Bundesparteitag der Linkspartei: Rotkäppchensekt für den Frieden

Mit großer Mehrheit stimmen die Delegierten für die Forderung, die Schaumweinsteuer abzuschaffen. Denn die sei ein „Symbol des Militarismus“.

Linksfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali trinkt beim Parteitag aus einem Becher mit der Aufschrift "Echt heiß! Die Linke"

Angesichts der Temperaturen ist auf dem Linksparteitag in der Praxis eher Wasser als Sekt angesagt Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Fast alle Änderungsanträge sind bisher auf dem zweitägigen Bundesparteitag der Linkspartei durchgefallen. Doch ausgerechnet die Forderung nach Abschaffung einer Steuer schaffte es mit großer Mehrheit ins Wahlprogramm: Mit 223 Ja- gegen 99-Nein-Stimmen bei 23 Enthaltungen entschieden sich die Delegierten am Samstagabend dafür, die Schaumweinsteuer kippen zu wollen – als Akt des Antimilitarismus.

Eingebracht hatte den Antrag die Linksjugend ['solid]. „Dieses Programm ist unsere Chance, einen Wechsel in eine feuchtfröhliche Zeit einzuleiten, denn ja, der Klassenkampf wird auch am Stammtisch geführt“, begründete Bun­des­spre­che­r:in­nen­rats­mit­glied Michael Neuhaus in einem wohlformulierten Redebeitrag die Initiative.

Neuhaus erinnerte daran, dass die Schaumweinsteuer 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt worden war. „Erst knallten die Korken, dann die Kanonen“, parolisierte er. Daher sei sie ein „Symbol des Militarismus“. Wer „von der Schaumweinsteuer nicht reden will, sollte deswegen auch vom Frieden schweigen“, sagte das 28-jährige Nachwuchstalent, das dem Leipziger Stadtrat angehört.

Außerdem sei die Steuer „im Kern ein lustfeindlicher Angriff auf das freie, selbstbestimmte Leben“. Sie trage dazu bei, „dass die Perlen der Spirituosenwelt ein Statussymbol der Bourgeoisie“ seien, sagte Neuhaus. Der Konsum von guten Getränken dürfte „nicht länger eine Frage des finanziellen oder kulturellen Kapitals sein“, forderte er. „Als Linke können wir das nicht länger hinnehmen.“ Nieder die Klassen, hoch die Tassen!

Für den Parteivorstand plädierte Bundesvorstandsmitglied Axel Troost für die Ablehnung des Antrags. „Ich glaube nicht, dass wir wirklich gut damit wegkommen, wenn anschließend die Bild-Zeitung sagt: ‚Linksjugend kann jetzt verbilligt Rotkäppchensekt saufen‘“, warnte der Ökonom. „Wir haben andere, wir haben dringendere Punkte, wo wir in Richtung sozialen Ausgleichs gehen wollen“, sagte Troost staubtrocken.

Unterstützung fand der Schaumwein-Antrag hingegen bei der Bundestagsabgeordneten Caren Lay. Alleine der Hinweis auf das militaristische Motiv, das einst zur Einführung der Steuer geführt hat, sollte „Grund genug sein, für die Abschaffung zu stimmen“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Außerdem erinnerte Lay daran, dass es in der DDR keine Sektsteuer gab und Österreich sie gerade abgeschafft hat. „Ich finde, daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen“, sagte sie. „Nieder mit der Schaumweinsteuer!“

Den letzten Ausschlag für das überraschend eindeutige Votum zugunsten des Linksjugend-Antrags könnte Thüringens Multiminister Benjamin-Immanuel Hoff gegeben haben. „Ihr habt eine Minute Zeit für die Abstimmung über Sekt statt Selters“, eröffnete er als Tagungsleiter die Abstimmung.

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