Männer ganz in rot gekleidet

Bobi Wine (Mitte) mit roter Kappe. Die ist inzwischen verboten worden Foto: Sumy Sadurni

Ein Rapper fordert den Staat heraus:Eins auf die Mütze

Eigentlich ist Bobi Wine Musiker. Doch seit er Präsident Ugandas werden will, gilt der Mann mit der roten Mütze als gefährlichster Mann des Landes.

Ein Artikel von

27.1.2020, 16:55  Uhr

Es ist eine Tränengaskartusche, die in Uganda die Wahlkampfzeit einläutet. Sie wird am Montag, dem 6. Januar morgens um 9.30 Uhr abgefeuert, dem ersten Werktag nach den Weihnachtsferien. Keine halbe Stunde später ist die sonst so verschlafene Kleinstadt Ka­san­gati, rund 15 Kilometer nördlich von Ugandas Hauptstadt Kampala, von beißenden Nebelschwaden eingehüllt. Anwohner, Passanten und Journalisten stieben hustend davon.

Im Nebel zerren vermummte Polizisten eine Handvoll junger Männer mit roten Mützen aus einem Auto und hieven sie an Händen und Füßen in einen Polizeiwagen. Unter ihnen befindet sich ein flinker junger Mann im blauen Anzug mit roter Krawatte und roter Mütze: Ugandas jüngster Parlamentsabgeordnete Robert Kyagulanyi, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Bobi Wine. Seit 2017 sitzt der im Parlament, und er mischt dort die dröge Politik in dem kleinen Land gewaltig auf.

Der 37-jährige Jungpolitiker ist Ugandas erfolgreichster Musiker, bekannt für seine kritischen Rapsongs und die schrägen roten Outfits. „Wenn Lehrer zu Peinigern werden, wenn Meinungsfreiheit zum Ziel der Unterdrückung wird – dann wird die Opposition unser Standpunkt“, singt er in seinem Song „Situka“, übersetzt: „Lehnt euch auf!“.

Bobi Wine braucht keine politische Bühne. Die eingängigen Beats laufen landesweit in Radios, Bars und den zahlreichen Nachtclubs. Auch außerhalb der Hauptstadt Kampala füllt er die Fußballstadien. Doch nachdem der Rapper im Juli vergangenen Jahres seine Kandidatur für die nächsten Präsidentschaftswahlen angekündigt hat, sind alle seine Konzerte verboten.

Seine Fans: arbeitslose junge Männer

Seine Fans sind eine amorphe Masse arbeitsloser junger Männer, die durch Wines Texte politisiert wurden. Drei Viertel der 43 Millionen Ugander sind unter 30 Jahre alt, sie sind in Frieden und Stabilität aufgewachsen, haben jedoch in ihrem Leben noch nie einen anderen Präsidenten als dem amtierenden Yoweri Museveni erlebt. Sie geben dem Regime die Schuld für die enorme Jugendarbeitslosigkeit. Für sie ist der 75 Jahre alte Museveni wie ein Großvater, der sich weigert, in Rente zu gehen. Sie nennen Wine, der den Alten nun herausfordert, „Ghetto-Präsidenten“, weil er wie sie in armen Verhältnissen aufgewachsen ist.

Wine ist an jenem Montagmorgen auf dem Weg nach Gayaza, nördlich von Kasangati – beides verschlafene Durchgangsorte im Speckgürtel Kampalas, in welchen es zwar Strom gibt, sonst aber nicht viel los ist. Dort warten Tausende seiner Fans. Doch so weit kommt er nicht. Wine landet mit 15 seiner Gefährten hinter Gittern. Er habe die öffentliche Ordnung und den Verkehr gefährdet, wie Polizeisprecher Fred Enanga erklärt.

Boby Wine ist aufgrund seiner Herkunft von der Ethnie der Baganda in dieser Region beliebt. Ein Großteil seiner Songs rappt er in der lokalen Sprache Luganda, die hier gesprochen wird. Die Reise sollte den Auftakt seiner als Beratungstour bezeichneten Wahlkampfreise durch das Land werden. Anfang nächsten Jahres stehen in Uganda Präsidentschaftswahlen an. Wine tritt an, doch nicht als Vorsitzender einer Partei, sondern einer Bewegung seiner frustrierten Anhänger, die sich People Power, übersetzt: „Volksmacht“, nennt.

