Roman über Diamantensuche in Afrika: Blutige Geschäfte, flirrende Rumba

„Tanz der Teufel“ heißt der Roman von Fiston Mwanza Mujila. Er erzählt von der gefährlichen Diamantensuche im angolanisch-zairischen Grenzgebiet.

Drei Männer stehen an einem Billardtisch in einer Bar in Bukavu in der Demokratischen Republik Kongo

Nachtleben in Bukavu, Demokratische Republik Kongo Foto: Mads Nissen/laif

Mit seinem Debütroman „Tram 83“ gelang Fiston Mwanza Mujila ein Überraschungserfolg. Das Buch spielt im titelgebenden Nachtclub einer afrikanischen Großstadt. Die Bar ist ein schmuddeliger Ort und zugleich auch das Herz der Stadt. Hier treffen sich Reisende und Künstler, Kriminelle und Prostituierte, Arbeiter und Dauerbesoffene. Die Geschichte des Schriftstellers Lucien und des Gauners namens Requiem, beide Dauergäste in der Bar, wurde auch deshalb so gelobt, weil sie einen jazzigen Textsound mit erstaunlichen Motivvariationen und coolen Satzreihen präsentierte.

„Tanz der Teufel“ heißt nun Mujilas zweiter Roman, der sprachlich und streckenweise auch inhaltlich an den Erstling anschließt. Es beginnt mit einem rasanten Porträt einer schillernden Frau namens Tshiamuena, die auch den Ehrentitel „Madonna der Minen“ trägt. Sie hat sich in Lunda Norte niedergelassen, einem angolanischen Provinzort im Grenzgebiet zu Zaire, das für seine Diamantenminen bekannt ist.

Wir befinden uns Mitte der 1990er Jahre, in einer Zeit des Umbruchs: In Zaire neigt sich die Herrschaft Mobutus dem Ende entgegen. Rebellen kämpfen zunehmend erfolgreich gegen die Regierungstruppen. Auch in Angola gibt es seit Jahren einen Bürgerkrieg, der für instabile und unübersichtliche Machtverhältnisse sorgt. Die ertragreichen Edelsteinminen des Landes werden von Soldaten der einstmals antikolonialen und längst die Bevölkerung terrorisierenden Befreiungsarmee Unita kontrolliert, die den Abbau der Edelsteine, wie es im Text heißt, „mit eiserner Faust“ überwachen.

Auch Tshiamuena ist Teil dieses blutigen Geschäfts, vermittelt sie doch den begehrten Zugang zu den lebensgefährlichen Arbeitsplätzen. Die Minen stehen „im Ruf, ein riesiges Hospiz zu sein“. Doch die Gefahren halten die Glücksritter aus Zaire nicht davon ab, nach Diamanten zu suchen. Weil Tshiamuena ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht, wird sie von den Schürfern als Schutzheilige verehrt. Es heißt, sie sei 200 Jahre alt oder sogar älter. Aber das ist nur eine Legende unter vielen anderen. Ihre Feinde verspotten sie als Hexerin oder Kannibalin. Doch die jungen Schürfer vertrauen ihr, so wie Molakisi, der sich erst als Straßenkind im zai­ri­schen Lubumbashi durchgeschlagen hat, um dann ins Angola der Diamanten weiterzuziehen.

Helen Pluckrose, James Lindsay:Zynische Theorien“. Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles stellt – und warum das niemandem nützt. C.H.Beck Verlag, 2022, 380 Seiten, 22,00 Euro

Das harte Leben auf der Straße scheint eine gute Vorbereitung zu sein für die Strapazen in den Minen. Zum Entsetzen der Eltern hält Kinder wie Molakisi nichts mehr daheim. Auch der junge Sanza verbringt die Nächte lieber draußen vor der Poststation in Lubumbashi, anstatt mit der Mutter, die ihn aufspürt, wieder nach Hause zu gehen: „Draußen war ich mein eigener Vater, meine eigene Mutter, mein eigener Gott, mein eigener Vorfahr, mein eigener Präsident von Zaire. Die Welt war groß, weiter und saftiger als das traurige Leben, wo man um acht ins Bett gehen muss, den Garten jäten und über Hausaufgaben versauern soll.“

Weil es viele Straßenkinder gibt, finden sie schnell Gleichgesinnte, mit denen sie auf Raubzüge gehen. Oft geraten sie in Prügeleien, und mit jedem Schlag lernen die Kleinkriminellen, wie sie sich besser verteidigen können und wann sie in den Angriffsmodus übergehen müssen. Die Halbstarken halten sich längst für unbesiegbare Gangster, und so besuchen sie mit auftrumpfender Selbstverständlichkeit die faszinierenden wie zweifelhaften Orte der Erwachsenenwelt.

