Karlsruher Urteil zum Rundfunkbeitrag: Kein Selbstbedienungsladen

Das Bundesverfassungsgericht hat den Einfluss von einzelnen Bundesländern auf ARD und ZDF eingeschränkt. Doch Kontrollmöglichkeiten bleiben.

Caren Miosga und Ingo Zamperoni.

Aushängeschild der öffentlich-rechtlichen Sender: die Nachrichten (hier die ARD-Tagesthemen) Foto: Thorsten Jander/NDR

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Schutzpatron. Seit Jahrzehnten hält das Bundesverfassungsgericht seine Hand über ARD, ZDF und Deutschlandradio. Obwohl die öffentlich-rechtlichen Sender im Grundgesetz nicht einmal erwähnt sind, haben die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen ihnen in vielen Urteilen eine Existenz- und Entwicklungsgarantie zugesichert.

Auch in der aktuellen Entscheidung geht es um diesen Schutz. Die Rundfunkfinanzierung, die über Staatsverträge der Länder geregelt wird, darf von der Politik nicht dazu genutzt werden, auf Inhalte und Strukturen der Sender Einfluss zu nehmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt erneut bekräftigt und entsprechende Versuche von Sachsen-Anhalt zurückgewiesen. Der Rundfunkbeitrag wird nun erhöht.

Dabei sind die öffentlich-rechtlichen Sender keine Selbstbedienungsläden, in denen auf Kosten der Bei­trags­zah­le­r:in­nen beliebig viel Geld ausgegeben werden kann. Die Sender können zwar ihren Bedarf anmelden, ob dieser gerechtfertigt ist, entscheidet aber die unabhängige KEF-Kommission. Und diese Kommission ist durchaus streng. Sie genehmigt längst nicht alle Wünsche und verlangt oft sogar Einsparungen.

Dennoch ist die Diskussion legitim, ob Strukturen der öffentlich-rechtlichen Sender verschlankt werden können. Brauchen etwa die Klein-Bundesländer Bremen und Saarland eigene ARD-Anstalten, während sich viel größere Bundesländer wie Baden-Württemberg längst mit Nachbarn zusammenfanden?

Transformation im Gange

Solche Strukturreformen sind schon deshalb erforderlich, weil der öffentlich-rechtlich Rundfunk seine Grundversorgung in den nächsten Jahrzehnten immer mehr ins Internet verlagern wird – nicht nur mit Bild- und Ton-Berichterstattung, sondern auch mit Texten. Die Transformation ist längst im Gange.

Das öffentlich-rechtliche System steht vor enormen Umbrüchen. Doch dass damit dessen demokratische Anbindung verloren geht, muss man nicht fürchten. Das Bundesverfassungsgericht hat nun zwar die Möglichkeiten einzelner Länder reduziert, über die Beitragsschraube Einfluss zu nehmen. Selbst mit zulässigen sozialpolitischen Argumenten wie der Coronanotlage kann kein Bundesland mehr ein individuelles Veto einlegen. Das können nur alle Ländern gemeinsam tun. Diese Hürde liegt sehr, sehr hoch.

Allerdings werden in der Rundfunk-Politik in den nächsten Jahren noch viele Staatsverträge verhandelt, beschlossen und ratifiziert werden. Den Länder bleibt genug Einfluss. Von den ­konservativen Rundfunk-Politiker:innen in ­Sachsen-Anhalt wird man noch mehr hören, als man heute denkt.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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