Dakh Daughters Band aus der Ukraine: Gothic-Girls vom Maidan

Shakespeare mit HipHop und dicken Zöpfen: Der Elan des Freakkabaretts der ukrainischen Frauenband Dakh Daughters ist ansteckend. Ein Porträt.

Menschen im dunklen Balettkostüm stehen auf einer Bühne.

Die Genres werden wild durcheinandergewürfelt: Die Dakh Daughters Band bei einem Auftritt im 2015 Foto: Dominic Steinmann/epa

„Wenn nicht jetzt! Wenn nicht wir!“ rufen Dakh Daugthers 2013 von der Bühne des Euromaidan, das Riesentransparent mit der Aufschrift „Für eine europäische Ukraine“ im Rücken und Tausende Menschen mit Ukraine-Flaggen vor sich. Auf dem Euromaidan in Kiew, wo sich ein Großteil der ukrai­ni­schen Zivilgesellschaft gegen die Ablehnung des Assoziierungsabkommens mit der EU politisch positioniert, wird die Kiewer Frauen-Band Dakh Daughters landesweit bekannt.

Die Künstlerinnen machen aus diesem Auftritt einen zehnminütigen Clip. Im Zentrum steht das Lied „Hannusia“. Erzählt wird darin die Geschichte einer an der Welt Leidenden. Die Musik steigt mit einem sanften Blues ein und steigert sich bis hin zum Rap. Der Clip trifft die Stimmung der Menschen auf dem Euromaidan wieder. Er zeigt die Suppenküche dort, auch Protestierende sind zu sehen, die das Gespräch mit den Sicherheitskräften suchen. So ist der Clip inzwischen zu einem Zeitdokument geworden.

Dakh Daugthers, die siebenköpfige Frauenband, gründet sich 2012 im Kiewer Zentrum für zeitgenössische Kunst Dakh. Alle haben sich am dortigen Theater kennengelernt und sind eigentlich Schauspielerinnen. Musikalisch hat jede ihren eigenen Werdegang, der jeweils mit eingebracht wird.

Sieben Musikerinnen, 15 Instrumente

Was dazu führt, dass sieben Frauen fünfzehn Instrumente spielen und dass vom traditionellen ukrainischen Gesang, der vibriert und von Frauen meist in hohen Tonlagen gesungen wird, bis zum tiefen, rauen Brüllen alles möglich ist. Nebeneffekt: Es wird in mehreren ukrainischen Dialekten gesungen, aber auch auf Russisch, Englisch, Französisch oder Deutsch.

Die Genres werden wild durcheinandergewürfelt, oft mitten in den Songs. Vorbilder gibt es trotzdem: etwa Laibach und Dresden Dolls. Von Letzteren haben sich Dakh Daugthers definitiv ästhetisch inspirieren lassen. Denn ohne weiß geschminkte Gesichter, rote Lippen, und markante schwarze Wimperntusche gehen Ruslana Chasipova, Tatjana Gavriljuk, Nina Garenezkaja, Solomia Melnik, Anna Nikitina, Natalja Galantschewitsch und Zo (Natalja Zozul) nie auf die Bühne.

Große weiße Schleifen

So werden sie zu ukrainischen Gothic-Girls, die sich große weiße Schleifen um die Zöpfe binden. Konterkariert wird die mädchenhafte Inszenierung durch schwere schwarze Stiefel und Overkneekniestrümpfe. Dazu tragen sie weiße kurze Kleider, die an Unterkleider früherer Epochen erinnern. Dakh Daugthers vertonen Gedichte des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko, der allseits verehrten Lesija Ukrainka, aber auch von Charles Bukowski.

In dem Lied „Rosen/Donbass“ zitieren sie das 35. Sonett von William Shakespeare, unterlegt von traditioneller ukrainischer Musik wird ein Rap daraus. Mit dem Musikvideo von „Rosen/Donbass“ werden Dakh Daughters im Jahr 2013 über Nacht berühmt. Sie brüllen das Wort „Donbass“ den Zuschauenden entgegen. Es ist eine versteckte Liebeserklärung an die Industrieregion im Osten des Landes – ein Jahr vor der russischen Invasion.

Dakh Daughters veröffentlichen 2016 ihr Debütalbum „if“. 2019 erscheint „Air“. Und im letzten Jahr „Make-up“. Sie weigern sich strikt, sich und ihre Musik in Schubladen einordnen zu lassen und halten fest am hohen Anspruch Musik und an der produktiv aggressiven Inszenierung, was eine unglaubliche Energie produziert. Sie kommt auch im Clip rüber und überträgt sich erst recht auf der Bühne. Im Grunde ist jedes Konzert von Dakh Daughters eine große Performance. Nicht umsonst nennt sich die Band „Dakh Daughters Freak Cabaret“.

Wenn man zurzeit auf Youtube nach Clips der Band sucht, findet man viele mit einem blauen Banner und der Aufschrift „Stop aggression in ­Ukraine“. Der Clip „Lydina“ (deutsch: der Mensch) hat eine Hasenfigur, die von einem Fiesling in Lederjacke zusammengeschlagen wird, zum Protagonisten.

Dakh Daughters singen dazu: „Der Mensch hat Arme, Beine. Sein Gesicht hat Augen und Lippen. Er hat sogar einen Kopf. Was ich wirklich nicht verstehe, warum gibt es dann so viel Böses auf dieser Welt? […] Hat der Mensch keinen Verstand? Hat sich der Mensch nicht unter Kontrolle?“ Es ist ein altes Lied der „Töchter“, und ist wie der Donbass-Song nun im Kontext des russisch-ukrainischen Krieges ein Kommentar, der unter die Haut geht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.