Science-Fiction-Film „Bliss“ auf Amazon: Kristalle der Glückseligkeit

Der Science-Fiction-Film „Bliss“ zeigt Owen Wilson und Salma Hayek zwischen zwei Realitäten. Philosophie-Star Slavoj Žižek hat auch einen Auftritt.

Isabel (Salma Hayek) und Greg (Owen Wilson) sitzen in einer trist-düsteren Bar.

Eine so triste graue Welt wie die in „Bliss“ kann doch kaum wirklich sein Foto: Amazon

Künstliche Paradiese. Das sind laut dem gleichnamigem Essay des französischen Dichters Charles Baudelaire in erster Linie von Opium und Haschisch herbeigeführte Zustände. Wobei er schon in seinem als Vorwort dienenden „Gedicht vom Haschisch“ bekundet, dass „die Dinge der Erde nur wenig Dasein haben“ und dass „es Wirklichkeit nur in den Träumen gibt.“

Und weiter: „Um sowohl das natürliche Glück als das künstliche verdauen zu können, muss man zunächst den Mut haben, es zu verschlucken; und die vielleicht dieses Glück verdienen, denen ist die Glückseligkeit, wie sie die Menschen verstehen, immer als Brechmittel erschienen.“

Der neue Film des US-amerikanischen Regisseurs Mike Cahill, der Science-Fiction-Romanzen-Thriller „Bliss“, erscheint fast wie eine Meditation über Baudelaires Essay. Greg Wittle, der Protagonist, sucht sein Glück am Anfang noch in Psychopharmaka. Man sieht ihn, gespielt von einem grandios neben der Spur agierenden Owen Wilson, wie er untätig in einem anonym-farblosen Büro sitzt. Ein Telefonat mit seiner Tochter gibt Aufschluss darüber, dass er von seiner Frau geschieden ist.

Statt zu arbeiten, zeichnet der mutmaßlich Depressive an seinem Schreibtisch Blätter mit Skizzen voll, ein Haus in idyllischer Landschaft, auf einem anderen eine Frau mit langen dunklen Haaren. Als er zum Chef gerufen wird, greift er erst noch einmal zum Telefon, um neue Tabletten für sich anzufordern, doch sein Rezept, sagt man ihm, ist schon zu oft erneuert worden. Beim Chef erfährt er schließlich, dass er gefeuert ist.

„Bliss“. Regie: Mike Cahill. Mit Owen Wilson, Salma Hayek u. a. USA 2021, 103 Min. Läuft ab 5. Februar auf Amazon

Kurz darauf passiert etwas Unvorhergesehenes. Der Boss ist tot, Greg flieht panisch aus dem Büro und in die nächste Bar gegenüber. Dort spricht ihn die etwas ungepflegt erscheinende Isabel an. Sie gibt ihm kurzerhand zu verstehen, dass er und sie „echt“ seien, die meisten anderen Menschen um sie herum jedoch nicht. Sie lebten in einer großen Simulation und sie wolle ihm helfen.

Mit Substanzen die Welt manipulieren

Isabel, von Salma Hayek gegeben, hat aber nicht allein Geheimwissen über die Welt zu bieten, sie verfügt zudem über Substanzen, die wie gelbe Diamanten aussehen, mit denen sie die simulierte Welt manipulieren kann. Das beeindruckt Greg, man schmeißt gemeinsam eine Runde, geht kurz darauf zur Rollschuhbahn, um dort die anderen durch bloßen Fingerzeig zu Fall zu bringen. Ein großer Spaß für das neue Paar und für die Zuschauer ebenso. Das alles mit einem Minimum an Special Effects.

Um Greg vor der Polizei zu verstecken, da er seines toten Bosses wegen gesucht werden könnte, nimmt Isabel ihn erst einmal zu sich. Sie lebt wie eine Obdachlose in einer sperrmüllartigen Zeltkonstruktion, nahe am Fluss der namenlosen, in blassgrauen Tönen gehaltenen Stadt, hinter Brücken vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen. Greg nimmt das alles ziemlich widerstandslos hin, auch dass sich Isabel in einer seiner Zeichnungen wiedererkennt und ihm offenbart, sie gehörten zusammen.

Cahill erzählt diese Geschichte einer ungleichen Begegnung, bei der zunehmend unklar ist, ob Isabels Verschwörungstheorie nun wahr ist oder nicht, wie die Ballade zweier Junkies, bei denen besonders Salma Hayek immer wieder mit abhängigkeitstypischen Anfällen Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Erzählung nährt. Alles eine drogeninduzierte Wahnwelt? Irgendwann ist für Isabel jedenfalls ein Punkt erreicht, an dem sie meint, Greg die Realität noch einmal zeigen zu müssen. Mithilfe von anderen, blauen Kristallen.

Der Wechsel in die nächste Welt hat verschiedene filmische Vorbilder. Am bekanntesten ist „Matrix“ der Wachowskis von 1999. Cahills hirnwindungsstrapazierendes Verwirrspiel mit den Ebenen ähnelt vor allem aber Rainer Werner Fassbinders Simulationsklassiker „Welt am Draht“ (1973) nach dem Science-Fiction-Roman „Simulacron-3“ von Daniel F. Galouye.

Verdächtig perfekte „echte“ Welt

So ist nach dem Ausflug in die „echte“ Welt, die, so ganz ohne soziale Ungerechtigkeit oder Umweltnöte, verdächtig perfekt und farbenfroh wirkt, für Greg kaum noch zu unterscheiden, welche der beiden künstlich ist und welche nicht. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Cahills Erzählung nicht ohnehin näher an Baudelaires Meditation über die Wirklichkeit des Rausches ist. Immerhin müssen Greg und Isabel ständig synthetische Stoffe schlucken, um ihre Form der „Glückseligkeit“, so die Übersetzung des englischen Titels, zu erlangen. Suchtwirkung inklusive.

Cahill gelingt dabei nicht allein eine elegante Verwirbelung der zwei Ebenen durch optische Fallstricke, er lässt in der paradiesischen „echten“ Welt auch diverse Figuren als Hologramme auftreten, was für zusätzliche Irritationen sorgt.

Sogar der Philosoph Slavoj Žižek hat einen Cameo-Auftritt als solch ein Hologramm. Er präsentiert als Theorie-Zitat seine auch außerhalb der fiktiven Grenzen des Films von ihm vertretene Ansicht zur Hölle als einem Ort großer Ausschweifungen, der bloß gelegentlich mit Ansage vom Himmel aus observiert wird. Für diese kurzzeitige Kontrolle von oben unterbrächen die Sünder dann ihre Orgien, um zu simulieren, sie würden in der Hölle leiden.

In den ersten Bildern des Films sitzt Greg an seinen Zeichnungen eines Hauses und einer Frau. Dazu spricht er aus dem Off, dass er sich nicht sicher sei, ob diese Dinge echt seien. Er habe aber ein Gefühl bei ihnen. Und das Gefühl sei echt. Auch das eine Art künstliches Paradies, eines mit Wirklichkeit.

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