Und dann auch noch Krähen

Dunkler, harter und morbider Stoff: „Ara“ ist ein Kurzfilm mit Attila Csihar, bekannt von der Black-Metal-Band Mayhem, im Digitalprogramm der Volksbühne. Es geht um rituelle Praktiken, um Altäre und um den Glauben in Krisenzeiten

Von Jens Uthoff

Für seltsame Geräusche aus der Rachengegend ist Attila Csihar bekannt. Der Ungar ist Sänger der skandalumwitterten und alles andere als unproblematischen Black-Metal-Band Mayhem, die mit „De Mysteriis Dom Sathanas“ (1993) vielleicht den Genre-Klassiker schlechthin einspielte. „Sein Gesangsstil reicht von Opernhaftem bis zum bestialischen Knurren. Am besten klingt er, wenn sein Gesang sich anhört, als würde er kotzen“, schrieb der Guardian damals über seinen Stil. Csihar trat zudem als Sänger der Drone-Doom-Band Sunn o))) in Erscheinung, unter dem Namen Void Ov Voices experimentiert er solo mit seiner Stimme.

Ein weiteres Projekt hat ihn nun nach Berlin geführt, genauer gesagt an die Volksbühne und auf die Museumsinsel. Dort spielt der Kurzfilm „Ara“ (lateinisch für „Altar“), in dem Csihar als Priester mit schwarzer Kutte durch Mitte läuft und unter anderem vor dem Pergamonmuseum haltmacht. Eigentlich sollte die Arbeit, die er gemeinsam mit der Kuratorin Elena Sinanina entwickelt hat, als Performance zu sehen sein, aufgrund von Corona-Unwägbarkeiten wurde ein Film daraus. Von heute an ist er auf „dringeblieben.de“ zu sehen.

„Ara“ ist ein Kurzfilm, der sich mit rituellen Praktiken und der (religiösen) Funktion des Altars beschäftigt – deshalb der Gang zum Pergamonmuseum. Die Kamera begleitet den Priester, wie er dort anhält, wie er weiter zum Bodemuseum zieht und durch die Säulengänge an der Alten Nationalgalerie streift, dabei schwenkt er die ganze Zeit ein Weihrauchfass. Und er grunzt und grummelt, röchelt und röhrt vor sich hin, murmelt und spricht in Fantasiesprache, man meint Wörter wie „Mortale“ oder „Dämon“ zu vernehmen. Zwischendurch erklingt Kehlkopfgesang. Um ihn herum schwirrt eine Frau (Maria Buzhor), sie trinkt aus einem Kelch, stellt eine Kerze auf.

Dass dann Krähen über das graue, vom Schneeregen gezeichnete Berlin-Mitte kreisen und sich lauthals zu beschweren scheinen, gibt dem Ganzen eine noch unheimlichere Note. Das coronabedingte Geisterstadt-Setting ebenfalls. Der Film hat dabei durchaus auch mit der Pandemie zu tun.

So ist im Großen Fries des Pergamonaltars ja der Kampf der olympischen Götter mit den Giganten abgebildet, der gemeinhin auch verstanden wird als Kampf der (göttlichen) Ordnung gegen die chaotischen Naturkräfte in Gestalt der Giganten. Woran Menschen glauben, gerade in Zeiten schwerer Krisen, scheint überdies ein übergeordnetes Thema zu sein: der Altar als symbolischer Ort, den man aufsucht, um den Kontakt zum Göttlichen herzustellen. Dann werden länglich einige apokalyptische Verse zitiert, die dem russischen Wanderprediger und angeblichen Geistheiler Grigori Rasputin zugeschrieben werden; hier könnte man einen Bezug zur fortdauernden Zerstörung des Planeten durch den Menschen sehen („There will come a time when the sun will weep and its tears will fall to earth as feary sparks, burning plants and people …“).

Das alles ist dunkler, harter, morbider Stoff, mit ein bisschen Humor kann man dem Ganzen aber auch Komisches abgewinnen – etwa, wenn mal Passanten stehen bleiben und den schwarzen Mann irritiert anblicken oder wenn Jogger durchs Bild laufen. Gegen Ende siegt übrigens der weltliche Altar, könnte man sagen, denn da sieht man Csihar, wie er durch die Gänge der Volksbühne irrt und in der dortigen Bühne den Altar findet. Stimmlich läuft er noch mal zu Hochform auf, man hört es knarren und brummen, dazu gesellt sich eine hohe Frauenstimme. Dann Cut, und das verstörende filmische Spektakel ist vorbei.

„Ara“, Stream ab 21. 5. auf dringeblieben.de, 8/5 Euro