Neuer Roman von Lola Randl: Novizen in der Provinz

Der Traum vom Rückzugsort auf dem Land: In ihrem Roman „Angsttier“ lehrt Lola Randl zwei Wessis im Osten das Gruseln.

Ein Rapsfeld unter dunklem HImmel

Rapsfeld in der Uckermark Foto: Hohlfeld/imago

Schon bevor Juli Zeh in die brandenburgische Provinz zog („Unterleuten“), hatte die jüngere deutschsprachige Literatur das Sujet für sich entdeckt: 1999 schickte Karen Duve in ihrem grandiosen Debüt „Regenroman“ ein unbedarftes westdeutsches Pärchen zum umfassenden Scheitern in ein total dunkles Ostdeutschland, das weniger ein Abbild der Wirklichkeit als eine Spiegelung westlicher Dekadenz und Anmaßung war. Als wäre er als Update dieses Motivs gedacht, verfährt Lola Randls neuer Roman „Angsttier“ erstaunlich parallel.

Jakob, der Schriftsteller sein will, über eine Materialsammlung in seinem PC aber nicht hinauskommt, und seine Partnerin Friedel, die in Berlin damit befasst ist, irgendwelche PDFs zu „erstellen, um Gelder von Bauträgern und Kommunen zu erhalten“, erfüllen sich den Traum vom idyllischen Rückzugsort auf dem Land, wo sie ihr Kind zur Welt bringen und sich ein nachhaltiges Leben als zeitgemäße Kleinfamilie aufbauen wollen.

Friedels reicher Vater schenkt der Tochter das kleine Häuschen, das sie sich in einem abgelegenen Dorf ausgeguckt hat. Dass dieser Grunderwerb nur möglich ist, weil „Paps“ dem naturgemäß „windigen“ Makler mehr Geld bietet als der alteingesessene Nachbar, dem das Haus eigentlich fest versprochen war, trägt nicht dazu bei, dass die Neuen im Dorf gut angesehen werden.

Dass sie Fremdkörper sind und bleiben, liegt an ihrer Ignoranz, daran, dass sie neudeutsch gesagt nicht ansatzweise „authentisch“ sind. Im Gegensatz zu den Dörflern, deren Echtheit Randl allerdings mitten im schönsten Klischee ansiedelt.

Gelegenheitsprostituierte in Plastikclogs

Die geprellten Nachbarn heißen Denny und Ramona, Letztere trägt „Plas­tik­clogs“, schafft als freiberufliche Gelegenheitsprostituierte an und uriniert umstandslos in Nachbars Garten, Ersterer grillt und werkelt gern, und generell ist man „von Natur aus eher redefaul, um nicht zu sagen abweisend“.

Wer aus Berlin-Mitte kommt, kann solch urwüchsige Gestalten nicht verstehen. Lola Randl, 1980 in München geborene Filmemacherin und Autorin zweier auf dem brandenburgischen Land angesiedelten Romane, muss es wissen: Sie lebt seit 13 Jahren in der Uckermark.

Lola Randl: „Angsttier“. Matthes & Seitz, Berlin 2022. 174 Seiten, 18 Euro

Doch möglicherweise ist die satirische Überzeichnung ja Sinn und Zweck des neuen Romans. Jakob zumindest ist eine einzige Karikatur: Nie löst er ein, was er ankündigt, widerstandslos lässt er sich vom rüden Denny ebenso vorführen, wie er sich vom arroganten Schwiegervater demütigen lässt, ein Feigling und veritables Weichei.

Das Problem des Romans besteht darin, dass er aus dem lächerlichen Charakter seiner Hauptfigur, aus deren Perspektive personal erzählt wird, nie einen Hehl macht. Sehr bald haben wir nicht nur erkannt, mit wem wir es da zu tun haben, sondern auch, dass die ganze Sache nicht gut ausgehen wird.

So vermag uns denn auch das titelgebende „Angsttier“, das gelegentlich auftaucht und Jakob in Panikschübe versetzt, nicht wirklich zu gruseln, begreifen wir doch zügig, dass hier in guter freudscher Tradition das Unbewusste des Menschen Werwolf ist.

Für Horrortrash ist das Ganze viel zu harmlos, für Gesellschaftskritik zu oberflächlich. Und leider ist es auch in einer verstörend unbeholfenen, zur Stilblüte neigenden Sprache erzählt: Da hat ein Kumpel des Helden „eine recht angesagte Brillenmarke gegründet, wo die Gestelle mit 3D gedruckt wurden“, die böse Bestie ist „ein Tier, aber größer als ein Tier“, und als Jakob im Krankenhaus landet, „ließ er sich sogar noch die Reste seines Zimmernachbarn schmecken“. Es gibt Momente, da ist der Roman tatsächlich ein bisschen schaurig.

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