Deutscher Sachbuchpreis 2022: Der mit den Hohenzollern ringt

Für seine Arbeit ist der Historiker Stephan Malinowski mit dem Sachbuchpreis geehrt worden. Er forscht zum Nationalsozialismus.

Der Historiker Stephan Malinowski steht an einem Lesepult mit der Aufschrift "Deutscher (Sachbuchpreis 2022)".

Der Historiker Stephan Malinowski bei der Verleihung des Deutschen Sachbuchpreises 2022 Foto: Monika Skolimowska/dpa

Stephan Malinowski erhält den Deutschen Sachbuchpreis 2022. Der in Edinburgh lehrende Historiker wird damit für sein Werk „Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration“ geehrt. Es zeichne „sich durch stringente Argumentation und souveräne Quellenkenntnis aus“, sagte die Jury des Buchpreises am gestrigen Abend in Berlin bei einem Festakt im Beisein von Staatsministerin Claudia Roth.

Der 1966 in Berlin geborene Malinowski sei ein glänzender Erzähler. Er belege eindrucksvoll, wie sehr das 1918 gestürzte preußische Herrscherhaus an der Zerstörung der Demokratie von Weimar sowie der Etablierung des nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Deutschland 1933 mitgewirkt hat.

Im Zentrum einer Auseinandersetzung

Tatsächlich ist der Historiker Malinowski in den letzten Jahren mehr und mehr ins Zentrum einer Auseinandersetzung geraten, die die Erben des 1918 gestürzten preußischen Herrscherhauses forcierten. Diese verlangen Entschädigungen von Bund und Ländern in Millionenhöhe.

Der Hochadel fordert Rückerstattungen und Ausgleich für Enteignungen, die in der sowjetisch verwalteten Zone und der DDR nach 1945 getätigt wurden. Nach einem Gesetz von 1994 haben Enteignungen jedoch über das Ende der DDR hinaus Bestand – sofern die früheren Besitzer dem Aufstieg des Faschismus in Deutschland besonderen Vorschub leisteten.

Hinter den Kulissen opponierten die Hohenzollern und ihr heutiger Verhandlungsführer Georg Friedrich Prinz von Preußen dagegen. Der belastete Hochadel durfte im Westen nach 1945 das Vermögen größtenteils behalten. Nun sollte es auch im Osten so sein. Prinz von Preußen gab von ihm bezahlte Gutachten in Auftrag, die seine braunen Vorfahren weißwaschen sollten.

Begeisterte NS-Claqueure

Zumindest so weiß, dass sie als minderbelastete Nazimitläufer durchgehen konnten. Allen voran der Kronprinz, der Sohn des letzten deutschen Kaisers, der als Erbfolger im Zentrum der historisch-juristischen Bewertung steht. Das Problem: Kronprinz, Frau und Kinder waren begeisterte NS-Claqueure, wie sich in zahlreichen Text- und Bilddokumenten belegen lässt. Sofern man sie heute noch auffindet.

Die Hohenzollern-Erben durften anfangs auf einen dürftig erscheinenden Forschungsstand setzen. Doch bereits 2014 stellte Malinowski als Sachverständiger des Landes Brandenburg, gestützt auf Akten- und Archivfunde, fest: „Wilhelm Kronprinz von Preußen hat durch sein in großer Stetigkeit erfolgtes Handeln die Bedingungen für die Errichtung und Festigung des nationalsozialistischen Regimes verbessert. Sein Gesamtverhalten hat der Errichtung und Festigung des nationalsozialistischen Regimes erheblich Vorschub geleistet.“

Als er die Forschungsergebnisse 2015 in der Zeit publizierte, den Streit öffentlich machte, gingen die Hohenzollern juristisch gegen ihn vor. Sie versuchen seither die öffentliche Debatte um ihre Rolle juristisch einzuhegen. Historiker, Journalisten und Medienhäuser wurden in für die Bundesrepublik beispielloser Weise juristisch bedroht.

Eine überzeugende Antwort

Mit letztlich mäßigem Erfolg. Dank dem Engagement einzelner Historiker wie Stephan Malinowski dürfte der Versuch gescheitert sein, die postfaschistische deutsche Geschichtsschreibung zum Vorteil einiger weniger umzudefinieren. Das nun ausgezeichnete Werk „Die Hohenzollern und die Nazis“ werden auch Juristen zu Rate ziehen, die sich in absehbarer Zeit vor Gerichten mit den Forderungen der Hohenzollern beschäftigen werden. Die abschließende juristische Klärung steht ja noch aus, sollte aber dank der von Malinowski auf 754 Seiten zusammengetragenen Quellenlage eindeutig sein.

Wie sagte Malinowski der taz doch im Interview zum Jahreswechsel: „Als prominent hervorgehobene Figur hat der frühere Kronprinz dem Vormarsch der NS-Bewegung konsequent Vorschub geleistet. Wie auch seine Ehefrau, die meisten seiner Brüder, sein Vater und andere Mitglieder dieser Familie, wie auch zeitweise sein Sohn Louis Ferdinand. Sie alle haben den Nationalsozialismus öffentlich sowie im internen Bereich des rechten Milieus massiv befördert. Das lässt sich durch viele Dokumente belegen.“

Malinowskis Buch „gibt eine überzeugende Antwort,“ so die Jury des Deutschen Sachbuchpreises, „auf die Restitutionsforderungen der Hohenzollern und verteidigt zugleich die Wissenschaftsfreiheit gegen Widerstände“.

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