Kunsthistoriker über rare Freundschaft: „Generationen treffen aufeinander“

Ungewöhnliche Freundschaft im New York der 1960er: Der Oldenburger Kunsthistoriker Tobias Vogt über Barnett Newman und Dan Flavin.

Eine Frau betrachtet die Arbeit „untitled (to Barnett Newman) four, 1971“ von Dan Flavin

Zeugnis des Respekts: Dan Flavins „untitled (to Barnett Newman) four, 1971“ im Bucerius Kunstforum Foto: Ulrich Perrey

taz: Herr Vogt, wer waren Barnett Newman und Dan Flavin?

Tobias Vogt: Barnett Newman gilt als abstrakter Expressionist und Farbfeld-Maler. Er gehört einer anderen Generation an als Dan Flavin.

Newman ist 1905 geboren, Flavin 1933.

Newman hat während des Zweiten Weltkriegs mit der Malerei begonnen und gehörte dann zu den US-amerikanischen Malern, die weltweit Erfolge gefeiert haben: in der unmittelbaren Nachkriegszeit beginnend, in größerem Stil in den 60er-Jahren. Barnett New­man war also gerade besonders bekannt, als der junge Dan Flavin begonnen hat, sich darüber Gedanken zu machen, wie eigentlich seine Kunst aussehen soll. Ich weiß nicht, ob das Bild eines Vater-Sohn-Verhältnisses zutrifft. Ich würde sagen, es sind Generationen, die da aufeinandertreffen – und interessanterweise eine Form von Freundschaft eingegangen sind.

51, ist seit 2020 Professor für Kunstgeschichte, Geschichte und Theorie der visuellen Kultur an der Universität Oldenburg.

Was nicht üblich war?

Normalerweise ist es so, dass die nachfolgende Generation sich absetzen will von der vorangegangenen – nicht nur bei Künstler:innen. Dan Flavin hat auch eine ganz andere Form von Medium benutzt, er gilt als Künstler der Leuchtstofflampen; Barnett Newman war hauptsächlich malerisch tätig. Da unterscheiden beide sich schon sehr stark.

Sie sprechen im Rahmen der Hamburger Ausstellung „Minimal Art“, und das als Teil einer Reihe namens „Powercouples“. Sind Newman und Flavin so eines gewesen?

Tobias Vogt: Wenn man davon ausgeht, dass „Power couple“, sagen wir mal: im neoliberalen System so das geschlossene Pärchen ist, das über seine private Beziehung auch eine öffentliche Wirksamkeit erreicht, dann nicht. Es trifft aber in einer für mich sehr interessanten anderen Hinsicht zu.

Nämlich?

Der Begriff der Power ist sozusagen auch im künstlerischen Sinne wirksam. Beide operieren mit Vorstellungen von Kunst des 20. Jahrhunderts, die noch auf Autonomie rekurrieren und besonders auch auf den Begriff des Erhabenen; eine ästhetische Kategorie, die, glaube ich, von beiden wiederbelebt worden ist. Und insofern, in dieser zweiten Hinsicht, finde ich den Begriff Power couple sehr viel zutreffender.

Was war das für eine Landschaft, das New York der Künst­le­r:in­nen in den 1960er-Jahren?

Es spielt sich alles in Manhattan ab. Die jeweiligen Gruppen hatten so ihre Orte, an denen sie sich getroffen haben. Dann hat sich aber auch mit der Gentrifizierung von Manhattan eine ganz neue Landschaft ergeben: Die Künst­le­r:in­nen haben ab Mitte der 50er-Jahre Soho entdeckt. „Entdeckt“ ist ein bisschen euphemistisch: Sie sind nach Soho gegangen, weil es da große, leere Fabriketagen gab. Diese Veränderungen im Stadtbild, die neuen Nutzungen, die Besetzung, sozusagen, mit Ateliers: Das alles hängt auch damit zusammen, dass die Kunstschaffenden wenig Geld hatten. Das heißt, die jüngere Generation ist nach Soho gegangen, die ältere Generation war eher in der Gegend um das Museum of Modern Art herum zu finden, südlich des Central Park.

Auch Barnett Newman.

Newman hatte seine ersten Ausstellungen in der Betty Parsons Gallery, unterhalb des Central Park, nördlich von Soho. Andere Galerien, in denen die Minimal Art ausgestellt wurde, haben dann Soho für sich entdeckt. Wenn man New York kennt: Das ist alles nicht weit voneinander entfernt. Im Prinzip hatten die also viele Berührungspunkte, und von Barnett Newman ist bekannt, dass er eine Art Partylöwe war, der auch gerne zu den Ausstellungseröffnungen der Jüngeren gegangen ist. Man kann, glaube ich, sagen, dass unter den abstrakten Expressionisten Newman am offensten war, und seine Kunst am anschlussfähigsten.

Vortrag „Powercouples: Barnett Newman und Dan Flavin“: Mo, 11. 4., 19 Uhr, Hamburg, Bucerius-Kunst-Forum (FFP2-Maskenpflicht)

Wie zeigt sich das?

Ich werde im Vortrag hauptsächlich auf seine Gemäldeserie zu sprechen kommen, „Who’s afraid of Red, Yellow and Blue“, …

vier großformatige Gemälde, entstanden 1966 bis 1970.

Wenn man vor diesen Bildern steht, sieht man Ähnlichkeiten zu dem, was dann die Künstler der sogenannten Minimal Art gemacht haben. Und das ist für mich interessant: Wie findet ein schon etablierter Künstler Anschluss an das, was junge Künst­le­r:in­nen machen? Und umgekehrt: Wie nehmen Junge wahr, was gut war, was sie goutieren können an den Älteren?

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