Am dem Montagmorgen, an dem Boby Wine und seine Mitstreiter in Kasangati in Haft geraten, startet 20 Kilometer entfernt Präsident Museveni einen 195 Kilometer langen Marsch durch die Dörfer, um des Befreiungskriegs vor 34 Jahren zu gedenken – eine Kampagne, um zu zeigen, dass er noch fit ist und Wine die Stirn bieten kann. Museveni hat vor 34 Jahren das Land gewaltsam erobert. Zu Beginn galt er als Reformer, der den Diktatoren des Kontinents offen auf den Kopf zusagte, sie seien das Problem, warum Afrika nicht vorankomme. Über 30 Jahre später muss er sich von Wine anhören, er sei der Grund, warum Uganda nicht vorankomme.

Schwarze Menschen mit roten Kappen

Kein Programm, aber viel Wut: Versammlung von Anhängern der „People Power“ Foto: Sumy Sadurni

Gekleidet in armeegrüner Uniform und Safarihut, stapft der Staatschef vier Tage lang mit seinen Anhängern, Generälen und Soldaten zu Fuß durch das Land. Überall, wo er hinkommt, strömen abertausende, meist ältere Menschen zusammen. Es wird getanzt und gefeiert. Dabei kommt es zu kilometerweiten Staus. Von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist nicht die Rede.

In den Dörfern hält Yoweri Museveni stundenlange Reden. Er schwelgt in Erinnerungen an den Freiheitskampf von 1986 und preist Frieden und Stabilität. Mit erhobenem Zeigefinger erteilt er großväterliche Ratschläge: Die jungen Leute sollen arbeiten, statt mit ihren Handys „falsche Gerüchte zu verbreiten“, mahnt er.

Unter Dauerüberwachung von Geheimagenten

Vor knapp zwei Jahren hatte die ugandische Regierung eine Steuer auf die Nutzung sozialer Netzwerke eingeführt. Bei den Aufständen des Arabischen Frühlings oder den Umbrüchen im Sudan waren diese Medien ein zentrales Kommunikationsmittel der Protestierenden. Dem will Musevenis Sicherheitsdienst entgegenwirken. Ugandas Jugend ist seitdem wütend, dass sie zahlen muss, um online zu gehen. Schon bei der Einführung der Steuer rief Rapper Boby Wine zu Protesten auf. Die Regierung reagierte hart. Seitdem stehen vor Wines Haus in einer abgelegenen Seitenstraße am Stadtrand von Kampala, die mit dem Namen „Freiheitsweg“ bezeichnet ist, rund um die Uhr Geheimagenten. Selbst wenn er seine Kinder zur Schule bringe, folgen sie ihm.

So auch an jenem Montagmorgen. Dabei räumt das Wahlgesetz Wine das Recht ein, als unabhängiger Kandidat die Bevölkerung über sein Programm aufzuklären. Die Wahlkommission hatte seine landesweite Tour abgesegnet. Doch als der Kandidat endlich gegen eine Kaution freigekommen ist, sagt er seine Tour vorerst ab. Anstatt im obligatorischen Anzug im Parlament aufzutauchen, steigt der Abgeordnete im knallroten T-Shirt in ein Flugzeug. Sein Ziel: das „Rebel Salute“-Festival auf Jamaika. Dort hisst er die ugandische Flagge auf der Bühne, bezeichnet seine Heimat als ein Land, in welchem „40 Millionen Menschen unter Unterdrückung, Gewaltherrschaft und Dik­tatur leben“ – eine klare Kampfansage an Museveni.

„Auf der Tour wollten wir die Jugend auffordern, wählen zu gehen, denn wir wollen einen friedlichen Machtwechsel“, erklärt Fred Nyanzi: „Doch der Diktator provoziert uns.“ Wines ältester Bruder gilt bei People-Power als eine Art Patenonkel, denn er hat seinem Bruder vor zwei Jahren geraten, sein T-Shirt gegen einen Anzug zu tauschen. Damit ist der Wechsel in die Politik gemeint – im Parlament ist für Männer der Anzug als Dresscode vorgeschrieben. Nyanzi organisiert die Bewegung, wenn sein Bruder um die Welt tourt. Sollte Wine nächstes Jahr die Wahl gewinnen, will er Finanzminister werden.

Noch trägt Nyanzi selbst keinen Anzug, sondern einen roten Pollunder. Er wirkt jedoch bereits gestresst wie ein Minister, als er durch die Hintertür eine Reggae-Bar in Kampala betritt und sich vorsichtig umschaut. Ihm folgen drei junge Männer in T-Shirts und roten Mützen, die seine vielen Mobiltelefone bedienen.

