnitz, wie Hooligans durch die Stadt zogen und riefen „Für jeden toten Deutschen – ein toter Ausländer.“ Sie wurde dabei von den Rechten angegriffen, konnte dies aber filmen. Ihr Video wurde eines der wichtigsten Zeugnisse dieser Tage.

Winter stammt aus Sachsen, lebt in Dresden und ist hier seit 2009 politisch aktiv, zur Zeit unter anderem bei der Kampagne Nationalismus ist keine Alternative.

Winter: Es war einer ihrer größten Fehler, als es mit Pegida losging, immer mit Toleranz darauf zu schauen, sie als „besorgte Bürger“ zu sehen und zu benennen, ihr Treiben überhaupt nicht einzuschränken und es im Gegenteil voll okay zu finden was sie tun.

Die Medien haben aber durchweg kritisch über Pegida berichtet.

Winter: Die sächsischen nicht. Es gab da eine starke Verständniskomponente. Die Medien haben sich hier sehr früh auf den Politologen Werner Patzelt berufen, der Pegida in seiner Funktion als Wissenschaftler legitimiert hat. Deshalb wird Pegida in Sachsen am Arbeitsplatz und auf der Straße oft viel Verständnis entgegen gebracht. Das ist der falsche Weg.

Und was ist der richtige?

Saleh: Wir kommen wieder in einen autoritären, diktatorischen Staat, wenn die AfD regiert. Die Menschen müssen begreifen, dass es nicht nur um die Migranten geht. Die Menschen haben Ängste, die Rechten nutzen diese aus.

Winter: Ich find es legitim, wenn Menschen sich über ihre ökonomische und soziale Lage beschweren. Es gibt ja die materiellen Unterschiede zwischen Ost und West. Das Problem ist, dass sie die Lösung im Nationalismus suchen. Wir sagen Nationalismus ist aber nicht die Alternative. Der richtige Weg, um etwa beim Bäcker oder auf dem Straße mit den Rechten umzugehen, wäre deshalb zu sagen: Es ist okay, sich zu beschweren, aber es ist nicht okay, dafür Schwächere und Migrantinnen verantwortlich zu machen.

Migrantische, antirassistische und antifaschistische Organisationen haben sich unter dem Motto „Solidarität verteidigen“ zu einer Initiative zusammengeschlossen, um Projekte in Sachsen und in Ostdeutschland besser zu vernetzen und bundesweit Unterstützung zu leisten. Geplant sind Veranstaltungen, eine Spendenkampagne und eine dreitägige Veranstaltung mit Angehörigen der NSU-Opfer in Chemnitz. Den Auftakt der Initiative bildet ein Block aus elf Lkw auf der #unteilbar-Demo am 24. August in Dresden.

Saleh: Viele sagen ihre Meinung nicht, weil sie keine Anfeindung erleben möchten. Aber wenn wir nicht sagen, was wir denken, dann denkt der Nazi-Kollege auf dem Bau, dass er im Recht ist.

Ist es nicht unrealistisch von unpolitischen Menschen zu erwarten, das sie anfangen, mit Nazis über Nationalismus zu diskutieren?

Winter: Ich finde es gar nicht so unrealistisch. Sachsen gilt immer als so rechts, aber es gibt hier viele Willkommensinitiativen und man merkt es auch bei anderen Menschen, denen man es auf den ersten Blick gar nicht so ansieht. Sie haben ein total authentisches Bedürfnis danach, allen Menschen dieselben Rechte zuzugestehen. Das ist bei denen eher so latent da, aber ich sehe da schon immer wieder Hoffnungsschimmer.

Sie haben die Angst vor Anfeindungen angesprochen. Viele junge Menschen verlassen deshalb Regionen, in denen es viele Rechte gibt und fördern so ungewollt deren Dominanz. Was ist der richtige Weg?

Saleh: Das muss jeder selbst entscheiden. Besonders schwierig ist es allerdings für Geflüchtete, die wegen einer Wohnsitzauflage gar nicht wegdürfen. Die muss man unterstützen. Ich selbst habe etwa in Chemnitz Einschüchterung erfahren, wenn Rechte bei meinem Arbeitsplatz warten und mich dann auf dem Nachhauseweg verfolgen. Ich kann Leute verstehen, die weggehen. Auch deutsche Freunde von mir sind weggegangen. Das Klima ist vergiftet, das geht ja bis in die Familien. Ich habe deutsche Freunde, die es in ihren eigenen Familien schwer haben, wenn sie sich offen gegen Rechts positionieren. Das ist eine alte Mentalität des Wegschauens: ‚Das geht uns nichts an.‘ Das ist sehr verbreitet hier.

Winter: Die Frage sollte erweitert werden. Aus westdeutscher Perspektive geht es immer um das Bleiben oder Gehen, das wird dann als eine Art Territorialkampf dargestellt. Es gibt hier aber bemerkenswerte linke Strukturen und zwar seit der Wende und die haben sich immer gegen die so genannten national befreiten Zonen gewehrt. Die Aufmerksamkeit muss auf sie gerichtet werden. Gleichzeitig ist es eben so, dass es für viele junge Leute nicht besonders attraktiv ist, in den kleinen Städten zu bleiben.

Welche Entwicklung erwarten Sie nach der Wahl?

Winter: Schwer zu sagen. Aber die Antifa hier ist es total gewohnt, ständig angriffen oder kriminalisiert zu werden und auf einem anderen Bedrohungslevel zu kämpfen als in Regionen mit besser aufgestellter Zivilgesellschaft.

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