Wer in Lubumbashi sich über irgend jemand oder irgend etwas informieren, wer sich abfüllen und im Rausch eine Rumba tanzen möchte, geht ins Mambo de la fête, einem Club mit sehr eigenen Ritualen: „Keiner der wie aus dem Ei gepellten Anwesenden wollte seinen Fummel ablegen, trotz der tropischen Hitze, der Rauchschwaden des schlechten Atems aus dreckigen Mäulern, den Körpergerüchen, den diversen Ausdünstungen, dem Ruß, dem Schluckauf, dem erbrochenen, des Pissegestanks, des Schweißes, des Rotzes, den Hustenanfällen und die Boxen, die seit Ewigkeiten die immer gleiche Rumba ausspukten.“

Der Höhepunkt des Abends ist stets der sogenannte Tanz der Teufel, der auch schon mal knapp zwei Stunden dauern kann. Wie schon in seinem Vorgängerroman „Tram 83“ weiß der in Zaire geborene Mujila die flirrende Club-Atmosphäre eindrücklich darzustellen. „Im Kongo ist die Bar präsent wie das Kaffeehaus in Wien“, hat der nun schon seit Jahren im österreichischen Graz lebende Autor einmal gesagt.

Wilde Aufzählungen und stark rhythmisierte Prosa prägen jene Passagen, die im „Tanz der Teufel“ auch die Schwächen von Mujilas Literatur aufzeigen. Die Barbesucher sind oft schablonenhaft gezeichnet. Selbst die Straßenkids, die im Mittelpunkt stehen, sind nur schwer auseinanderzuhalten. Es geht dem Autor weniger um psychologisch grundierte Charakterstudien, sondern vielmehr um ein derbes Sittengemälde, das über einen schnellen Wechsel der Erzählperspektiven, der Schauplätze und Zeitebenen ein möglichst fragmentiertes Gesamtbild ergeben soll.

Leider scheitert diese Erzählweise beim Versuch, die Minengeschichte in eine halbwegs spannende Agentenstory zu überführen. Ohnehin entgleitet dem Autor so mancher Erzählstrang: Die eingangs pompös vorgestellte Tshiamuena spielt schon bald nur noch eine nebengeordnete Rolle. Mujila ist natürlich gewitzt genug, dem Publikum dieses Manko als Teil des literarischen Programms zu verkaufen. So lässt er mit Franz Baumgartner einen Schriftsteller aus St. Pölten auftreten, der ebenfalls daran scheitert, aus der Begegnung mit der Minen-Madonna und anderen Erlebnissen einen kongruenten Roman zu stricken: „Zu allem Überfluss ist er kein Schriftsteller wie Handke oder Musil – die schrittweise und über die Poesie zum Schreiben gekommen sind. Franz ist zufällig Schriftsteller geworden, und schon bei seinem ersten Roman entgleiten ihm die Figuren …“

Die Komik solcher Passagen ist nicht zu bestreiten, geht aber nicht in die Tiefe. Der scheiternde Franz bleibt eine oberflächlich geschilderte Witzfigur. Der Mann besitzt einen zai­ri­schen Pass, möchte von den Einheimischen ernst genommen werden. Aber die werfen ihn als spinnerten Vertreter des alten Regimes ins Gefängnis. Mobutus Zaire ist von der Landkarte verschwunden, und Kabila hat die Demokratische Republik Kongo ausgerufen.

Mujila hätte den weißen Schreiberling, der das Herz der Finsternis erkundet, etwas vielschichtiger anlegen müssen. Die Widersprüchlichkeiten kultureller Aneignung etwa werden nur angedeutet, ständig ironisiert, aber literarisch nicht ausgeführt. So hinterlässt der Roman, der so stark begann und zwischenzeitlich mit zu vielen Teufeln zu tanzen versucht, einen sehr gemischten Eindruck.

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