Corona-Lockdown vor Weihnachten: Macht zu die Tür

Das Robert-Koch-Institut hat den 20.372. Corona­toten in Deutschland vermeldet. Alles dichtzumachen, sofort, das wäre ein Hoffnungsschimmer.

Icon Bild drucken [In neuem Tab öffnen] 01.12.2020 imago 0107207462 5024x3349 Pixel imago images / photothek Weihnachtsbeleuchtung zeichnet sich in einem Fenster hinter kahlen Baeumen ab in Berlin, 01.12.2020. Berlin Deutschland *** Christmas

Gemütliche Quarantäne: wohl dem, der ein Zuhause hat oder behalten kann Foto: photothek/imago

Am heutigen Donnerstag hat das Robert-Koch-Institut den 20.372. Corona­toten in Deutschland vermeldet. An dieser Zahl lässt sich die Dramatik der Pandemie ablesen. Bis zu den ersten 10.000 an oder mit Corona Gestorbenen dauerte es gut sieben Monate. Die zweiten 10.000 kamen in gerade mal sieben Wochen ums Leben. Und für die dritten Zehntausend wird es wahrscheinlich nur drei Wochen dauern. Also bis Silvester.

Das ist keine Schwarzmalerei, es lässt sich an der Kurve der Neuinfizierten ablesen. Die Kurve der Coronatoten folgt ihr mit rund drei Wochen Verzögerung. Deshalb ist es jetzt schon Fakt, dass um den Jahreswechsel der 30.000. Coronatodesfall gemeldet werden wird. Mit etwas Glück dauert es ein paar Tage länger. Es deutet nur nichts darauf hin. Mit etwas Pech werden wir die Marke schon Weihnachten erreichen. Frohes Fest!

Klingt zynisch? Mag sein. Aber noch zynischer ist das Herumeiern von Kanzleramt und Ministerpräsidenten, die davon träumen, dass sich an den Zahlen etwas ändern könnte. Dabei sagen führende Virologen, dass der Anfang November beschlossene „Lockdown light“ nie und nimmer ausreicht, um die Pandemie zu bekämpfen.

Jetzt redet die Kanzlerin zwar von einem harten Lockdown – aber erst nach Weihnachten. Da stellt sich die Frage: Wie weltfremd kann man eigentlich sein? Denn wer jetzt harte Einschränkungen für in zwei Wochen ankündigt, provoziert doch für die Zeit bis dahin genau das Gegenteil: Viele werden jetzt erst recht an Weihnachten die Familien besuchen. Viele werden sich bis dahin erst recht in die Innenstädte stürzen, um mitzunehmen, was danach nicht mehr geht. Warum auch nicht? Die Regierung hat es doch erlaubt.

Eine sofortige Stilllegung des öffentlichen Lebens passt sogar in die Vorweihnachtszeit: runterkommen, in sich gehen, Besinnlichkeit. Die nebenbei noch Leben rettet

Ein späterer harter Lockdown führt somit in den nächsten zwei Wochen zu unzähligen weiteren Infizierten. Wer das verhindern will, muss ihn sofort verhängen. Damit jetzt die Zahl der Neuinfizierten sinkt. Damit ab Januar weniger sterben.

Ja, das ist hart. Hart für die Gesellschaft. Für die Wirtschaft. Für die Kultur. Für jeden Einzelnen. Aber was ist die Alternative? Ein bis ins Frühjahr anhaltender Lockdown light, der die Zahl der Opfer auf hohem Niveau belässt?

Alles dichtzumachen, ab sofort bis zum Ende der Weihnachtsferien, das wäre ein Hoffnungsschimmer. Nicht weil er die Coronapandemie besiegen würde. Aber wir würden der dritten Welle, die viele Virologen für das kommende Jahr prognostizieren, gelassener entgegensehen. Und dem Impfstoff Zeit geben, Wirkung zu zeigen.

Eine sofortige Stilllegung des öffentlichen Lebens passt sogar in die Vorweihnachtszeit: runterkommen, in sich gehen, Besinnlichkeit. Die nebenbei noch Leben rettet. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Und wer seinen Verwandten in diesem Jahr besonders viel Liebe geben will, der schenkt: physische Distanz.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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