Fred Nyanzi meidet Wines Musikstudio im Armenviertel Kamwokya, wo die People-Power-Leute zwischen Mischpulten und Mikrofonen ihr Hauptquartier eingerichtet haben. Von dort aus werden Facebook- und Twitter-Konten bespielt, Visitenkarten gedruckt. Das dreistöckige Gebäude entlang der Hauptstraße, hinter welchem sich windschiefe Wellblechhütten und mit Müll bedeckte Straßen befinden, wird von Polizisten belagert. Videoüberwachungskameras sind rundherum installiert. Sobald jemand mit einer roten Mütze daherkommt, wird er festgenommen. „Wir wollen absichtlich keine Partei, weil Museveni gut darin ist, alle formellen Strukturen zu zerstören“, erklärt Fred Nyanzi die Strategie seines Bruders. So wird der Wahlkampf zum informellen Katz-und-Maus Spiel, ganz wie in der Comicserie „Tom und Jerry“.

Mann, stehend am Tisch

Latif Madoi produzierte die roten Kappen. Jetzt leidet er unter Auftragsschwund Foto: Simone Schlindwein

Muhoozi Kainerugaba, Sohn des PräsidentenAntwort von Bobi Wines Anhängern

„Ich garantiere, wer auch immer Uganda durcheinanderbringen will, wird einen schlechten Tag erleben.“

„Du hast wohl zu viel Donald Trump geguckt, General!“

Präsident Museveni verfügt über einen gewaltigen Sicherheitsapparat, der ihm persönlich hörig ist. Dafür sorgt sein Sohn und Sicherheitsberater, der 45-jährige General Muhoozi Kainerugaba. Ihm wird nachgesagt, er sei als Nachfolger Musevenis auserkoren, um die Familie an der Macht zu halten.

Deutlich wurde Kainerugabas Rolle bei einer Nachwahl für das Parlament, als Anhänger von Boby Wine Steine auf sein gepanzertes Auto warfen. Dabei wurde ein Rücklicht beschädigt. Als Antwort traf eine Kugel Wines Fahrer. Er starb auf der Stelle. Der Kandidat Wine wurde anschließend aus seinem Hotelbett gezerrt und abgeführt. Nach mehrwöchigem Krankenhausaufenthalt berichtete er, er sei an den Genitalien gefoltert worden.

Die derzeitige Krise mit einer rebellierenden Jugend gilt nicht nur als ein Generationenkonflikt, sondern lässt sich auch als Streit innerhalb der jungen Generation begreifen: zwischen den Gewinnern des Systems von Präsident Museveni und den Verlierern. Kainerugaba vertritt dabei die Kinder derjenigen Generäle, die mit Museveni das Land kontrollieren und deren Schützlinge auf teuren Privatschulen in den USA oder Europa studiert haben. Diese junge Machtelite will nun in die Fußstapfen ihrer Väter treten. Doch Boby Wine macht ihnen das streitig. „Ich garantiere, wer auch immer Uganda durcheinanderbringen will, wird einen schlechten Tag erleben“, warnte Kainerugaba jüngste via Twitter. Sofort reagierten seine Gegner von People-Power: „Du hast wohl zu viel Donald Trump geguckt, General!“

Das Rote-Mützen-Verbot

Boby Wines Bruder Fred Nyanzi weiß um den mächtigen Sicherheitsapparat. Täglich hetzt er zwischen Polizeistationen, Gerichtsgebäuden und Krankenhäusern hin und her, um People-Power-Anhänger aus dessen Fängen herauszuboxen. Ende September hat die Regierung das Tragen roter Mützen verboten, Kennzeichen der Bewegung. Sie seien allein der Armee vorbehalten, lautete das Argument. Der Modedesigner Amdan Semokombader, der die selbstgeschneiderten Mützen verteilt hatte, wurde festgenommen. Nach Nyanzis Angaben habe ihn ein Gericht zwar freigesprochen, doch noch vor dem Gerichtsgebäude sei er erneut verhaftet worden.

„Wir nennen das Poly-Tricks anstatt Politics“, sagt Nyanzi und erklärt, dass People Power nicht mehr an Politik glaube. Die Leute in Anzügen seien einfach „durch und durch korrumpiert“. Ugandas Jugend bringe Musikstars mehr Vertrauen entgegen als Parteien. „Doch jetzt versucht Museveni genau das zu sabotieren“, warnt Nyanzi.

