Geplantes Herumlungern

Seltsam hineingeborgt: Auf dem „Park Platz“ vor der Berlinischen Galerie beschäftigen sich Künst­le­r:in­nen mit subkulturellen Praktiken

Von Tom Mustroph

Die Berlinische Galerie entdeckt die Kulturtechnik des Abhängens. Dazu hat sie in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro c/o now einen Teil ihres Parkplatzes in einen Kunstort umfunktioniert. Unübersehbares Zeichen dieser Transformation ist ein bunt glitzerndes und vor allem nachts hell leuchtendes Tor.

Es erinnert an fernöstliche Pavillons, die zu religiöser wie kommerzieller Betätigung einladen, und ist mit der viel versprechenden Aufschrift „Bodies in Alliance“ überschrieben.

Geschaffen wurde das Tor von der italienischen Künstlerin Marinella Senatore, und tatsächlich sind derartige Lichtinstallationen auch im Zusammenhang mit religiösen Festen vor allem in Süditalien verbreitet. Während sich dort vor allem im Zuge der Prozessionen die Menschen nur so drängen und daher den Eindruck von „alliierten Körpern“ auch ganz prächtig erzeugen, bleibt es hinter dem Eingangstor des umfunktionierten Parkplatzes doch recht leer. Das quietschbunte Sitzmobiliar, das der in Polen gebürtige, jetzt in Kanada lebende Künstler Przemek Pyszczek in Anlehnung an Plattenbau-Zwischenraum_Beglückungsobjekte altsozialistischer Prägung entworfen hat, bleibt so unberührt, wie es in den meisten Proletenschlafstätten auch blieb. Einziger Unterschied: Die Farben der Post-Post-Moderne haben mehr Leuchtkraft als die sozialistischen Chemieprodukte.

Zwei in klassisches Schwarz-weiß gekleidetete Aufsichtskräfte der Kunstinstallation sorgen dann auch dafür, dass die Szene der Sprüherinnen und Sprüher sich hier noch nicht so austoben konnte wie in Marzahn oder dem Märkischen Viertel. Aufmerksam macht das auch auf das problematische Verhältnis von einer Kunstinstitution, die sich wohlmeinend und interessiert der Straßenkultur widmet, und der Straßenkultur selbst.

„Park Platz“ will das Loblied des Lungerns und Cruisens singen. Vor allem die sexuellen Körperflüssigkeitsaustauschpraktiken haben es den Künst­le­r*in­nen angetan. Auf dem Boden kann man Kreidekreise und -kringel verfolgen, die die Berliner Video- und Performancekünstlerin Liz Rosenfeld dort aufgebracht hat, und die sich zuweilen zu Abbildungen männlicher Geschlechtsorgane formieren und den Weg zu einem Kreis zeigen, der im Begleittext als „Glory Hole“ – glorioses Loch – bezeichnet wird. Rosenfeld bezieht sich in ihrer von Performances begleiteten Arbeit aufs Cruising, also die lange Zeit vornehmlich von schwulen Männern gepflegte Suche nach schnellen Sexpartnern. Dass man die jetzt dort findet, erscheint aufgrund der Anwesenheit des Aufsichtspersonals eher unwahrscheinlich.

Seltsam hineingeborgt in den kunstinstitutionellen Draußenspielplatz wirkt auch der Laufsteg aus bunten Keramikfliesen, die der in Brasilien geborene und in Bremen ausgebildete Künstler Lucas Odahara in Erinnerung an legendäre schwule Partys in den 1980er Jahren in Rio Branco in Brasilien geschaffen hat.

„Park Platz“ zeigt, wie schwer es ist, fluide und ephemere Praktiken subkultureller und nicht selten kriminalisierter Kontexte, die im Rückblick oft Gefahr laufen heroisiert zu werden, ins Ökosystem der institutionalisierten Kunst zu überführen. Die Schlussfolgerung wäre nicht, es gar nicht mehr zu versuchen, sondern eher die Problematiken des Transfers stärker herauszuarbeiten.

Bemerkenswert ist „Park Platz“ vor allem als Reaktion auf die künstliche Verknappung von Kunst durch die Pandemiebestimmungen. Die Arbeiten sind allesamt im Freien zugänglich, Aerosole können verdampfen. Und wenn in der viel beschworenen und viel befürchteten vierten Welle mal wieder wenig erlaubt sein sollte, klappt es vielleicht auch mit dem Herumlungern auf diesem „Park Platz“. Für Abstände sorgt dann gewiss das Aufsichtspersonal.

Bis 20. September, Berlinische Galerie