Festival für Neue Musik: Es ist wieder an der Zeit

Am Freitag startet die MaerzMusik. Dabei werden in dem „Festival für Zeitfragen“ auch liegen gebliebene Fäden vom vergangenen Jahr aufgenommen.

Die MusikerInnen vom Ensemble Mosaik in einem Bildbogen

Schon auch ein Starschnitt-Festival: Das Ensemble Mosaik kommt zur MaerzMusik Foto: Anja Weber

Es ist vielleicht nicht ganz angemessen, für den hier notwendigen Blick zurück zuerst einen Schlagersänger zu Wort kommen zu lassen. Obwohl es doch um die Neue Musik gehen soll. Egal. Dieser Schlagersänger, Barry Ryan nämlich, hatte damit einst auch in der ZDF-Hitparade seinen Auftritt, wo er dann sang: „Zeit macht nur vor dem Teufel halt“. Dabei sollen jetzt weniger die fastphilosophischen Textstellen in dem Lied wie „Denn die Zeit ist das, was bald geschieht“ oder, noch schöner, „Heute ist schon beinah' morgen“ interessieren, sondern die Schlagzeile mit dem Teufel.

Und da ist der Bezug zu der Neuen Musik schlicht der, dass sich die um die Zeit und Zeitfragen kümmernde MaerzMusik genau das machen musste vor einem Jahr. Halt. Die laufende Maschine stoppen. Weil auch das von den Berliner Festspielen veranstaltete „Festival für Zeitfragen“ als Plattform für Neue und experimentelle Musik an diesem teuflisch kleinen und pandemisch sich ausbreitenden Virus nicht vorbei kam. Corona machte die bereits komplett vorbereitete Festivalausgabe 2020 zur Makulatur.

Der „Beginn der Zeit“ sollte im vergangenen Jahr das thematische Leitmotiv sein, in diesem Jahr steht das online stattfindende Festival unter dem Motto „Das Ende der Zeit“. Und folgt man der Logik von Berno Odo Polzer, dem künstlerischen Leiter von MaerzMusik, dass die einzelnen Festivals seit 2015 wie die Kapitel eines Buches gedacht seien – „eine Erzählung über unseren Umgang mit Zeit, die sich über Jahre erstreckt“ –, dann müsste in dieser Erzählung jetzt eine Lücke klaffen. Weil halt die Ausgabe mit dem „Beginn“ fehlt.

So chronologisch aber will man das mit der Zeit bei der MaerzMusik gar nicht sehen erstens, und zweitens ist es auch bei dem am Freitag startenden Festival zu einer Verschmelzung von Programmpunkten gekommen. Damit wird der „Beginn“ jetzt halt nachgeholt in diesem Jahr, etwa in einem gemeinsamen Projekt von MaerzMusik mit dem Kunstraum Savvy Contemporary zu Halim El-Dabh, einem der Väter der elektronischen Musik. Der experimentierte schon in den 40er Jahren im heimischen Kairo mit einer Musique concrète, bevor er dann 1950 in die USA ging. Mit Konzerten, Lectures und einer großen Ausstellung – „Here History began“ – wird an den doch eher im Halbschatten stehenden Pionier erinnert.

MaerzMusik 19.-28. März, online unter www.berlinerfestspiele.de

Eine Verschmelzung auch gleich das Eröffnungsprojekt „Environment“ am Freitag, in dem sich die pandemischen Spuren besonders intensiv eingeschrieben haben: Geplant bereits als Festivaleröffnung 2020, mussten die Mu­si­ke­r*in­nen der Ensembles Phønix16 und des Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos aus Bolivien nach der Absage des Festivals in eine fast dreimonatige Zwangsquarantäne an der Musikakademie Rheinsberg. Dort entstanden Dokumentar- und Experimentalfilme sowie eine multimediale Bühnenperformance, die nun ihre Premiere haben. Und wenn schon auf ein dabei anwesendes Publikum verzichtet werden muss, will man bei MaerzMusik wenigstens für die dann daheim an den Rechner Sitzenden einen kleinen Vorsprung durch Technik erzielen, etwa mit einer 360°-Kamera, die hier zum Einsatz kommt.

Das komplette Festival vom 19. bis 28. März mit seinen Uraufführungen und Filmpremieren – wie etwa dem in den Spreehallen aufgenommenen Konzertfilm mit dem Ensemble Mosaik, das mit „time. cage“ eine Komposition von Manuel Rodriguez Valenzuela spielt, in der er sich von der Vorstellung des Eingeschlossen-Seins anregen ließ – findet im digitalen Raum statt. Zugang zum MaerzMusik-Festivalstream verschafft ein Festivalpass, den es kostenlos gibt. Wer will, darf aber gern etwas dafür zahlen.

Natürlich hätte man bei der MaerzMusik nichts dagegen gehabt, wenn das gern zahlende Publikum auch wirklich anwesend hätte sein können bei den Konzerten. Dass sie noch bis Januar drei parallele Festivalplanungen am Start gehabt hätten, sagt Berno Odo Polzer. Er sagt aber auch, dass ihnen von Beginn an klar war, „dass das Festival rein digital funktionieren muss“.

Eine Vorsichtsmaßnahme, die auch dazu zwingt, dass man Musik und ihren Umgang damit ein wenig anders denkt. Und Distanzen aushält. Geht ja gerade kaum anders. Hat schon Barry Ryan gesungen damals: „Die Zeit, die trennt auch jeden Sänger und sein Lied“.

Dass die Pandemie „uns allen gezwungenermaßen ein neues Zeitgefühl beschert“ hat, sagt Berno Odo Polzer. Und dass es bei dem diesmal gezwungenermaßen digitalen Festival darum gehen könnte: „Eine Reflektion des Zeitempfindens“. Mit und über Musik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.