Legendärer US-Kunsterzieher Bob Ross: Mit ihm war alles möglich

Vor 25 Jahren starb der große Mal-Lehrer Bob Ross. Was er uns beibrachte, ging weit über das Aufbringen von Farbe auf Untergrund hinaus.

Bob Ross vor einem seiner Werke Foto: dpa

Am 4. Juli 1995 verstarb der Maler Bob Ross, vielen vor allem bekannt als Moderator des unendlichen Fernsehmalkurses „The Joy of Painting“, der immer noch nächtens im Bildungskanal ARD-alpha läuft. Zwei Würdigungen zum 25. Todestag von Eva Oer und Andrea Maestro

Andacht, Stille, Zuhören

In meinem Elternhaus lief eigentlich immer der Fernseher. Allerdings sah niemand wirklich zu, gleichzeitig redeten nämlich meine Eltern, meine Brüder und ich wild durcheinander, wir ärgerten uns, nervten herum – am lautesten krähte, wer die gerade laufende Sendung sehen wollte und nun die anderen um Stille ankeifte.

Außer bei Bob Ross.

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Bob Ross war Andacht, Stille, Zuhören – zumindest für einen kurzen Moment. Der Fernsehmaler mit Minipli zog uns in den Bann, wenn wir zufällig in seine Sendung zappten. Mit seiner sanften Stimme, friedlich Landschaftsbilder vor sich hin malend und dabei leise erklärend, es gebe keine Fehler, nur „happy little accidents“ – glückliche kleine Unfälle.

Wenn Bob Ross es erklärte, war alles möglich: Jede*r kann malen, schau, diese Wölkchen, sie verstecken sich noch im Pinsel, taptaptap, und da sind sie auch schon. Hier noch ein zweiter kleiner fröhlicher Baum, jeder sollte einen Freund haben, auch der Baum.

Seine Bilder waren süßliche Idyllen, die dem Publikum nichts abverlangten – aber den Zuschauer*innen ging es ja auch nicht nur ums Malen. Bob Ross war der große Fernseh-Hypnotiseur, der still und fast flüsternd Mil­lio­nen von Menschen in einen Zustand sachter Ermattung redete. Ein friedlicher Guru ohne weitere Ansprüche an seine Gefolgschaft als dem, dass die Menschen sich per Pinsel eine fröhliche kleine, friedliche Welt erschaffen würden.

So wie er selbst: Als Bob Ross 1983 seine Fernsehkarriere begann, hatte er bereits eine Militärkarriere hinter sich. So erzählt er in seiner Sendung „The Joy of Painting“, wie er sich damals in der Kunst eine eigene Welt schuf, eine andere als in der Armee: „Es war friedlich, es war ruhig, es gab keinen Ärger, keiner schrie rum, und alles war gut. Auf niemanden würde geschossen werden, niemand wurde verletzt.“

Spätestens als der Mann im immer selben Outfit aus Jeans und Hemd zur Internetberühmtheit wurde, bekam der entspannende Effekt, den er auf viele hatte, auch einen Namen: Als ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response) bezeichnen manche das leicht kribbelnde Wohlgefühl vor allem auf der Haut, das sie von sanft flüsternden Stimmen und manchen leisen Geräuschen bekommen.

Bis 1994 filmte Bob Ross seine Show – und sorgte so für etliche Stunden ASMR-Material. Allein davon, wie er in den Sendungen immer wieder freudig seinen Pinsel auswäscht und abklopft, dabei erklärt, dies sei das Beste am Malen, und jedes Mal erneut leise in sich hineinlacht, gibt es mehrminütige Videozusammenschnitte auf Youtube.

Auch heute noch, 25 Jahre nach seinem Tod, zeigt ARD Alpha regelmäßig seine Folgen, zur besten Zeit für Grübelnde, sich Sorgende, für Menschen mit Schlafproblemen und Albträumen: spätabends, nachts, manchmal in den frühen Morgenstunden. Am 4. Juli vor 25 Jahren starb Bob Ross an Krebs. Wer dies am Samstagmorgen liest, kann sich über den Tag bis zum frühen Sonntagmorgen noch mehr als 15 Folgen ansehen. Absolut nichts wird darin passieren, außer: fröhliche Bäumchen, beruhigende Waldlandschaften, friedliche Sonnenuntergänge. Und „happy little accidents“. Eva Oer

Fluffig getupfte Wölkchen

Wir sind betrunken. Oder bekifft. Im Zweifel beides. Wir starren wie gebannt auf den Fernseher in der Stube unserer Eltern. Liegen mehr auf dem roten Sofa, als dass wir noch sitzen. Es ist weit nach Mitternacht. Plötzlich schreit mein Bruder auf: „Neeeein! Das kann er doch nicht machen.“ Er klingt ehrlich empört.

Bob Ross, der Maler mit dem perfekt geformten Dauerwellen-Afro, dessen Sendung „The Joy of Painting“ samstagnachts immer auf Bayern Alpha lief und Millionen betrunkene Student*innen und Schüler*innen begeistert hat, hat gerade einen dicken schwarzen Strich über seine wunderschön kitschige Landschaft gezogen.

Ein pinkoranger Sonnenuntergang, fluffig getupfte Wölkchen, massive Berge – und davor nun dieser dicke schwarze Balken. Wir, die nicht glauben können, dass dem Malguru Bob Ross ein solcher Fehler unterläuft, lernen hier fürs Leben.

„Happy little accidents“ nennt Ross so etwas. Manchmal schmiert er mit dem Pinsel Flecken auf die Landschaften, mal rutscht ihm der Spachtel ab. Immer wird das Bild am Ende dadurch noch besser. Auch wenn man das am Anfang, egal wie oft man es gesehen hat, nie glauben kann. Aus dem fetten schwarzen Balken wird ein Baum mit schneebedeckten Wipfeln. Prachtvoll.

Ross bringt uns bei, immer das Beste aus einer Situation zu machen. Seine Sendung ist Empowerment pur. Seine Botschaft: Jeder kann malen lernen. Du kannst alles erreichen, solange du daran glaubst. Das sagt er mit einer so beruhigenden, geradezu umschmeichelnden Stimme, dass wir nicht anders können, als ihm zu vertrauen, dass er schon weiß, wovon er da spricht. Zumal wir aufgrund der Substanzen, die wir konsumiert haben, ohnehin recht leichtgläubig sind. Auch der Satz „There is nothing wrong with having a tree as a friend“ kommt uns sehr plausibel vor, solange Bob Ross ihn uns sagt.

Aber Ross hat auch eine schwermütige Seite, die er in der Nacht mit den Kameras teilt. Für das Malen wie für das Leben brauche es Licht und Dunkel. Sie wechselten sich ab, ergänzten sich. Dann sagt er mit melancholisch-leiser Stimme: „I am waiting on the good times, now.“

Als wir das im Fernsehen hören, gefolgt von dem gleichmäßigen Kratzen des Spachtels auf der Leinwand, wissen wir nicht, dass Bob Ross da schon längst tot war. Er ist mit nur 52 Jahren gestorben. An diesem 4. Juli jährt sich sein Todestag bereits zum 25. Mal. Er hat in den 403 Episoden seiner Show wohl genügend Landschaftsbilder mit mächtigen Tannen hinterlassen, um damit den Louvre zu füllen. Uns hat er seine Sicht auf die Welt wie kleine Samen eingepflanzt: „Just let go – and fall like a little waterfall.“ Andrea Maestro

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