Koalitionsoptionen der Grünen: Jamaika ist keine Reise wert

Eine Jamaika-Koalition mag kurzfristig verlockend scheinen. Für eine ökologische Erneuerung ist sie aber sicher nicht die richtige Paarung.

Wahlplakate mit den Gesichtern von Annlena Baerbock und Armin Laschet werden abgebaut

Natürlich müssen die Grünen jetzt machttaktisch agieren Foto: Fabian Bimmer/reuters

Es gibt eine ganze Kaskade verlockender Argumente für Jamaika, bei den Grünen werden sie von der Spitze weg eifrig erzählt: Olaf Scholz muss um die FDP werben, warum sollte nicht ein waidwunder Armin Laschet um die Grünen buhlen dürfen? Im Koalitionsvertrag könne deshalb mehr ausgehandelt werden als in einer Ampel, ein Tempolimit, eine grüne Bundestagspräsidentin, Herzensministerien. Will Robert Habeck nicht Finanzminister werden? Bei Jamaika könne der Armin zu dem Christian (Lindner) sagen, rück mal zur Seite, der Robert muss es werden.

All diese reizenden Phantasien der grünen Königsmacher:innen, die nun aussuchen dürfen, wer unter ihnen Kanzler wird, haben nur einen Schönheitsfehler: sie führen politisch und moralisch in die Irre. Der ökologische Umbau des Landes mit Jahrhundertfragen, wie wir heizen, essen, produzieren und uns fortbewegen, ist eine Generationenaufgabe, keine, der man mit kurzfristigem Machtpoker gerecht wird. Und ein Koalitionsvertrag ist bekanntermaßen geduldig.

Nur: Die Union führt mit Laschet ein Politiker an, der am Tag nach der Wahl das Klima als Herzensthema bloß peinlich inszeniert. Mit Lindner steht der FDP ein Mann vor, der nicht nur Politik für die Wohlhabenden macht, sondern sich auch als Türsteher einer Austerität begreift, mit der der Umbau nicht zu finanzieren ist. Kurzum: selbst, wenn die Grünen sich teuer verkauften und ein paar Schlüsselministerien erpressten – wie soll mit diesem Bündnis ein Aufbruch gelingen, der doch eher noch radikaler als gedacht erfolgen muss? Und vor allem: wo bliebe die Sozialpolitik?

Die Klimafrage ist auch eine Klassenfrage. Den ökologischen Umbau muss man sich leisten können, in Bochum und Görlitz ebenso wie in Schwabing und Prenzlauer Berg. Schon im Wahlkampf war es ein schmerzhafter Fehler der Grünen, die soziale Spaltung des Landes zwar pflichtschuldig, nicht aber emotional zu adressieren. Da konnte Annalena Baerbock 99 Mal von Kindergrundsicherung und der alleinerziehenden Mutter sprechen. Die Grünen haben's nicht gespürt und das hat man gespürt.

Grüne Tempomacherin gesucht

Olaf Scholz hingegen kann man viel vorwerfen, emotionale Abstinenz ebenso, wie kommunikativen Autismus, aber er hat immerhin verstanden, dass es das eine (Klimapolitik) nur mit dem anderen (sozialer Gerechtigkeit) geben kann – und umgekehrt. Trotzdem bräuchte auch Scholz jetzt dringend eine grüne Tempomacherin.

Natürlich müssen die Grünen jetzt machttaktisch agieren, Jamaika auszuschließen wäre naiv. Aber mindestens ebenso sehr müssen sie den Blick in die Zukunft richten. Es geht um nachhaltige Erfolge beim Bauen eines anderen, neuen, klimaneutralen Landes. Die nächste Regierung muss dabei möglichst viele Menschen mitnehmen. Ein Bündnis der Besserverdienenden aus Union, FDP und Grünen ist dafür ganz sicher nicht die richtige Paarung.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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