Futter von Masttieren: Unbestreitbares Auslaufmodell

Nur ein Viertel des deutschen Weizen wird von Menschen gegessen. Deutlich mehr wird an Tiere verfüttert. Ein Umbau ist überfällig.

Weizen fließt aus einem Rohr

Ein Drittel der deutschen Weizenernte wird an Masttiere verfüttert Foto: CHROMORANGE/imago

Das Drama um den ukrainischen Weizen nimmt kein Ende. Schon seit Beginn des russischen Angriffs auf das Nachbarland zeichnete sich ab, dass als eine Nebenfolge auch Hungersnöte in ganz anderen Teilen der Welt auftreten oder sich verschärfen würden. Denn 14 Prozent des globalen Weizens werden in der Ukraine geerntet, gelangen aber wegen der blockierten Häfen nicht in die Importländer.

Längst zerfurcht das Problem nicht mehr nur Politiker_innenstirnen, sondern beschäftigt auch Bürger_innen und Medien. Und in den sozialen Netzwerken ringen die, die Ernährungspolitik schon des Längeren kritisieren, mit den Anhänger_innen der konventionellen Landwirtschaft. Niemand soll behaupten, dass die Ersteren immer im Recht seien, auch hier nährt manch einseitige Darstellung den Triumph des Egos; wie aber Teile der deutschen Landwirtschaftslobby das offensichtliche Problem zu leugnen und zu verschleppen suchen, schmerzt den Verstand wie einst die Warnungen der Coronagegner_innen vor unter Gully­deckeln lauernder Zwangsimpfung.

Der Streit um die deutschen Äcker in aller Kürze: Auch Deutschland baut viel Weizen an, im vorigen Jahr rund 22 Millionen Tonnen. Nur etwa ein Viertel davon wird direkt für die menschliche Ernährung verwendet, ein Drittel hingegen an Masttiere verfüttert. Da lässt sich nicht schwer kombinieren, dass viel mehr Weizen zur Verfügung stünde, wenn weniger Fleisch „produziert“ würde; doch wie viel genau, weiß momentan keine_r. Man könne nicht auf allen Ackerflächen, auf denen Futterweizen wachse, Backweizen ernten, sagen die einen; auf vielen aber schon, wenn man den Eiweißgehalt anpassen und Brotrezepturen ändern würde, entgegnen die anderen.

Das Ganze erinnert an den zähen Streit, ob in einer Kalorie aus Fleisch nun exakt sieben „Getreidekalorien“ oder in manchen nur zwei stecken, und ob ein Kilo Rindfleisch wirklich ganze 15.000 Liter Wasser benötige – „und wie ist es bei Bio“? Je stärker sich die Klimakrise zuspitzt, desto häufiger werden wir solche Streite künftig führen. Um Land, um Energie, um Wasser. Und natürlich ist für die Frage, WIE die Landwirtschaft umgebaut werden muss, wichtig zu wissen, was genau unterschiedliche Böden brauchen, hergeben und vertragen.

Doch DASS radikal umgebaut werden muss und das Essen von Tieren ein Auslaufmodell ist, steht doch außer Frage. Sich diesem Umbau nicht trotzig in den Weg zu stellen, sondern nach Lösungen zu suchen – bei denen auch alle mitbedacht werden, die nicht mehr wie bisher wirtschaften können! – ist ein Gebot des Klimaschutzes und der globalen Nahrungsmittelgerechtigkeit. Auch eins der Gerechtigkeit gegenüber den Tieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.