Dann überreicht ihm einer seiner Rotmützen ein klingelndes Handy. Nyanzi stürmt los zu einer Krisensitzung ins Hauptquartier. Erneut ist ein People-Power-Musiker zur Partei von Präsident Museveni übergelaufen, gibt er zu. Es ist bereits das fünfte führende Mitglied, das innerhalb von drei Monaten die Seiten wechselt.

Der Designer der roten Mützen

„Ich habe Angst vor dem Chaos, das auf uns zukommt“, gibt Latif Madoi zu und zieht an seinem Joint. Der international bekannte Designer und Reggaemusiker in grünen Jogginghosen, buntem Hemd und Rastazöpfen runzelt die Stirn. Als einer der ältesten Freunde Wines und Mitgründer von People Power gehört er zu den T-Shirt tragenden Leuten. Madoi kann sich noch gut an 1986 erinnern, als Musevenis Kämpfer die Hauptstadt Kampala einnahmen und seine Familie fliehen musste: „Ich will nicht, dass meine Kinder dasselbe erleben.“

Der 42-Jährige sitzt auf einem Plastikstuhl im Hof seiner Kunstakademie in Kawanda, einem abgelegenen Dorf zwischen Bananenhainen und Maisfeldern, rund 30 Kilometer außerhalb der Hauptstadt. Er kennt Bobi Wine seit rund 20 Jahren. Damals traf sich Ugandas junge Künstlerszene immer dienstagsabends im Nachtclub DV8 in Downtown Kampala zur Karaoke-Show: Bobi übte sich am Mikrofon, Latif Madoi kam mit den Outfits daher. Es war die Geburtsstunde jener Clique von Musikern und Designern, aus der People Power hervorgegangen ist.

Noch bis vor einem Jahr hatte Latif Madoi sein Atelier in Kamwokya nahe dem People-Power Studio. „Doch da gab es ständig Tränengas“, klagt er. Deswegen habe er sich zurückgezogen. Seine neu eröffnete Kunstschule liegt weit weg vom Chaos der Vorstadtghettos, wo er mit Wine groß geworden ist. In der Werkstatt hocken ein Dutzend Mädchen hinter ratternden Nähmaschinen. Graffiti-Künstler haben die Wände in knalligen Farben bemalt, die Bühne und der Laufsteg im Innenhof sind mit bunten Stoffen verziert.

Latif Madois Kunstschule, die er „Reggae-Botschaft“ nennt, erinnert an Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt. „Ich will einen ruhigen Ort schaffen, wo Jugendliche lernen, aus Schrott Geld zu machen“, sagt er. Die Jugendarbeitslosigkeit sei Ugandas größtes Problem. „Sonst wäre People Power nie so groß geworden.“ Wine habe ihm den Posten als Bildungsminister versprochen, sollte er 2021 zum Präsidenten gewählt werden. Madois Idee: Der Jugend an Berufsschulen das Schneidern, Tischlern, Malen und Musikmachen beibringen, „damit sie sich ohne einen einzigen Schilling ein Leben aufbauen können.“ – ganz so wie er und Wine es vorgemacht haben.

Doch die Zugehörigkeit zu People Power werde für ihn langsam zum Problem, gibt Madoi zu. Der Neustart jenseits der Armenviertel sei nicht leicht gewesen. Als er im April 2019 ein Eröffnungskonzert anberaumt hatte und Bobi Wine als Abgeordneter des Walkreises sprechen und singen wollte, stürmten Polizisten das Grundstück und versprühten Tränengas. Mütter und Kinder stoben kreischend davon. Seitdem will niemand mehr seine Kinder hierherschicken. Ugandas Mittelklasse, die sich Madois geschneiderte Kleider leisten kann, ist in der Politik das Zünglein an der Waage: Sie neigt nicht dazu, dem Rapper politisches Vertrauen entgegenzubringen, denn Chaos durch Proteste bedeutet für sie schlecht laufende Geschäfte. „Finanziell ist das für mich richtig hässlich“, gibt Latif zu. „Jeder Ugander muss sich nun entscheiden, auf welcher Seite er steht.“ Dies führe zur Spaltung der Gesellschaft.

Frau mit gelbem Shirt

Jennifer Nakangubi hat die Seiten gewechselt und trägt jetzt gelb Foto: Simone Schlindwein

Noch bis September boomte Madois Modelabel. Er fertigte den Löwenanteil der roten Mützen und roten Outfits. Auch die Garderobe, mit der Wine nach Jamaica geflogen ist, haben Latifs flinke Finge genährt. Doch jetzt zählt er zu den Verlierern des politischen Drucks. „Wir brauchen dringen einen neuen Style – oder wir nähen hier bald gelbe Mützen“, sagt er.

