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: Punkiges Paar im Mittleren Westen

„Dinner in America“ (USA 2020, Regie: Adam Rehmeier). Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich.

Simon (Kyle Gallner) passt nicht. Er ist um die dreißig und passt nicht in die Gesellschaft des amerikanischen Mittleren Westens, nicht in seine Familie, nicht in die Musikwelt, in der es als große Chance gilt, dass die Punker von ­Psyops, deren nur maskiert auftretender Sänger er ist, einen Gig als Vorband der Stars von The Alliance aus New York bekommen. Simon ist, oder hält sich, für Punk: Er ist dagegen, er legt Feuer, er hasst die braven Bürger, seine Mutter zum Beispiel, und sie hassen ihn auch. Simon sabotiert jede Form von Karriere. Weil er The Alliance nicht ausstehen kann, schlägt er den Gig wütend aus. Und homophobe Sprüche klopfen, das tut er auch.

Patty (Emily Skeggs) passt auch nicht. Sie ist ebenfalls um die dreißig, etwas langsam, eigensinnig und etwas naiv, lebt in angespannter Atmosphäre noch bei Vater, Mutter und Adoptivbruder. Sie hat nicht genauer erklärte psychische Probleme, schluckt jeden Tag Medikamente, arbeitet in einer Kleintierhandlung, dann wird sie gefeuert. In ihrem Herzen und in ihrem Zimmer ist sie Rebellin, hört Punkrock und tanzt wild. Besonders verehrt sie die lokale Band Psyops, an deren nur als John Q bekannten Sänger schickt sie Briefe mit selbst verfassten Gedichten und mit Polaroid selbst geschossenen Schlüpfer-Fotos.

Simon und Patty passen also zusammen, und davon, wie sie einander finden und was sie dann treiben, erzählt Adam Rehmeiers Film. Produziert hat ihn Ben Stiller, er lief beim Indie-Festival in Sundance, bekam teils enthusiastische Kritiken. Die erste halbe Stunde geht es einigermaßen rumpelig zu, will schräg und böse und ein Nachfolger von „Napoleon Dynamite“ sein, trifft aber nicht immer die richtigen Töne. Dann geht es in Richtung einer bei allen Punk-Attitüden fast schon zärtlicher Außenseiter*innen-Liebesgeschichte, und weil Emily Skeggs und Kyle Gallner ihre Figuren mit Inbrunst, aber doch an den naheliegendsten Klischees vorbei spielen, folgt man ihnen bald gern.

Es ist und bleibt dennoch einiges seltsam an diesem Film. Er spielt in den USA der Gegenwart und des Mittleren Westens, und tut es doch nicht. Gedreht ist er in und um Detroit, das heruntergekommene Amerika, das man sieht, bleibt aber doch sehr unspezifisch. Dasselbe gilt für die Kleinbürgerwelt, gegen die Simon schimpfwortreich rebelliert. Kaum mehr als Pappkameraden sind das, für die sich Rehmeier (auch Drehbuch; Schnitt noch dazu) nur als Anspielstation seiner Prot­ago­nis­t*in­nen interessiert.

Und auch mit der Gegenwart ist das so eine Sache. Patty ist in Mediendingen auf dem Stand der achtziger Jahre: Plattenspieler, Polaroid, Walkman, Kassettenrecorder. Man schreibt sich Briefe statt Mails. Und auch die Punk-Gesten sind natürlich alles andere als frisch. Das Amerika des Films ist also auf fast unheimliche Weise eher erträumt als real. Der Widerstand kommt roh daher, läuft aber gegen Wände aus Gummi. Dass seine Macher und die Kritik den Film als Beschreibung amerikanischer Wirklichkeiten begreifen, ist eher ein Beleg dafür, wie sehr sich nicht nur Hollywood, sondern auch die Indiewelt die US-Realitäten lieber vom Leib hält. Ekkehard Knörer