Überraschender Fund in Berlin: Antike Teilchen aus Troja

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte erhält 1.500 Objekte, die der Maler Peter Grämer nach dem Krieg aus dem Schutt des Gropius-Baus geborgen hat.

Ein Mensch betrachtet Scherben auf einem Präsentierwagen

Jede Menge Scherben: Bei der Vorstellung der überraschenden Rückgabe am Dienstag Foto: dpa

BERLIN taz | Die ganz persönliche Geschichte eines Berliners und die Geschichte einer Museumssammlung kommen hier zusammen: Am Dienstag gab die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bekannt, dass das Museum für Vor- und Frühgeschichte private Funde des Malers Peter Grämer für seine Sammlung erhält. Die Witwe des 2018 Verstorbenen hat sie jetzt der Stiftung überlassen.

Dabei handelt es sich nicht etwa um ein paar wenige Stücke, die Grämer zufällig auf dem Trödelmarkt fand, wie es tatsächlich immer wieder in der Archäologie vorkommen kann – berühmtes Beispiel ist der Oberarm des Laokoon in den Vatikanischen Museen, den der Kunsthistoriker Ludwig Pollak an einem römischen Straßenstand entdeckte und der erst einige hundert Jahre später als die hellenistische Laokoon-Skulptur in die päpstliche Sammlung kam. Vielmehr handelt es sich um ein umfangreiches Konvolut von 1.500 Objekten. 1.500 teils kleine Scherben aus Keramik, Steinplatten, auch mal ganze Gefäße.

Manchmal erkennt man auf ihnen die Abbildung einer Kralle, manchmal dringt die Meißelung durch, häufig sind es aber auch einfach nur Fragmente, deren ursprüngliche Form sich kaum erahnen lässt. „Für jeden Laien sind diese Objekte ziemlich wertlos“, betont der Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Matthias Wemhoff, bei der Pressekonferenz.

Doch die Stücke sind von hohem kulturellen Wert. Sie stammen aus dem bronzezeitlichen und eisenzeitlichen Griechenland, manches aus Italien, vor allem aus Troja. Teile aus der Sammlung Heinrich Schliemanns sind dabei, etwa das Fragment eines Depas-Amphikypellon, wie Schliemann einen zweihenkligen Becher aus Keramik nach Homer benannte. Etwa ein Dutzend der 1.500 Stücke aus Grämers Fundus konnte das Museum für Vor- und Frühgeschichte bereits identifizieren.

Die Teile lagen seit der Bombardierung des Baus 1945 in Trümmern begraben

Buddeln war Volkssport

Wie aber kam der Berliner Künstler Peter Grämer zu solch einem ungewöhnlichen archäologischen Besitz? Indem er im kriegszerstörten Berlin der 1950er und 1960er Jahre einem regelrechten „Volksport“ nachging, wie Wemhoff es bezeichnet.

Denn Grämer, damals Student an der Hochschule der Bildenden Künste, ging wie viele andere immer wieder in die Stresemannstraße und suchte im Schutt des Martin-Gropius-Baus nach archäologischen Stücken aus der Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte. 1923 war die Sammlung dort untergebracht worden, und diese lag seit 1945 mit der Bombardierung des Baus in Trümmern begraben.

Grämer muss seinen im Schutt zusammengeklaubten Privatfund geliebt haben: Als die Witwe Christine Weber nach seinem Tod die Archäologen der Stiftung zu sich einlud, fanden sie die antiken Stücke sorgfältigst gehütet in seinem Atelier vor: zwischen seinen Gemälden geradezu ausgestellt, in Kisten verstaut, eine vermutlich ägyptische Vase hatte er selbst – „zwar nicht fachmännisch wie ein Restaurator, aber durchaus annehmbar“, wie Kustos Bernhard Heeb betont – zusammengefügt.

Grämer muss auch über viele Jahre ein schlechtes Gewissen ob des Besitzes der antiken Stücke gehabt haben. Davon ist er nun posthum befreit.

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