Soli-Konzert in Hamburg: Mit Musik gegen Putler

Eine Stunde Trost: Die ukrainische Band Dakh Daughters spielt in Hamburg. Dafür reisen geflüchtete Landsleute auch von weit her an.

Die ukrainische Band Dakh Daughters von hinten auf einer Bühne, in den Händen die ukrainische Flagge

Die ukrainische Band Dakh Daughters begeistert Hamburg Foto: Fabian Hammerl

„Stop russian aggression in Ukraine“ steht groß auf den Bühnenhintergrund projiziert, daneben zwei stilisierte Hände mit „Stop War“ darin. Auf der Bühne warten all die Instrumente auf ihren Einsatz, ohne die kaum eine Beschreibung der Dakh Daughters auskommt: zwei Kontrabässe, Trommeln, Keyboard, ein Akkordeon, etliches mehr. Auch ein Pult steht da: Mit einem „Grußwort“ ist Iryna Tybinka angekündigt, Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg. Herrschte in der Ukraine nicht Krieg, gäbe es dieses weit und breit einzige Konzert der Band aus der Kyiver Theaterlandschaft vermutlich gar nicht. Zu fünft stehen die ansonsten siebenköpfigen Daughters an diesem Abend da, beim anschließenden Publikumsgespräch wird sich auch ihr Quasi-Regisseur Vlad Troitsky zeigen.

Es soll einiges, dieses Konzert: Aufmerksamkeit generieren, klar, aber auch Spenden sammeln – das Thalia Theater hatte sich früh nach dem russischen Angriff dazu bekannt, bis zum Spielzeitende 100.000 Euro zusammenbekommen zu wollen. Aber die vielleicht wichtigste Aufgabe des Abends zeigt sich an einem anderen Zahlenverhältnis: Ukrai­ne­r*in­nen bekamen Gratistickets, und sie sind im nicht ganz bis auf den letzten Platz gefüllten Haus deutlich in der Mehrheit; hauptsächlich Frauen, auch Kinder.

Da ist es beinahe befremdlich, dass die Generalkonsulin Deutsch spricht – andererseits braucht sie teils erst vor Tagen in Deutschland angekommenen Landsleuten ja nicht zu erklären, wovor sie geflohen sind und wo sie ihre Männer zurückgelassen haben.

Als die Musikerinnen auf die Bühne kommen, flimmern hinter ihnen übergroß Nachrichtenbilder an der Wand, manche sind bekannt, andere lassen sich nicht ohne Weiteres verorten. Düster beginnt das eigentliche Konzert, mit einer Schweigeminute, eine Stimme warnt, dass nun Schlimmes folge. Dieses Mittel, dieser durch abgestimmte Bilder verstärkte inhaltliche Anspruch zieht sich durch den Abend.

Band ist schon lange politisch aktiv

Dakh Daughters haben sich stets als politisch verstanden, waren Begleiterinnen und Beteiligte der Maidan-Proteste. Noch 2014 traten sie aber auch in Russland auf, sagten Dinge wie: „Es ist kein Krieg in unseren Herzen.“ Hat sich das geändert seit dem vergangenen Februar? Ja, vermutlich. Von einer „art front“ wird Troitsky später sprechen, einem spezifischen Beitrag von Künst­le­r*in­nen zu den Kriegsanstrengungen. Das Programm, das die Band nun aufführt, entstand in wenigen Tagen nach Kriegsbeginn, den Dakh Daughters von Paris aus miterlebten.

Aber eine reine Propagandashow ist dieses Konzert auch wieder nicht. Irgendwann verkünden etwa die Obertitel den Glauben, dass Jesus Christus aufseiten der Ukraine kämpfe. Das ist politisches Statement, aber eben nicht nur. Rollenwechsel und Sprechen-Als-ob, die beinahe schon Markenzeichen gewordenen weiß geschminkten Gesichter und die Outfits zwischen Steampunk-Schulball und postapokalyptischer Winterreise: Theater und seine Mittel sind hier mindestens so sehr im Spiel wie ein westliches Verständnis von Pop mit seiner ganzen Nichtauthentizität.

Die Musik ist mal getragen, flächig, klagend, dann kämpferisch – dass sich unpeinlich mitklatschen lässt: Auch das lässt sich an diesem Abend lernen. Einen, vielleicht den Höhepunkt bildet auch bei diesem Hamburger Konzertabend der maidanerprobte Gänsehautstifter „Hannusia“, bei dem sich Fäuste in die Luft recken und ein paar der sonst so disziplinierten Anwesenden aufspringen.

Dankbarkeit drücken nachher mehrere Besucherinnen aus, dafür, dass die Band ihnen für eine kurze Zeit die Herzen erleichtert und die Leere gefüllt habe. Eine ist mit ihren Kindern 70 Kilometer gefahren um dabei zu sein, andere kamen sogar aus dem polnischen Wrocław.

Ob sie denn auch schon ein Lied zum Sieg hätten, der ja nur eine Frage der Zeit sei, werden Dakh Daughters gefragt. Ja, man arbeite schon an einem groß angelegten Projekt eines zweiten „Nürnberger Prozesses“ – für „Putler“, so die Antwort.

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