Proteste gegen die IAA in Frankfurt: Erschöpft, aber glücklich

Zu Fuß und auf dem Rad demonstrieren Tausende gegen die Autoindustrie und für eine Verkehrswende. Am Sonntag soll die IAA blockiert werden.

Hunderte Radfahrer auf der Autobahn unterwegs Richtung Frankfurt

Ohne Gegenverkehr: Aktivist*innen radeln am Samstag auf der Autobahn gen Frankfurt Foto: reuters

FRANKFURT taz | Die Rapperin Baby Shoo kommt nicht bei allen gut an. Eine ältere Frau mit einem grünen T-Shirt des Naturschutzbundes BUND verzieht das Gesicht. „Ich find’s nicht so passend“, sagt sie zu ihrer Mitstreiterin, die ebenfalls ein grünes Shirt anhat und eine BUND-Flagge schwenkt. Etwa tausend Menschen haben sich am Samstag Mittag an der Frankfurter Hauptwache versammelt, um für die Verkehrswende zu demonstrieren.

Sie wollen zu Fuß durch die Frankfurter Innenstadt bis zur Messe laufen, wo gerade die Internationale Automobilausstellung IAA stattfindet. Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, Campact, BUND, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC und Naturfreunde Deutschland hatten zum Protest aufgerufen. Baby Shoo, die Rapperin aus Frankfurt, erzählt den Demonstrant*innen auf dem Platz der Auftaktkundgebung gerade, dass sie früher nicht so an Umweltschutz gedacht und stattdessen „viel Caprisonne getrunken“ habe. Das bei Kindern und Rapper*innen beliebte Getränk ist in ziemlich unfreundliches Plastik und Aluminium verpackt. „Aber die Sache mit dem Klimawandel ist schon hart“, räumt Baby Shoo ein.

Die Frau vom BUND verdreht die Augen und setzt sich auf eine Bank. Sie sieht müde aus. Müde dürften auch einige Radfahrer*innen sein, die später an der Frankfurter Messe eintreffen. Die Demo, die unter dem Motto #aussteigen steht – aus dem SUV, aus der Autoindustrie, aus dem auf individuelle Verbrennungsmotoren ausgerichteten Verkehrssystem – setzt sich aus einem Fußgänger*innen und einem Fahrradfahrer*innenteil zusammen.

Die Radfahrenden sind aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet gestartet, um auf 13 Hauptrouten, teils über Autobahnen, nach Frankfurt zu radeln. Einige sind um 5 Uhr morgens gestartet, um pünktlich um 14.30 Uhr an der Messe anzukommen. Es sollen sogar welche um Mitternacht in Stuttgart aufgebrochen sein. Auch die Schüler*innen von Fridays for Future sind vertreten, die Ortsgruppen aus Köln ist zu Fuß unterwegs und bildet einen Block mit kleineren Ortsgruppen aus dem Umland. Auf ihrem Fronttransparent fordern die Jugendlichen „Burn Capitalism“.

Tina Velo, Sprecherin von „Sand im Getriebe“

„Verkehrsminister Andreas Scheuer ist ein Autoverkaufsminister“

Ganz so radikal sind sie dann aber doch nicht unterwegs, zur Blockade am Sonntag rufen sie nicht offiziell auf. Ein Bündnis, das sich „Sand im Getriebe“ nennt, hat angekündigt, am Sonntag die Zugänge der Messe zu blockieren. Daran wollen sich nur Einzelpersonen von Fridays for Future beteiligen. Ziviler Ungehorsam gehört bislang nicht zum Aktionsrepertoire der Schüler*innen.

Die IAA findet sie aber „ziemlich scheiße“, sagt die 17-jährige Abiturientin Elli von der Kölner Ortsgruppe. Sie habe keine Lust, in der Zukunft um Wasser oder andere Ressourcen zu streiten, deshalb müsse sich schnell etwas ändern. Die Aktivist*innen von Sand im Getriebe nehmen der Autoindustrie nicht ab, ernsthaft an einer Verkehrswende interessiert zu sein. Der Bundesregierung auch nicht. „Verkehrsminister Andreas Scheuer ist ein Autoverkaufsminister“, sagte Sand-im-Getriebe-Sprecherin Tina Velo im Gespräch mit der taz. Es sei deshalb Zeit für ein deutlicheres Zeichen. Für die Blockade-Aktion rechnen sie mit 1.000 Unterstützer*innen.

Am Samstagnachmittag geben die Veranstalter*innen auf der Abschlusskundgebung direkt gegenüber der Messe bekannt, dass sich nach ihren Zählungen 25.000 Leute am Protest beteiligt haben – darunter 18.000 mit dem Fahrrad. Viele sehen erschöpft, aber die meisten glücklich aus, als sie ihre Räder über den Rasen schieben, in Grüppchen zusammenstehen, sich an Ständen Essen und Bier holen. Ein Redner auf der Bühne schimpft noch einmal auf Verkehrsminister Scheuer, bevor er die Kundgebung für offiziell beendet erklärt und sich für das Engagement bedankt. Falls es die IAA in zwei Jahren noch geben sollte, sagt er, werde man wiederkommen.

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