Sperma klebt am Handy

Bescheiden witzig erzählt „Effacer l’historique“ des Regie-Duos Benoît Delépine und Gustave Kervern von den Tücken des modernen Lebens (Wettbewerb)

Von Michael Meyns

Eine schöne neue Welt wurde versprochen, alles sollte durch Internet, Smartphones, globale Vernetzung, ständige Verfügbarkeit von Informationen und von Onlinebestelldiensten besser werden. Dass die Realität anders aussieht, die Nachteile inzwischen oft die Vorteile überwiegen, ist keine revolutionäre Erkenntnis mehr, doch genau darum geht es im Wettbewerbsbeitrag „Effacer l’historique“, einem Film des belgischen Regie-Duos Benoît Delépine und Gustave Kervern.

Zum wiederholten Mal sind sie bei der Berlinale zu Gast, zuletzt vor vier Jahren mit „Saint Amour“, was sie in gewisser Weise zu Relikten der Ära Kosslick macht – und so wirkt ihr neuer Film auch: Der Humor ist grobschlächtig, die Sentimentalität kitschig, die Moral überdeutlich.

Um drei Menschen geht es, Ende 40, Anfang 50, die auf unterschiedliche Weise mit der Technik hadern. Christine (Corinne Masiero) war süchtig nach Fernsehen und hat deswegen alles verloren. Nun versucht sie sich als Fahrerin eines Dienstes namens „Hollywood VIP Star Car“, doch ihr Sterne-Rating bleibt konstant auf niedrigem Niveau. Marie (Blanche Gardin), die von ihrem Mann verlassen wurde, lebt allein und versteigert alles, was nicht niet- und nagelfest ist, online. Ein betrunkener One-Night-Stand hat Folgen: Ein Sextape wurde gedreht, Marie wird erpresst.

Schließlich Bertrand (Denis Podalydès), der nicht Nein sagen kann, wenn ihm am Telefon etwas angedreht wird. Nun hat er sich sogar in die Stimme einer Frau aus einem Call-Center verliebt, die dummerweise in Mauritius sitzt. Nebenbei versucht er, seine Tochter zu beschützen, die online gemobbt wird. Wenig wird ausgelassen, was als Aufzeigen des modernen Wahnsinns herhalten mag: vom Lieferanten, der viel zu schwer bepackt und ständig in Eile ist, über endlose Warteschleifen mit Dudelmusik bis zur Notwendigkeit, ein Einschreiben bei einer endlos entfernten Poststelle abzuholen.

Eine Handvoll Pointen zünden, doch insgesamt bleibt die Darstellung einer übertechnologisierten Gesellschaft am Rande des Wahnsinns viel zu oberflächlich. Zu leicht macht es sich diese boulevardeske Klamotte. Wenn schließlich ein Handy an Bertrands Backe klebt, weil es mit Sperma bespritzt ist, weiß man, der Tiefpunkt des bisherigen Wettbewerbs ist erreicht.

25. 2., 10.00 Uhr, Friedrichstadtpalast + 20.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele; 29. 2., 11.00 Uhr, CinemaxX 3