Neues von HipHop-Produzent Farhot: Auf Wurzelsuche mit dem Sampler

Der Produzent Farhot hat ein neues Album rausgebracht. In „Kabul Fire Vol. 2“ bildet er postmigrantische Lebenskultur überzeugend ab.

Der hanseatische HipHopper Farhot blickt konzentriert in die Ferne

Von Hamburg bis Kabul und zurück: Rapproduzent Farhot hat ein neues Album rausgebracht Foto: Caroline International

Orientalische Samples und Referenzen sind im HipHop schon länger verbreitet. Ist es doch ein Genre, das anteilig auf Nerdtum aufbaut. Und HipHop-Nerds suchen gerne nach entlegenen Klangquellen für ihre Samples, damit die darauf fußende Musik möglichst eigenwillig klingt. Die ernsthafte kulturelle Auseinandersetzung mit dem Ausgangsmaterial rückt dabei jedoch meist in den Hintergrund.

Das zweite Soloalbum des 37-jährigen Hamburger Produzenten Farhot, der mit bürgerlichem Namen Farhad Samadzada heißt, ist frei von Exotismus und orientalischen Klischees. Farhot hat bereits für Haftbefehl, Max Herre und den US-Rapper Talib Kweli produziert, alles im Homestudio, das im Haus seiner Eltern untergebracht ist. Für „Kabul Fire Vol. 2“ hat er sich nun selbst auf Spurensuche begeben, an seinen Geburtsort Kabul, um seine Verwobenheit mit der Geschichte Afghanistans zu erforschen.

Sampling ist dabei mehr als nur Nerdtum, es dient Farhot als Praxis, um kulturelle Fragmente neu zusammenzusetzen. Sein Album vereint Klangschnipsel aus der traditionellen Musik Afghanistans mit Filmzitaten und Gedichten der jüngeren Geschichte des Landes. Durch die Collagetechnik verschafft sich Farhot neue Zugänge zur Kultur seines Geburtsorts.

Brüche und Zirkel

Dass seine diasporischen Erfahrungen nicht immer geradlinig oder einheitlich sind, davon erzählen die Brüche und Zirkel der Musik auf „Kabul Fire Vol. 2“. Etwa wenn das Pianothema aus dem erhebenden Intro „Bale Bale“ sowohl auf dem zentralen „Azadi“ (Freiheit) wiederkehrt, um das Album schlussendlich im Outro „Shirin“ zu beenden.

Farhot: „Kabul Fire Vol.2“ (Kabul Fire/Caroline International/Universal)

Brüche zeigen sich beispielsweise in den perkussiven Elementen des Stücks „Kalun“ (Viel), in dem Worte einer Mutter, die ihrem Kind ein Leben in Fülle wünscht, zu hören sind. Reibung entsteht, wenn die Tiefe des Basses auf „Kishmish“ (Rosine) an die Süße des klimpernden Pianos gerät und der Track „Ahange Qadimi“ (Alte Musik) zwischen verschiedenen Samples hin und her springt, ohne an Energie zu verlieren.

Vielperspektivität ergibt sich auch durch Gastbeiträge der Rap­pe­r:in­nen und Sän­ge­r:in­nen JuJu Rogers, Nneka, Maverick Sabre und Tiggs Da Author, die teils zur Hamburger Szene gehören, teils in London leben. So ruft JuJu Rogers in „Check“ zum Kampf für soziale Gerechtigkeit auf, während Nneka auf dem gleichen Titel an die Wichtigkeit der Selbstliebe erinnert.

„Kabul Fire Vol. 2“ klingt dann besonders gelungen, wenn es sich nicht zur Eindeutigkeit hinreißen lässt. Das Thema Freiheit gewinnt auf „Azadi“ an Ambivalenz, wenn das zentrale Pianomotiv zunächst von suchenden, fast verlorenen Snaredrumschlägen untermalt wird, bevor sich der Song nach einer Gesangsunterbrechung zum gewichtigen, strukturierten Beat entwickelt. Er gerät erst wieder ins Stolpern, als ein Filmzitat eingespielt wird, das einen exotisierenden westlichen Blick auf die Stadt Kabul präsentiert.

Sound erfordert Konzentration

Ist dieses Album auch ein Zeugnis Farhots ganz eigener Nachforschungen, so betont die Hamburger Künstlerin Moshtari Hilal auf „Sampling Watana/Biya Bachem“ das Potenzial von Sampling zur Erkundung kollektiver Erfahrungen. So lässt sich der zweite Teil des Titels dann auch mit „Komm, mein Kind“ übersetzen. In Hamburg, dem Wohnort von Hilal und Farhot, dürften diese Überlegungen auf großen Anklang stoßen, ist die Kulturszene der Stadt doch durchaus migrantisch geprägt.

Ähnlich angenehm, wie „Kabul Fire Vol. 2“ das Publikum an der Hand führt, so abrupt endet es auch nach einer kurzen Hymne auf die Schönheit des Lebens. Und beginnt nahtlos wieder von vorne. Auch beim zweiten und dritten Hören der Musik bleibt sie spannend, man erkennt immer wieder neue Details, Brüche und Referenzen und auch diese wollen erforscht werden.

Farhots Sound erfordert Konzentration. Wer sich aber auf die Klangwelt des Hamburger Künstlers einlässt, kann Farhot auf dessen musikalischer Wurzelsuche direkt begleiten und viel über Motive und Strategien postmigrantischer Gegenwartsbewältigung erfahren. Und außerdem ist es eines der besten instrumentalen HipHop-Alben der letzten Zeit.

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