Bonn-Park-Theaterstück nach Schiller: Im Fahrtwind der Freiheit

Bonn Parks „Die Räuber der Herzen“, ein assoziatives Schaumbad nach der klassischen Vorlage von Schiller, feiert am Hamburger Schauspielhaus Premiere.

Die Schauspieler auf der Bühne von "Die Räuber der Herzen"

Echte Müßiggangster zielen nur mit dem Zeigefinger Foto: Thomas Aurin

„Okay, ciao!“, ruft Fausty unvermittelt und geht ab. Gerade hatte er noch – zusammen mit den anderen Gangstern – laut gesungen. Hatte den Song „I’ll fly with you“ von Gigi d’Agostino zum Besten gegeben. Hatte die Arme ausgebreitet und mit seinen Händen Herzchen geformt. Doch dann ist das Lied vorbei und mit ihm die synthetische, absichtlich weichgespülte Musik von Fee Aviv Marschall.

Für einen Moment herrscht betretene Stille. Dann geht nicht nur Fausty Spiegelberg (Matti Krause), sondern auch seine Mit­spie­le­r*in­nen verschwinden. „Ich geh ins Bett und schau irgendwas.“ Nach und nach löst sich die Bande auf, genauso nonchalant wie sie zusammengefunden hat. Das war’s jetzt. Ciao. Okay, ein kleiner Schlussmonolog noch. Das war’s jetzt aber wirklich. Ciao.

„Alles gut“, möchte man antworten. „Komplizierte Gefühle, aber auch nicht so schlimm.“ Und schon ist man mittendrin im Text, den Bonn Park über Friedrich Schillers „Die Räuber“ hinüber geschrieben hat. Eine Klassikerbearbeitung, eine, wie der 1987 geborene Autor sie bereits mit „Drei Milliarden Schwestern“ praktiziert hat. „Die Räuber der Herzen“ ist ein assoziatives Schiller-Schaumbad, in dem sich die Räuberbande um Karl Moor mit den Ganoven aus dem Thriller „Ocean’s Eleven“ zusammentut. In dem ein gewisser Karl, hier heißt er mit Nachnamen Ozean, das Casino seines Vaters ausrauben will.

Glitzerpartikel in die Luft werfen

Dann wird sicher alles besser, denkt er. Und: „Alles nicht so einfach, aber auch nicht so schlimm.“ Also stellt er eine Gangsterclique zusammen, die entspannter nicht sein könnte. Diese Müßiggangster (Eva Bühnen, Jonas Hien, Jan Logemann und Matti Krause) zielen höchstens mal mit dem Zeigefinger, werfen lieber Glitzerpartikel in die Luft als böse Worte und singen leidenschaftlich zu sanfter Fahrstuhlmusik. Sie sehen aus wie coole Cowboys (Bühne und Kostüme: Laura Kirst) und tanzen doch am liebsten im Nebel auf der Showtreppe.

Plaudernd planen sie ihren Coup, wollen einen Anführer, aber auch total flache Hierarchien, vollführen lässige Kartentricks (der Magier Logemann zaubert, „Puff!“, später sogar den Tresor-Inhalt weg) und organisieren Karl (Angelika Richter) erst mal eine Badewanne und ein paar Kerzen, als dieser sich mal nicht so gut fühlt. So wird das nichts, denkt man. Das hier ist alles viel zu melancholisch und unentschlossen. Und: „Alles wird gut, was soll es auch sonst werden.“

Völlig unbekümmert schreibt und inszeniert Bonn Park, der zum ersten Mal in Hamburg arbeitet, sein „Räuber“-Stück nicht um der Handlung willen. Ihm geht es um gute Gefühle und schöne Stimmungen. Er will, wie er im Programmheft sagt, dieses wütende Schiller-Stück, „dieses Reclam-Heft, in die Hand nehmen und es liebevoll streicheln“. Das gelingt ihm meist. „Häppchen von Zusammenhängen fliegen an uns vorbei / Wie der Fahrtwind der Freiheit“, heißt es einmal.

Gedanken zum Materialismus

Und später wird das „Lied der beeindruckenden Sätze und Vokabeln aus „Die Räuber“ von Friedrich Schiller“ in einer skurrilen Musical-Moritat zum Besten gegeben. Etwas zu oft gerät Park allerdings auf René-Pollesch-artige Abwege, wirft dann naheliegend kritische Gedanken zu Materialismus, Welt- und Lebenskrisen in den Raum.

Man könnte von dem Abend im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg enttäuscht sein oder gelangweilt – einiges ist tatsächlich recht lang und ausufernd musikalisch geraten. Und doch sieht man der lässigen Angelika Richter extrem gerne zu, wenn sie im Schaumbad ihr Hühnerfrikassee löffelt und sich dabei Obama-Reden anschaut. Einfach beruhigend.

Das Mash-up aus dem gewaltfreien Heist-Movie und Schillers Jugendwerk ist ein assoziatives und heiteres Stück Theater über gute Gefühle und ein bisschen Zuversicht. Es ist ein Stück, in dem der Autor Schiller streift oder vertont – verortet in einem leuchtend roten, trashig schönen Casino. Hier blinken Flipperautomaten, wächst der „Räuber“-Wald aus neongrünen Leuchtstoffröhren-Palmen.

Riesige Jetons

Riesige Jetons kullern über die Bühne, verbirgt sich der Tresor hinter einer Dartscheibe und werden hervorquellende Blutlachen beiläufig mit Zewa abgedeckt. Nichts ist schlimm, heißt es einmal zynisch, „weder Klimawandel noch Pandemie, wir kriegens schon irgendwie hin“. Der geplante Überfall findet irgendwann noch statt, doch die Beute verpufft bei einem Zaubertrick. Egal! Parks Figuren geht es vor allem um „Zuneigung, die härteste aller Währungen“, und die „Lust am Gelingen von Plänen“. Park selbst geht es vornehmlich um die Lust am Spiel.

Mit Texten, Genres und Musik. „Alles gut. Nicht so schlimm“, möchte man ihm zurufen. Meistens ist es unterhaltsam. Doch „ich geh jetzt ins Bett und schau irgendwas. Ciao!“

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