Was als Scherz gemeint ist, ist längst Realität – aber bei den Gegnern Wines: Gelb ist die Farbe von Musevenis Partei, die schon seit Jahrzehnten im Wahlkampf gelbe Mützen verteilt. Knallgelb ist auch das Kleid von Jennifer Nakangubi, die unter ihrem Künstlernamen Full Figure berühmt ist. Ihre nackten Füße stecken in pinken Turnschuhen.

Full Figure hat die Die Seiten gewechselt und trägt jetzt gelb

Die 34-Jährige mit dem blond eingefärbten Irokesenschnitt sitzt in ihrem gelb getünchten Büro an einem leeren Schreibtisch. Vor ihr: zwei Handys, die unablässig blinken. Hinter ihr hängen Porträts an der Wand: von Museveni, dessen Frau und Sohn Mohoozi. Im Schrank stapeln sich Säcke voller gelber Mützen. Vor der Tür parkt ein achtzylindriger Land Cruiser mit Regierungskennzeichen, der von zwei Soldaten bewacht wird. Ihr Büro, mit gelbem Banner der Regierungspartei über der Tür, liegt im Armenviertel Katwe in Downtown Kampala. Rund herum erstrecken sich ungeteerte verschmutzte Straßen, in denen Jugendliche herumlungern: eine People-Power-Hochburg.

Noch bis Oktober war die rundliche Full Figure eine Front Frau von Bobi Wines Bewegung. Immer wenn es darum ging, von der Bühne herunter den Präsidenten und dessen Sohn anzugehen, ließ Wine ihr den Vortritt.

Aber heute ist Full Figure Musevenis gelbe Frontfrau inmitten der Rotmützen. Sie kennt Wine seit ihrer Kindheit, stammt als Waisenkind aus demselben Ghetto, hat im selben Kirchenchor gesungen.

Nach wie vor lässt sie sich ihre Kleider, die mittlerweile ihre Tattoos bedecken anstatt sie zur Schau zu stellen, von Madoi nähen – auch das gelbe, das sie heute trägt, als Symbol ihrer Loyalität gegenüber Präsident Museveni und seiner Partei. Full Figure, die einst Punkfrisuren trug, hat eine komplette Wandlung durchgemacht. Vor dem taz-Interview betet sie zu Gott, er möge den Präsidenten schützen, „der wie Moses gesandt wurde, um Uganda in eine friedliche Zukunft zu führen“.

„Der Präsident hat mich zu seiner Beraterin für Jugend ernannt“, erklärt sie stolz. „Ich soll die Jugendlichen vor Bobi Wine retten und sie zurück zur Schule bringen.“ Erst am Vortag habe sie mit Museveni, der sie „meine Tochter“ nenne, die Strategie besprochen. Ihre Aufgabe sei, „den Jugendlichen zu erklären, dass sie das Land nicht abfackeln sollen“. Ihr ist anzusehen, dass sie die Aufmerksamkeit genießt – auch den neuen Wohlstand. Sie lebt nun in einer schicken Villa am See, nahe der Präsidentenfamilie.

Full Figure, von Bobi Wine zum Präsidenten übergelaufene Künstlerin

„Bobi Wine manipuliert die Jugend, dabei ist er nur auf seinen persönlichen Reichtum und Macht aus“

Für People Power war der Seitenwechsel von Full Figure ein harter Schlag. Die Frau kennt den innersten Kern von People Power wie kaum eine andere. Sie kennt auch die Schwächen der Bewegung – Informationen, die sie jetzt dem Präsidenten höchstpersönlich ins Ohr flüstern kann.

Mit Bobi Wine habe sie noch eine Rechnung offen, gibt Full Figure zu. Sie wirkt sichtlich wütend: „Er manipuliert die Jugend, dabei ist er nur auf seinen persönlichen Reichtum und Macht aus“, sagt sie. Er habe schon vor der Wahl Minister ernannt, dabei werde er die Wahlen niemals gewinnen, prophezeit sie. Aus People-Power-Kreisen heißt es, Wine habe Full Figure keinen Ministerposten zugesagt, deswegen sei sie übergelaufen.

Jetzt zahlt sie es ihm zurück: Sie zeigt auf ein Foto in der Zeitung von der 195-Kilometer Wanderung. Neben Museveni marschiert Full Figure im gelben T-Shirt, wie eine artige Tochter. Auf dem Kopf: ein knallgelber Sonnenhut.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.