Neue Ausstellung im Berliner Schloss: Das Revival des Palastes

Das Humboldt Forum feiert den Palast der Republik. Ist das eine notwendige Erinnerung oder eine Provokation der Sieger?

Menschen im Palast der Republik

Gesellschaftlicher Treffpunkt: Der Palast der Republik Foto: Gerhard Kiesling, bpk

Es ist fast ein Vierteljahrhundert her, da wagte der US-Historiker Peter Jelavich ein „Gedankenspiel“, wie er es nannte. Wenn man schon am Berliner Schlossplatz etwas wegsprengen müsse, so Jelavich, dann doch nicht den Palast der Republik, sondern den Berliner Dom. Der sei schließlich „die größte ästhetische Beleidigung in der Mitte der Stadt“.

Jelavichs Provokation fand im Februar 1998 während einer Tagung des Center for European Studies an der Harvard-Universität statt und war auch an das angereiste Berliner Publikum gerichtet. Mitten in der aufgeregten Debatte um den Abriss des Palastes der Republik und dem Wiederaufbau des Stadtschlosses wurde den Berliner Verantwortlichen in den USA der Kopf gewaschen. Berlin brauche keine Politik des „Revival“, sondern des „Survival“, sagte etwa der Stadthistoriker John Czaplicka.

Revival, das war in der Debatte vor fast einem Vierteljahrhundert der Wiederaufbau des Preußenschlosses – eine rückwärtsgewandte Geste. Wie sehr sich der Diskurs verschoben hat, zeigt sich am kommenden Samstag und am 1. Mai. Dann nämlich findet im Humboldt Forum das erste Themenwochenende zum Palast der Republik statt.

Palast steckt in den Knochen

„Der Palast steckt dem Humboldt Forum in den Knochen“, sagte Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums, am Mittwoch. „Wir sind in der Verantwortung für die Geschichte dieses Ortes.“ Dies beziehe sich auf den Palast der Republik und das frühere Stadtschloss der Hohenzollern.

Dazu sollen am Wochenende „verschiedene Facetten des Palastes der Republik und seiner Geschichte“ eine Rolle spielen. Dabei wird erstmals wieder ein 1975 entstandenes Wandrelief aus Porzellan und Steinzeug aus der Porzellanmanufaktur Meißen zu sehen sein, das in der größten Gaststätte des Palastes hing. An den Palast als Ort von Freizeitvergnügen erinnern zwei Kegelbahnen, die über das Wochenende im Schlüterhof aufgebaut werden.

Der Palast der Republik ist Gegenwart: So heißt das Programm des Humboldt Forums zur Geschichte des Palastes, das am Samstag und Sonntag mit einem Themenwochenende beginnt. Veranstaltet wird das Programm von der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, der Stiftung Stadtmuseum und der Humboldt-Universität zu Berlin. Vom 12. bis 15. Mai sind dann zwei Theatergruppen mit einem „Wendecircus“ im Schlüterhof zu erleben. Im Zirkuszelt sollen die Prozesse der Wendezeit artistisch gespiegelt werden. www.humboldtforum.org/de/ (wera)

Ist das jetzt notwendige Erinnerungsarbeit für ein junges Publikum, das den Palast nicht mehr kannte? Oder ist das einfach nur eine dreiste Provokation der Sieger? Vielleicht ist es sogar ein geschickter Schachzug des stiftungseigenen Merchandisings? Denn wer kauft schon Leuchten aus Erichs Lampenladen, die im Museumsshop für 369,95 Euro (Stehleuchte), 389,95 Euro (Hängeleuchte) oder 3.895,00 Euro (Deckenleuchte) angeboten werden?

Immerhin, eine lediglich folkloristische Reminiszenz soll die Auseinandersetzung mit dem Palast nicht werden. Schließlich sollen in den kommenden Jahren in vier Phasen die Architektur und Nutzung in der Zeit der DDR von 1973 bis 1989, die Umbruchzeit 1989/90, die Zwischennutzung bis zum Abriss 2008 sowie die Erinnerungsorte im heutigen Humboldt Forum thematisiert werden.

Aber auch damit lässt sich der Verdacht nicht ausräumen, dass die Erinnerung an den Palast am Ende eine ambivalente Geste bleibt. Das „Revival“, von dem Czaplicka einst sprach, gilt nun nicht mehr der Rekonstruktion des Schlosses, sondern dem Palast, der dieser Rekonstruktion weichen musste. Wo bleibt da der Schrei: Kulturelle Aneignung?

„In großen europäischen Städten“, sagte damals in Harvard der damalige Direktor des Center for European Studies, Charles Maier, „haben immer auch die Verlierer einen Platz gehabt.“ Eine Ausstellung für den Palast fast 25 Jahre später hätte er sich wohl kaum vorstellen können. Sein Plädoyer galt den Menschen in Ostberlin, denen nach der Wiedervereinigung ihre Paläste, Stadträume, Architekturen nach und nach genommen wurden.

Hätte das Humboldt Forum ein ähnlich radikales „Gedankenspiel“ gewagt wie damals der texanische Historiker Peter Jelavich, wäre es das Mindeste gewesen, die Ausstellungsbesucher zu fragen, welcher Abriss heute dringend geboten wäre, weil er eine „ästhetische Beleidigung“ sei.

Vielleicht hätte das Schloss ja dem Dom den Rang abgelaufen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.