Wie unzynisch es doch mit den Büchern sein kann

Notizbuch: eine nachgereichte Idylle zum diesjährigen Sommerfest mit dem Verlag dtv im LCB

Schnell ist man dabei, von einer Rückkehr zur Normalität zu reden. Aber das stimmt natürlich gar nicht

Helga Schubert war der Star, ach was, die Königin am vergangenen Wochenende im LCB. Für das Sommerfest, das dieses Jahr von ihrem Verlag dtv ausgerichtet wurde, hatte sie ihren Garten in Neu Meteln, den sie zwischen Stockrosen und Obstbäumen bewohnt, verlassen, um in dem zum Wannsee hin abfallenden Garten des Literarischen Colloquiums in Berlin – ja, um was eigentlich? Um Hof zu halten, trifft es nicht. Um sich feiern zu lassen, auch nicht. Um ihre Le­se­r*in­nen zu treffen, ist wiederum zu wenig. Jedenfalls war es berührend zu sehen, wie interessiert alle an ihr waren und wie sehr sie sich wiederum daran freute.

So konnte man sich an diesem Sonnabend, der kühl begann und noch freundlich wurde, endlich einmal wieder den Eindruck abholen, wie einfach, selbstverständlich und unzynisch es mit den Büchern sein kann. Jemand macht sich und der Leserschaft seine Lebenserfahrungen zugänglich. Es gibt Menschen, die sich dafür interessieren und, wenn sich die Gelegenheit ergibt, die gefühlte Nähe zur Autorin auch in der Realität umsetzen wollen. Heraus kommt etwas Schönes, zu dem der Begriff „Event“ nur schlecht passt. Neben Helga Schubert lasen Dora Heldt, Alena Schröder, Lukas Rietzschel und Ingo Schulze auf dem Fest.

Überhaupt kamen starke Idylle-Vibes rüber. Viele der Be­su­che­r*in­nen hatten sich coronabedingt länger nicht mehr gesehen, so gab es etwas zu erzählen. Da dtv in München beheimatet ist, gab es bayerische Spezialitäten und helles Bier. Die Verlegerin hatte gute Laune, dazu hat sie nach dem erstaunlichen Erfolg des Verlags, der längst nicht mehr nur für Taschenbuch-Zweitverwertungen steht, auch allen Anlass. Der Verlegerinnenhund tollte mit seinen langen Beinen und goldbraunen Locken mal hierhin, mal dorthin. Der Wannsee schimmerte, die Bäume rauschten.

Man ist ja bei den nun zum Teil wieder anlaufenden Präsenzveranstaltungen schnell dabei, von einer Rückkehr zur Normalität zu reden. Aber das stimmt natürlich gar nicht. Es ist eben zurzeit immer noch nicht normal, sich zu treffen; es ist vielmehr etwas Besonderes. Und wer weiß auch, ob das im Herbst oder spätestens im Winter noch möglich sein wird. Sobald das Wort Buchmesse fiel, schaute man in eher ratlose Gesichter. Der Wille, im Oktober in Frankfurt etwas zu machen, ist zwar da. Aber so richtig vorstellen, wie das genau ablaufen wird, kann sich noch keiner. Als Helga Schubert an einem vorbeiging, war es einem aber auch erst mal egal. Dirk Knipphals